Sanfter sanieren
Minimalinvasive Maßnahmen ermöglichen die wirtschaftliche Sanierung von Bestandsgebäuden – für die Wertsteigerung und den Werterhalt einer Immobilie. Anhand des Projekts „New Ganghofer“ hat das Unternehmen Schüco nun gemeinsam mit Forster Fassadentechnik gezeigt, wie das Konzept auch den CO2-Abdruck von Sanierung reduzieren und gleichzeitig der Einstieg in einen Wertstoffkreislauf gelingen kann.
Schätzungen der Europäischen Kommission zufolge werden 85 % bis 95 % der heutigen Bestandsgebäude auch im Jahr 2050 noch genutzt. Damit wächst der Handlungsdruck, den vorhandenen Gebäudebestand durch gezielte Sanierungsmaßnahmen energetisch, funktional und zukunftsfähig zu gestalten. Getrieben durch den European Green Deal mit dem Ziel, bis 2050 Klimaneutralität in Europa zu erreichen, rückt auch die energetische Sanierung in den Mittelpunkt. Herausfordernd dabei: veränderte Klimabedingungen, steigende Sicherheitsanforderungen, Ressourcenknappheit oder neue Nutzungsarten der Gebäude. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Bestandbauten sowie deren Werterhalt und -steigerung werden damit zu zentralen Herausforderungen der Bauwirtschaft.
Für den Gebäudebestand lassen sich Sanierungspotenziale und -entscheidungen mithilfe umfassender Analysen treffen. Je nach Zustand des Gebäudes und Zielsetzung sind unterschiedliche Sanierungsstrategien ableitbar – von der umfassenden Kernsanierung über den selektiven Elementetausch bis hin zu minimalinvasiven Maßnahmen. Letztere bieten insbesondere bei gut erhaltener Substanz einen effizienten und wirtschaftlichen Weg, um funktionale und energetische Verbesserungen mit möglichst geringer Eingriffstiefe zu realisieren.
Technisch bedeutet das: Bestehende Bauteile wie Fenster oder Fassaden werden gezielt ertüchtigt oder ergänzt, ohne tragende Strukturen anzutas-ten oder großflächige Rückbauten vorzunehmen. Typische Maßnahmen sind etwa der Austausch von Fensterflügeln, die Nachrüstung von Beschlägen, Dichtungen oder Sonnenschutzsystemen, die Erneuerung der Verglasung oder die Überdämmung einzelner Fassadensegmente – alles mit dem Ziel, die energetische und funktionale Performance zu verbessern, ohne dabei in die Bausubstanz einzugreifen oder das äußere Erscheinungsbild maßgeblich zu verändern.
Bestehendes aufwerten
Die Sanierung von Bestandsgebäuden ist eine der komplexesten Aufgaben im Bauwesen – geprägt von technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen und regulatorischen Anforderungen, die sich selten in standardisierte Lösungen übersetzen lassen. Mit Value Up hat Schüco speziell für diese Bauaufgabe ein modulares Lösungsangebot entlang aller Phasen des Sanierungsprozesses entwickelt. Es bietet digitale Werkzeuge, fachliche Unterstützung und anpassbare Systemlösungen für die Gebäudehülle, um bestehende Gebäudestrukturen zu optimieren und den komplexen Planungsaufgaben bei Bestandsprojekten effizient zu begegnen.
Zu Beginn einer jeden Sanierung steht die intensive Analyse des Baubestands – eine Phase, die oft mit nur begrenzter Datengrundlage, unklaren baulichen Voraussetzungen und hohem Abstimmungsbedarf verbunden ist. Gerade in frühen Leistungsphasen steigt damit der Planungsaufwand – und zugleich die Verantwortung für strategische Entscheidungen, die den weiteren Projektverlauf maßgeblich prägen. Schüco unterstützt mit digitalen Gebäudescans, thermischen und bauphysikalischen Bewertungen und präzisen Simulationswerkzeugen. Auf Basis dessen lassen sich projektbezogene Berechnungen durchführen und innovative und fundierte Sanierungslösungen planen. Im Vordergrund steht dabei stets die Reduzierung von Komplexität sowie die Erhöhung der Planbarkeit.
In der Phase der Umsetzung steht vor allem die Frage nach technisch passenden, zeitlich und wirtschaftlich realisierbaren Lösungen im Bestand im Vordergrund. Kompatibilität, Eingriffsminimierung und Systemflexibilität werden zu entscheidenden Kriterien. Das Value Up Produktspektrum bietet dafür anpassbare Lösungen, abgestimmt auf Zielsetzung, Eingriffstiefe und Bestandssituation. Insbesondere minimalinvasive Systemlösungen bieten hier das Potenzial, Gebäude im laufenden Betrieb gezielt zu ertüchtigen – mit geringem Eingriff, hohem Nutzen und einem klaren Beitrag zur Verlängerung des Lebenszyklus.
Um einen objektspezifischen Sanierungsprozess mit minimalem Eingriff in die bestehende Gebäudestruktur zu realisieren, hat Schüco spezielle Produktlösungen für die Gebäudehülle entwickelt. Diese minimalinvasiven Lösungen ermöglichen eine schnelle, rationelle und zugleich gestalterisch hochwertige energetische Ertüchtigung von Bestandsgebäuden. Eine vollständige Demontage der vorhandenen Systeme ist nicht erforderlich. Die Systeme sind flexibel adaptierbar und als BEG-Einzelmaßnahme förderfähig.
Fassadensanierung im laufenden Betrieb
Pfosten-Riegel- und Riegel-Riegel-Fassaden lassen sich mit dem individualisierbaren Schüco AOC 50 / 60 Reno Fassadensystem ohne aufwändige und störende Komplett-Demontage des Altsystems funktional und energetisch aufwerten. Dabei werden die vorhandenen Tragstrukturen mit einer Aufsatzkonstruktion und einer komplett neuen Dicht- und Dämmebene überbaut. Die inneren Bauwerksanschlüsse bleiben unberührt. Durch die Verwendung individueller Adapterprofile kann die Aufsatzkonstruktion sowohl auf ältere Schüco Pfosten-Riegel Fassaden montiert werden als auch durch projektspezifische Anpassungen auf Riegel-Riegel Konstruktionen und Systeme anderer Hersteller. Auch für die funktionale und energetische Ertüchtigung von Glasdächern ist die AOC 50 / 60 Reno geeignet. Die positiven Aufwertungseffekte in Funktionssicherheit und Energieeffizienz lassen sich durch die neue Dichtebene sowie die neue Verglasung, der Füllpaneele und der Isolatoren erreichen, was zu einer deutlichen Verbesserung der Ucw-Werte der Fassade führt. Mit Glas- oder Füllungsstärken von 8 bis zu 70 mm wird ein Wärmedämmwert Uf von bis zu 0,75 W/(m²K) erreicht. Die neue Dichtebene der Fassade ermöglicht eine Luftdichtheit bis zu Klasse AE 1950 und eine Schlagregendichtheit bis zu Klasse RE 2550.
Minimalinvasive Fensterertüchtigungen vermeiden ebenfalls den kostspieligen Eingriff in die Bausubstanz, den eine Komplett-Demontage der Fenster mit sich bringen würde. Dank der Rückwärtskompatibilität der Schüco Systeme lassen sich Altkomponenten, zum Beispiel Fensterflügel des Systems Royal S aus den 1990er-Jahren, problemlos austauschen und effizient ertüchtigen – ganz ohne Eingriff in den bestehenden Blendrahmen oder den Baukörperanschluss. Je nach Kompatibilität der Altsysteme mit modernen Fensterserien wie Schüco AWS (Aluminium Window System) entscheidet sich, ob der Blendrahmen überbaut werden muss oder nur die Fens-terflügel getauscht werden. Der Tausch erfolgt schnell und nahezu ohne bauliche Maßnahmen: Die neuen Fensterflügel werden samt moderner Beschläge und Dichtungen passgenau in die vorhandenen Blendrahmen eingesetzt. Eine andere Variante für die minimalinvasive Ertüchtigung von Holz-, Kunststoff- oder Aluminium-Fenstern ist die Überbauung des vorhandenen Blendrahmens. Dafür wird nach dem Ausbau des alten Fensterflügels der neue Fensterrahmen mithilfe spezieller Blendrahmenprofile von der Gebäudeinnenseite auf den bestehenden Blendrahmen aufgesetzt – ohne aufwendige Umfeldmaßnahmen. Der Sanierungsblendrahmen ist einsetzbar für alle Alt-Fenster aus Holz, Kunststoff oder Aluminium mit funktionsfähigem Wandanschluss. Ein zusätzlicher Austausch von Dichtungsbändern und die Erneuerung der Fugenabdichtung ermöglichen einen sicheren luftdichten Fensteranschluss. Beide Varianten sind als Einzelmaßnahmen im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) förderfähig.
Wertvoll für die Planung von Sanierungsmaßnahmen ist die technische Dokumentation zurückliegender Schüco Systemgenerationen, die Einblicke in die Konstruktionsweisen sowie die bauphysikalischen Eigenschaften liefert. Damit stehen detaillierte Informationen für die Planung und Durchführung von Ausbau und Sanierung oder Reparatur und Wartung zur Verfügung. Neue Schüco Aluminiumsysteme sind serienmäßig mit einer Schüco IoF ID (Internet of Façades) ausgestattet. Dabei handelt es sich um eine kleine Plakette, die mittels digitalen Zwillings jedes Element eindeutig identifiziert, verortet und automatisch mit allen zum Produkt gehörenden Informationen und Dokumenten wie der Wartungshistorie oder Recyclingmöglichkeiten verknüpft. Dadurch können alle Baubeteiligten digital auf die Daten zugreifen, was die Wartung und Nachrüstung vereinfachen.
„New Ganghofer“ im neuen Kleid
Ein aktuelles Praxisbeispiel für eine erfolgreiche Sanierung mit minimalinvasiven Eingriffen an der Gebäudehülle ist die Revitalisierung des ehemaligen KPMG-Gebäudes im Münchener Westend, damals realisiert von Steidle + Partner Architekten. Das Sanierungskonzept stammt von Oliv Architekten. Die energetische Optimierung spielt dabei eine wesentliche Rolle: Ziel ist ein CO2-reduzierter Gebäudebetrieb mit niedrigem Energieverbrauch nach KfW 55. Zudem wird der prominente Bürokomplex an der Ganghoferstraße bis 2026 an das neue Nutzungskonzept „Multi-Tenant-Workspace“ angepasst. Unter dem neuen Label „New Ganghofer“ entstehen moderne Bürolandschaften mit flexibel konfigurierbaren Arbeitsplätzen, grünen Dachterrassen und attraktiven Erschließungszonen mit einem öffentlichem Work-Café.
Das Bauprojekt strebt eine DGNB Gold Zertifizierung an. Im Rahmen des Nachhaltigkeitskonzepts bleibt ein Großteil der Bausubstanz des gut 20 Jahre alten Bürokomplexes erhalten. Für die Sanierung der Gebäudehülle entwickelte Schüco eine minimalinvasive Lösung. Die Blendrahmen der 2 643 Fenster waren in einem guten Zustand und konnten erhalten bleiben. Hier war ein Blick in die Datenbank der Schüco Altsysteme aufschlussreich, denn die Konstruktion der alten Profile ist dort bis ins letzte Detail hin zur Aluminium-Legierung dokumentiert. Die Stulpflügel inklusive neuer Verglasung und Beschläge wurden ausgetauscht und die Mitteldichtungen erneuert. Zusammen mit dem Fensterbauer Forster Fassadentechnik wurden Sonderprofile für die Austauschflügel entwickelt, die sich optimal in die 2002 als Sonderkonstruktion umgesetzten Bestandsrahmen integrieren lassen. Diese bieten in Kombination mit einer neuen Verglasung (Ug-Wert von 0,5) und einem Schalldämmwert von 39 dB einen deutlich besseren Schall- und Wärmeschutz als die alten Flügelelemente aus dem Baujahr 2002.
Die alten Fensterflügel aus Standardaluminium werden im New Ganghofer durch neue Aluminiumflügel ersetzt. Dafür werden 52 t der CO2-optimierten Materialgüte Schüco Ultra Low Carbon (ULC) mit Dreifach-Verglasung eingesetzt, welche die CO2-Emissionen deutlich reduzieren. Die ULC Aluminiumprofile von Schüco verfügen über einen Anteil von mindestens 75 % Post-Consumer-Recyclingmaterial und weisen einen GWP-Wert von 1,99 kg CO₂e/kg Aluminium-Profil auf. Verglichen mit Standard-Aluminiumprofilen können so rund 5,12 t CO₂ pro Tonne Aluminiumprofil eingespart werden – am Beispiel des New Ganghofers sind das rund 260 t CO2.
Profile mit besserem Profil
Auf Wunsch des Bauherrn erstellte Schüco für den Austausch der Fensterflügel ein umfassendes Recyclingkonzept, dass Mengenermittlung, Vergütungsangebot, Kostenkalkulation, Logistikplanung sowie die Dokumentation der Materialströme bis hin zur Nachweisführung beinhalten. Im Rahmen dessen wurden die 9 516 m² Fensterflügel komplett zurückgenommen und die enthaltenen Materialien in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt. Die Trennung der Materialien erfolgte direkt auf der Baustelle: Demontierte Profile, Glasscheiben und Dichtungen wurden in eigens dafür aufgestellten Containern getrennt und sortiert. Nach ersten Schätzungen konnten durch das Recycling am New Ganghofer ca. 43 t Aluminium-Elemente für die Produktion neuer Fensterprofile und ca. 315 t Floatglas zurückgewonnen werden. Davon werden ca. 39 Tonnen in das Metall-Recycling und 205 t Glas in die Produktion neuer Floatglas-Scheiben zurückgeführt. Beim Metallanteil entspricht das einer Recyclingquote von 95 %, beim Glas liegt die Quote bei mindestens 65 %. Das Alt-Aluminium aus dem New Ganghofer-Projekt wurde vom Recycling-Partner TSR entsprechend den marktüblichen Konditionen vergütet. Die ausgebauten Floatgläser konnten wegen der günstigen Rahmenbedingungen für den Bauherrn kostenneutral in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden. Durch Nachweise ist sichergestellt, dass die Materialien dem Bausektor erhalten bleiben. Im Klartext: Aus den alten Aluminiumprofilen werden wieder neue Aluminiumprofile hergestellt – in einem geschlossenen Kreislaufprozess.
Bautafel
Projekt: New Ganghofer
Ort: Ganghoferstraße 29, 80339 München
Typologie: Sanierung Bürogebäude
Bauherr: Wealthcap Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, München
Architektur: Oliv GmbH Thomas Sutor Architekt, München
Projektmanagement: IKR Ingenieurbüro für Bauwesen Kuschel GmbH, München
Energieberatung/Bauphysik: Klaus-Haus Ingenieurpartnerschaft Oswald & Riediger, München
Verarbeiter: Forster Fassadentechnik GmbH, Mitterteich
Auszeichnungen: DGNB-Zertifizierung in Gold (angestrebt)
Fertigstellung: 2026