Methodisch neu

Darf man schreiben, da habe sich die Autorin ­hineingekniet? In ihr Thema, das sie sehr offenbar zu ihrer Sache gemacht hat? Man darf wohl und darum schreibe ich es: Riccarda Cappeller hat sich reingekniet! In jeden Aspekt, Unter­aspekt, in scheinbare Nebensachen, die helle Schlaglichter werfen. Sie hat zudem – ungewöhnlich für eine Arbeit, die einen wissenschaftlichen Anspruch hat – ein eigens verfasstes „Manifesto“ der ganzen Sache (setting the Stage) vorangestellt; ein Text, mit dem alles startet. Architektur sei eine sehr persönliche Sache und wirklich scheint es um nicht weniger als die Neubestimmung einer Planungs- und Bau- und Lebenskultur zu gehen, die zwar schon vielfach eingefordert und in Teilen praktiziert wird, hier jedoch einmal einen auf (drei) Fallstudien gestützten Unterbau erhält.

Mit diesen Fallstudien, die für das Kooperative der Architektur stehen sollen und die andere Autoren möglicherweise nur als Zeugen angerufen hätten, geht die Arbeit los: Granby Four Streets in Liverpool, Can Batlló in Barcelona und ExRota­print in Berlin sind die Orte. Sie werden, so die Autorin, auf eine eher experimentelle Art und Weise analysiert, mit neuen Werkzeugen und von neuen Standpunkten aus. „Perspektivwechsel“ ist hier das falsche Wort, die Autorin forscht den in den Projekten offenbarten neuen Methoden mittels neuer Methoden nach.

Erste Ergebnisse ihrer Annäherungen/Untersuchungen werden über einen filmischen Ansatz reflektiert und als reflektierende Erzählungen zum kooperativen Tun. Das Prozessuale der hier beschriebenen Forschung – angewandt auf das Prozessuale tatsächlicher Planung – umfasst dabei Geschichte und Personen, Stadträume und Anforderungen an diese, beschreibt integrale und lineare, konzeptionelle oder auch diskurskritische Tendenzen in der Planerinnen- und Planungswelt.

Was wir, am Ende angelangt, mitnehmen, ist die Bestätigung unserer länger schon gehegten Vermutung, dass es Zeit wird, Planungsprozesse, Planungs- und Ausführungsarbeiten noch wesentlich offener, vielstimmiger moderiert und durchaus auch mit dem Wissen um ein Scheitern in unsere Welt einzuführen. Und wir könnten jetzt noch zielgenauer daran arbeiten, Architektur nicht als Schöpfungsakt einzelner zu sehen, sonder als das Ergebnis eines fairen, weitsichtig geführten, kooperativen Dialogs. Dass wir diese vielleicht nur unbewusste, aus Erfahrungen generierte Erkenntnis nun – an die Oberfläche geholt – anwenden könnten (und anwenden sollten), verdanken wir der Lektüre dieser überraschend essayistisch angelegten, sehr dichten und durchaus seriösen wissenschaftlichen Arbeit. Be. K.

Riccarda Cappeller, Cooperative Architecture. Urban Transformation as Process, Design as Research Method, Space as Dialogue. Spurbuchverlag/AADR, Baunach 2025, 349 S., einige Abb.

39 €, ISBN 978-3-88778-135-4

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