Lesestunde für uns alle
Die beiden Bürogründer – Stephen Bates und Jonathan Sergison von Sergison Bates Architects – schreiben schon lange, halten Vorträge, sind an den großen Hochschulen dieser Welt unterwegs. So verwundert es nicht, dass beide immer wieder ihre Gedanken, ihre Reflexionen zwischen zwei Buchdeckel packen und uns gesammelt zum Nachlesen zur Verfügung stellen.
Anders als die „Silent architects“, wie die Smithsons die nur Bauenden bezeichneten und die hier für Stephen Bates eine wichtige Rolle einnehmen, anders also als die Architektinnen – wie die hier genannten Antonio Coderch, Sigurd Lewerentz, Konstantin Melnikov oder Jorn Utzon –, die ihre Reflexionen in Gebautes transferieren, ohne das durch Geschriebenes zu erklären oder durch das Schreiben das Weitere voran zu entwickeln, anders als diese Handwerker sind Bates und Sergison auch Intellektuelle, die sich theoretisch mit dem Bauen befassen.
Was dabei herauskommt? Das hier vorliegende kleine Buch, ein weiteres aus dem Haus Sergison Bates. Es fasst 21 Texte von Bates aus den vergangenen sechs Jahren, die meisten Nachdrucke, andere sind redigierte, überarbeitete Fassungen von Vorträgen, Vorlesungen etc., dazu kommen nun erstmals gedruckte „notes made for a paper, not written…“ In allen Texten geht es ums Bauen, um konkrete eigene wie fremde Projekte. Es geht aber auch um die Sicht auf das Bauen, die eigene, die sich geändert hat in den vergangenen Jahrzehnten; oder ich schreibe besser: neu geformt hat. Gedanken und Ideen zur Nachhaltigkeit im Bauen, über die das Büro zuerst 2011 wortwörtlich diskutierte und das heute noch macht, vielleicht weniger hitzig, dafür elaborierter?
Wir können uns auf dem Rücken liegend durch das Buch treiben lassen, offenen Auges, den Gedankenhimmel stets im Blick, anecken an harten oder weichen Faktenufern, auf- und festlaufen auf unsichtbaren Bänken. Bilder, Fotografien, sämtlich sehr reduziert auf dem durchscheinenden (Bibeldruck) Papier, Grundrisse, Schnitte, Visuals. Die Sammlung als „tent poles in the ground” zu bezeichnen – ich würde mit „Duftmarken“ übersetzen – ist poetisch, doch folgt es zugleich der nüchternen Einschätzung, dass das Geschriebene sich anzuklammern hat an diese oder die andere Realität. Bates gelingt das scheinbar sehr leicht, die Lesereise durch die Architektengedankenwelt in diesem feinen Band mit Fadenheftung und flexiblem Leineneinband ist intellektuelles wie auch sinnliches Vergnügen, den Grafikern von JANE.studio London sei Dank! „To all at the table”, so ist es auf dem Vorsatz notiert, ja, Lesestunde für uns alle, die wir (am Bauen) mitmachen wollen. Be. K.