Liebe Leserinnen und Leser,

was denken Sie, wenn Sie an die Fassade denken? An Pflege vielleicht zuerst, neuen Farbauftrag, Risse auffüllen, Mauerwerksfugen säubern, klappernde Bleche fixieren oder endlich einmal die Verbretterung erneuern? Wind- und schlagregendicht sollte sie sein, Wärme/Kälte ab- oder drinnen halten. Und gut aussehen sollte sie, angemessen und gerne auch das Eigene widerspiegeln.

Fassaden werden auch als Hülle bezeichnet und mancher möchte sie komplett ums Haus herumgewickelt betrachten (Perimeterdämmung als sechste Fassade!). Aber das ist eher etwas für die Hausphysik und weniger für die Gestalterinnen. Wohin also sollen wir schauen, schauen wir auf das Gesicht eines Gebäudes? Stichworte wie Pflege, Leistungsfähigkeit oder Reparaturfähigkeit sind schon genannt, über Schönheit lässt sich streiten. Die eine perfekte Fassade gibt es (noch) nicht, also sind Materialwahl, Vorfertigung oder Wiederverwendung die Stichworte, die unser auf die Fassade fokussiertes Heftthema umschreiben.

Unterstützung erhielten wir von den Fassadenplanern und Architekten bei Verrotec in Mainz, mit ihnen diskutierten wir und wählten aus. Die Bandbreite der Fassadenreferenzen wurde weit, nicht nur bezogen auf die Standorte – Polen, Schweiz und Deutschland. Wir zeigen Ihnen nichts Neues, denn das Neue ist – bezogen auf Fassadenplanung – noch nicht gefunden. Weit entfernt sind wir noch von der Leistungsfähigkeit der menschlichen Hülle (Haut) oder einem KI-generierten Gebäudehüllen-Avatar in einem „Matrix“ genannten Überraum. Noch sind die Materialien wesentlich, Edelstahlbleche, Eternitplatten, Corten-Stahl oder Glaselemente. Immer noch sind wir von Brandschutzauflagen, von allgemeinen Widerstandskennzahlen, von Ästhetik und Kostenfragen in der Planung und Ausfertigung gelenkt. Oder wir machen einmal etwas dazwischen, nehmen das Bewährte und setzen es anders ein, so wie die Fassadenelemente bei der Unterfeld Energiezentrale im Schweizer Zug (S. 24ff.). Oder die zu Rohren verarbeiteten Edelstahlbleche im polnischen Gliwice, die am Ende gar keine Rohre sind, aber definitiv so aussehen (S. 44ff.).

Allen Fassaden der von uns für Sie ausgewählten Projekte ist allerdings das eine gemeinsam: Sie demonstrieren etwas. Hier die raue Schönheit, da die edle Oberfläche, hier die Eleganz des glänzend Metallischen, da das scheinbar Banale einer Wellplatte, das sich am Ende als das einzig Mögliche offenbart. Fassadenarchitektur? Wenn wir es gut machen, dann wird aus dem eher abschätzig gemeinten das, was der Fassadenkritiker, der Architekt Adolf Loos, vor mehr als 100 Jahren einforderte: Ein rational gefertigtes Produkt, das dem Gemeinwohl dient, mit oder ohne Ornament und am Besten als ein Ausdruck von planerisch handwerklichem Können. Ohne Sorge zu haben, einer ganz neuen Ästhetik vielleicht zuviel (Planungs)Raum geschenkt zu haben.

Seien Sie herzlich gegrüßt, bleiben Sie beweglich,

Ihr

Benedikt Kraft

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