Sièges intercommunal, Neuves-Maison/FR
Aurélie Husson und Benoît Sindt vom Architekten-Kollektiv Studiolada haben im französischen Neuves-Maison am Stadtrand von Nancy einen modernen Holzbau realisiert: Der Verwaltungssitz des Gemeindeverbands Moselle et Madon zeichnet sich äußerlich durch ein einfaches und kompaktes Gebäudevolumen und eine elegant ausgearbeitete Holzverschalung aus – dahinter verbirgt sich jedoch eine robuste Holzbalkenkonstruktion mit wärmespeichernden Wänden aus ungebrannten, handgefertigten Ziegeln.
Es ist der Vorbote eines Strukturwandels: Der im Süden an Nancy angrenzende Gemeindeverband Moselle et Madon umfasst insgesamt 19 Gemeinden mit rund 30 000 Einwohnern. Die Verlagerung des neuen Verwaltungssitzes dieses Gemeindeverbands an den Stadtrand der rund 7 000 Einwohner zählenden Stadt Neuves-Maisons ist Teil eines groß angelegten Stadtumbauprojekts, das vorsieht, das heutige Gewerbe- und Einkaufsgebiet aufzuwerten und langfristig zu einem neuen Stadtteil mit Wohnungen, Schulen, Sportanlagen etc. umzugestalten. Das direkt am Kanal gelegene Areal dient den verschiedenen Dienststellen der Stadtverwaltung und ist gleichzeitig städtischer Busterminal, Parkplatz für Müllfahrzeuge und technisches Zentrum für die Wartung des Fuhrparks. Funktional ist der Standort somit nicht nur für die kommunalen Fahrzeuge und Mitarbeiter gut erreichbar, sondern auch für die Bewohner der umliegenden und zum Teil weit verstreuten Gemeinden.
In einem ersten Ansatz wollten die Architektinnen für den Neubau die Fundamentplatte der ehemaligen Halle des Betonfertigteilwerks wiederverwenden. Die Tragfähigkeit der Streifenfundamente dieser Lagerhalle erwies sich jedoch als unzureichend, so dass aufgrund des sumpfigen, mit Kies und Schüttgütern durchsetzten Baugrunds auf eine 10 m tiefe Pfahlgründung zurückgegriffen werden musste.
Der Baukörper ist durch den mittigen Erschließungstrakt in drei Teile gegliedert
Foto: Ludmilla Cerveny
Trotz des Komplettabbruchs entschieden sich die Architektinnen, die Ausrichtung und die Abmessungen der ursprünglichen Produktions- und Lagerhalle in ihrem Bebauungsplan beizubehalten, wodurch sich das Gebäudevolumen optimal in die bestehende Bebauungsstruktur der verschiedenen umliegenden Gewerbehallen einfügt. Zudem konnte das nördlich gelegene Ersatzteillager des Fuhrparks erhalten und über eine zweigeschossige, vollverglaste Brücke mit dem neuen Verwaltungsgebäude verbunden werden.
Quasi als Nebeneffekt konnten durch die komplette Umgestaltung des Grundstücks die vollständig mit Beton versiegelten Flächen aufgebrochen und wasserdurchlässig gestaltet sowie der Boden grundlegend saniert werden.
... die Fügung mittels Schrauben stellt dabei die einfache Reversierbarkeit der Bodenkonstruktion sicher
Foto: Ludmilla Cerveny
Ein mit Feuchtbiotopblumen und -gräsern bepflanzter Grünstreifen rund um das Gebäude, unterirdische Wassertanks und ein Regengarten zum Auffangen von Regen- und Oberflächenwasser sind ebenso Teil des Wassermanagements und der Phytoremediation (Grundwasserreinigung durch Pflanzen und Mikroorganismen) des Geländes wie die Wiederverwendung des Brauchwassers für die Buswaschanlage und die sanitären Anlagen.
Potenzial der Umbaubarkeit
Der rechteckige Gebäudegrundriss zeigt, dass der langgestreckte, zweigeschossige Baukörper eigentlich aus drei Schiffen besteht, in deren Mitte sich ein zweigeschossiger, bis unter die Dachschräge reichender Luftraum befindet, der als Treffpunkt für die Mitarbeiter der Stadtverwaltung gedacht ist. In diesem Luftraum positionierten die Architekt:innen neben verschiedenen Abstellräumen sowohl die vertikale Erschließung mit den beiden einfachen Holztreppen als auch die horizontale mit den Laubengängen, die zu den Eingängen der Büros im Obergeschoss führen. So entstanden sowohl nach Osten als auch nach Westen orientierte Büroräume zwischen 9 und 25 m2.
Der Fußboden des 1. OG ist mit Pfosten von den Dachsparren abgehängt, ...
Foto: Ludmilla Cerveny
An der Südseite des Baukörpers verbinden sich die beiden Laubengänge des Obergeschosses zu einer informellen, innenliegenden Aufenthaltsplattform, die sich zu einer vollständig mit Holz verkleideten Loggia öffnet. Links und rechts dieser wetter- und sonnengeschützten Loggia, unter der sich der Haupteingang des Gebäudes befindet, positionierten die Architektinnen jeweils einen großen Versammlungs- und Festsaal sowie einen lichtdurchfluteten Personalraum mit Teeküche. Während im Obergeschoss in den beiden Bürotrakten zu beiden Seiten des zentralen Atriums ausschließlich Büroräume angeordnet sind, werden die Büroräume im Erdgeschoss punktuell durch die Personalräume der Busfahrer und der Müllabfuhr unterbrochen. Der westliche Bürotrakt wird durch zwei Zugänge vom Mitarbeiterparkplatz dreigeteilt. Diese zweigeschossigen Gebäudeeinschnitte dienen der zusätzlichen Tageslichtversorgung; an diesen Stellen wurden im Obergeschoss außenliegende Loggien für die Mitarbeiter vorgesehen. Der östliche, von der Straße nicht zugängliche Bürotrakt weist die gleiche Dreiteilung auf, in dessen Einschnitten wurden Toiletten und Technikräume untergebracht.
Konstruktive Ehrlichkeit
Oberlichter in den kaminartigen Aufbauten
versorgen das Gebäude mit Frischluft und bringen natürliches Tageslicht in die Mitte des Gebäudes
Foto: Ludmilla Cerveny
Betritt man das Gebäude, wird das primäre Holztragwerk aus Fichtenholz unmittelbar sichtbar. Die Balken der Fußbodenkonstruktion des Obergeschosses wurden mit Pfosten von den Dachsparren abgehängt und verschraubt. Die Dachsparren sind am First mit weiß gestrichenen Stahlplatten gekoppelt. Kehlbalken und diagonal verlaufende Stahlstreben dienen ebenso wie die punktuell gesetzten CLT-Platten der vertikalen Aussteifung der Holzrahmenkonstruktion.
Die Tragkonstruktion der Wände zwischen den Büroräumen und dem Atrium wurde als sichtbare Fachwerkkonstruktion mit stabilisierenden, kreuzförmig angeordneten Streben ausgeführt. Die eigentlichen und hinter das Fachwerk rückversetzten Trennwände bestehen aus nichttragenden, unbewehrten, gestampften und luftgetrockneten Lehmziegeln.
Diese vor Ort gefertigten Lehmziegel, die mit Strohhäcksel versetzt sind, wurden aus zwei unterschiedlichen und lokal geernteten Bodensorten gemischt. Sie erfüllen einerseits eine schalldämmende Funktion, dienen andererseits aber vor allem als Wärmespeicher und regulieren zudem die Luftfeuchtigkeit innerhalb des Gebäudes.
Für Pausen stehen den Beschäftigten die außenliegenden Loggien über den Zugängen auf der Westseite des Gebäudes zur Verfügung
Foto: Ludmilla Cerveny
Das flach geneigte, rotbraune Zinkdach wird an drei Stellen von den steil nach oben ragenden und mit rotbraunen flachen Tonziegeln gedeckten sogenannten „Flamandes“ unterbrochen. Diese pyramidenförmigen Dächer dienten bei den schmalen und tief in die Parzelle reichenden, traditionellen Wohnhäusern der Region als Lichtschächte, um die im Zentrum des Hauses liegenden Küchen zu belichten. Hier dienen sie einerseits der Belichtung des Atriums und andererseits der Belüftung und Temperaturregelung des doppelgeschossigen Luftraums.
Beim Innenausbau versucht studiolada grundsätzlich, Gipskartonplatten zu vermeiden, sofern es die Brandschutzvorschriften zulassen. Dementsprechend wurden die Außenwände raumseitig mit Sperrholzplatten aus Pappelholz verkleidet und für die Decken unverputzte, schallabsorbierende Holzwolle-Leichtbauplatten verwendet. Um eine Überhitzung der Räume zu verhindern, wurden die Dachüberstände so berechnet, dass die Fenster mit Dreifachverglasung im Obergeschoss ohne außenliegenden Sonnenschutz auskommen.
Die mit Holzwolle gedämmte Kiefer-Holzrahmenkonstruktion der Außenwände wurde mit vergrauten Douglas-Kanthölzern vertikal verschalt. Der außenliegende Sonnenschutz der uniformen Einflügelfenster im Erdgeschoss wurde durch den Rücksprung der Verschalung unsichtbar montiert.
Die Wände der Bürozellen lassen sich leicht entnehmen, wodurch eine spätere Nutzung als Wohnraum ermöglicht wird
Foto: Ludmilla Cerveny
Nachhaltiges Gemeinschaftprojekt
Das Tragwerk und die Raumkonstellationen wurden von studiolada so entworfen, dass das Bauwerk bei Bedarf auch zu einer Schule oder zu Wohnungen umgebaut werden könnte, indem die Bürozwischenwände abgetragen werden. Ein Beitrag zum nachhaltigen Bauen, wie Benoît Sindt betont. Die Produktion der Ziegel wurde zu einem Gemeinschaftsprojekt unzähliger Freiwilliger, wodurch das Projekt einen besonderen sozialen und partizipativen Charakter erhielt. „Unser Ziel war von Anfang an, ein nüchternes und gut lesbares Bauwerk zu entwerfen, das sowohl funktional als auch ästhetisch ansprechend ist“, erklärt Benoît Sindt. „Wir wollten ein Gebäude entwerfen, dessen Umwelteinwirkung minimal ist und das der Parzelle einen Mehrwert zurückgibt.“
⇥Michael Koller, Marseille/FR
Grundriss EG, M 1 : 500
1. Büro
2. Sozialräume
3. Lagerung/Technik
4. Sanitär
5. Reprografie
6. Ausstellungsraum
7. Terrasse
8. Verbindungsgalerie
Studiolada
Aurélie Husson, Benoît Sindt
www.studiolada.fr
Foto: Studiolada
Baudaten
Objekt: Sièges intercommunal, Bau des
Gemeinschaftssitzes und des Busterminals in Neuves-Maisons/FR
Bauherr: Communauté de Communes
Moselle et Madon
Architektur: Kollektiv Studiolada, Nancy/FR,
www.studiolada.fr
Team: Benoît Sindt Architekt, Aurélie Husson, Kollektiv Studiolada. Mitarbeiterinnen Studiolada: Guillaume Cecchin (Projektleiter), Pierre Wendels, Nathan Illy
Fertigstellung : 2024
Fläche: 2000 m².
Baukosten : 4 Mio. €
Fachplaner
Tragwerksplanung Holzbau: Barthes bois,
Maidières/FR,
www.barthesbois.fr
TGA-Planer: Oak Ingénierie, Bétheny/FR,
www.oak-ingenierie.fr
Energieplaner: Fluid‘CONCEPT, Stutensee,
www.fluidconcept.de
Brandschutzplaner: AJA, Dombasle sur Meurthe/FR www.aja-ssi.fr
Ingenieursbüro Lehmbau: amàco, Villefontaine/ FR www.amaco.org
Projektsteuerung: Franck Barlé OPC