Voller Querverweise
Zuallererst: Haben Sie das Buch „S,M,L,XL“ im Regal stehen? Dieses „massive book“, die „novel about architecture“ von Rem Koolhaas und Bruce Mau? Als das Buch 1995 erschien, mussten Rezensenten noch dafür zahlen, ermäßigt zwar, aber immerhin. Die Rechnung von damals liegt noch im über die Jahre zugestaubten Buchtrümmer, den ich, auf der Leiter stehend, aus dem Regal fischte, abstaubte und dorthin blätterte, wohin mich Françoise Fromonot schickte. Mittels ihres Buchs, das sie schrieb und das, wie ein Krimi gemacht (Paperback, holziges Papier und wie immer leichter in der Hand, als gedacht) zunächst verwundert: Hier soll über Architektur gesprochen werden?
Klar, es geht um ein Projekt von Rem Koolhaas und damit passt das Format, das die neue Reihe „Gumshoe“ bei Park Books eröffnet. „Gumshoe“ verweist auf leise Gummisohlen, auf denen die Privatdektive unserer literarischen und filmischen Welt ins Ermitteln gleiten. „Gumshoe“ steht auch für den Schnüffler, der gerne auch einmal gegen geltendes Recht und unter höchster Lebensgefahr ermittelt. Die Gumshoe-Reihe bei Park Books wird über „wegweisende Gebäude der Moderne“ erzählen, der erste Fall, so der Verlag, dreht sich um Rem Koolhaas und die Villa Dall’Ava, ein Privathaus im Pariser Vorort Saint-Cloud. Ein frühes, das erste gebaute Projekt, das im dem „massive book“ mehr Platz erhält als alle anderen. Aber gut, 1995 gab es auch noch nicht so viele.
Nun nähert sich die detektivisch arbeitende Architekturlehrerin und -kritikerin über persönliches Erleben der Villa, die schon zu ihrer Zeit aus der Zeit gefallen schien und doch – soviel sei verraten – die ganze Moderne reflektiert mit ihrem beinahe ironischen Eklektizismus (Villa Savoye!). Die Autorin vermutet und probiert Analogien, findet Beweise für sie (eben bei „S,M,L,XL“, der 2. Koolhaas-Bibel nach „Delirious New York“). Sie zoomt in Fotos, baut Theorien auf und verwirft keine davon. Was am Ende dabei herauskommt? Die Villa hat ja längst ihren festen Platz im westlichen Architektur-Kanon, die Art und Weise jedoch, wie die Autorin sie hier in ihre Bestandteile zerlegt, so wie Fäden zwischen Personage und Theorie und Bauteilen gesponnen werden, das ist streckenweise sehr unterhaltsam und deshalb schon ein wenig überzogen. Ob uns allerdings die Kontextualisierung der Villa zu Arbeiten von Salvador Dalí oder Jean-Francois Millet oder Madelon Vriesendorp und natürlich Le Corbusier weitertragen?
Der Titel „The House of Dr Koolhaas“ zieht (allerdings hat Rem Koolhaas keinen Ph. D.). Mir ist er eine schöne Analogie zu „The House of Dr. Dee“, eine Novelle von Peter Ackroyd, die das Leben und Wirken des Alchemisten John Dee, ein Arzt und Berater Elisabeth I., beschreibt. Mehr Analogie, lieber Dr Koolhaas, geht nicht!
Jetzt aber, nach all den Jahren, weiter im frisch entstaubten und überraschend aktuellem „S,M.L.XL“. Dafür, liebe Françoise, herzlichen Dank! Be. K.