Raimund Abraham. Erdbeben der Stille

Es stehen lediglich zwei gebaute Werke vom österreichisch-amerikanischen Architekten Raimund Abraham (1933–2010) in Deutschland: eines prominent an der Friedrichstraße in Berlin, entstanden während der IBA 1987, und eines auf einer ehemaligen Nato-Raketenstation bei ­Neuss. Die Raketenstation Hombroich, die zusammen mit der benachbarten Insel Hombroich einen mit Kunst und Architektur durchsetzten Park auf dem Acker etabliert hat, ist gut bestückt, was Architektur von international anerkannten Koryphäen angeht. Neben dem von Alvaro Siza gebauten Ausstellungshaus, in dem auch die hier vorgestellte Ausstellung ihren Platz gefunden hat, finden sich auf Hombroich gebaute Werke von ­Tadao Ando, Per Kirkeby, Thomas Schütte, immer wieder von Erwin Heerich und vielen anderen.

Und eben das Haus für Musiker, das von Abraham als erstes Bauwerk für Hombroich und als letztes seiner Karriere 1994 geplant und erst 2016 nach seinem Tod fertiggestellt wurde. Das Haus für Musiker entspricht dabei geradezu prototypisch Abrahams Vorliebe für Archaik und Radikalität. „Ich habe das Bauwerk erfunden und nicht entwickelt. Das Bauwerk ist kein Gebäude, sondern eine Stadt für vier Bewohner. … Ich bin mir gewiss, dass Architektur in ihrer Klarheit nicht Instrument der Musik ist. Musik und Bewohner müssen sich der Herausforderung stellen, sich mit dem Gebäude auseinander zu setzen.“

Der als Monument geplante, aus brettgeschaltem Sichtbeton realisierte Rundbau folgt dementsprechend einer rigorosen geometrischen Planung, die das Verhältnis von Form und Funktion zu Gunsten der Form verschiebt. Und ist nun zudem temporäres 1:1-Exponat für die aktuelle Ausstellung zu Abrahams Werk.

Zu sehen sind Arbeiten und Entwürfe vom Möbel über Architektur bis zum Städtebau, teils realisiert, teils imaginiert, und immer wieder begleitet von Abrahams Notizen. Begriffe wie Mystik, Utopie oder Ritual sind dabei ein elementarer Schlüssel zum Verständnis des Œuvres und nehmen mitunter Bezug auf Abrahams persönliche Erfahrungen. Dabei reicht der entwerferische Anspruch vom Boden bis zum Weltraum, umfasst Geburt und Tod, Traum und Illusion. Die Tiefe, die das Werk Abrahams dadurch gewinnt, ist dabei nur ein weiterer guter Grund für einen Besuch der Raketenstation Hombroich. HR

Noch bis 2.11.2025, Fr–So sowie an Feiertagen, 12–17 Uhr im Siza-Pavillon auf der Raketenstation Hombroich.

Katalog „Raimund Abraham – Erdbeben der Stille“, in Zusammenarbeit mit dem Archiv der Avantgarden – Sammlung Egidio Marzona, Dresden.

www.inselhombroich.de

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