Gute Kommunikation ersetzt viele Marketingausgaben

Räume schaffen, die nicht nur gut aussehen, sondern die Erlebnisse ermöglichen und in denen sich der Gast intuitiv wohlfühlt – das ist die Aufgabe von Hotelplanerinnen und -planern. Idealerweise entstehen dabei Konzepte, die die Stimmung eines Ortes einfangen und die ökonomisch wie ökologisch überzeugen. Zur Entwicklung von Hotelkonzepten sprachen wir mit Anja Pangerl und Angela Kreutz. Beide sind Partnerinnen bei blocher partners, ein Planungsbüro mit Hauptsitz in Stuttgart und jahrelanger Erfahrung im Hotelbau.

Frau Pangerl, was macht ein Stadthotel erfolgreich?

Anja Pangerl (AP): Allgemein ist es zuallererst die Lage. Ein Stadthotel sollte in einem relevanten Bereich liegen, der die Stadt repräsentiert und Flair hat. Das können besondere Plätze sein oder gut frequentierte Quartiere. Es sollten in jedem Fall Viertel sein, in denen der Hotelgast auf Menschen trifft, die hier leben und mit denen er sich austauschen kann. Wir haben jüngst ein Projekt in Stuttgart realisiert, das Hotel EmiLu, für das ein ehemaliges Verwaltungsgebäude direkt am Platz vor dem Rathaus transformiert wurde. Als Verantwortliche für die Fassadengestaltung und die Innenarchitektur konnten wir dazu beitragen, dass der vorher nichtssagende Platz sich zu einer 1A-Lage entwickelt hat, den Stuttgarter ebenso wertschätzen wie Touristen und Geschäftsreisende.

Das zweite ist der Service. Ob es der digitale Service ist oder der zwischenmenschliche, der den Gast abholt und einlädt – Service ist ein ganz wesentlicher Punkt.

Der dritte Punkt – der zumindest gleichwertig ist – ist das Konzept dahinter. Ein Hotel braucht ein gutes, sinnhaftes und relevantes Konzept.

Wie gehen Sie bei der Entwicklung eines Hotelkonzepts vor?

AP: Wir analysieren zunächst den Standort. Wie ist seine Geschichte? Falls bereits eine Immobilie vorhanden ist: Was ist ihre Historie und wie können wir den Kontext in die Hotelkonzeption einbinden? Zudem beziehen wir die Menschen – Gast und Gastgeber – in unsere Konzeption mit ein. Beim EmiLu haben wir beispielsweise mit unserer innenarchitektonischen Gestaltung ein Gebäude aus den 1960er-Jahren transformiert, wir haben viel aus dieser Zeit im Hotel zitiert. Man muss sich in die Besonderheiten des Ortes einfühlen und dann die Geschichte weitererzählen. Zudem hatten wir eine sehr engagierte Bauherrin, die auf Auktionen und bei Einzelterminen nach Möbelklassikern gesucht hat. Diese persönliche Note spürt der Gast.

Sie gehen jetzt vom Bestand aus – wie sähe das Vorgehen bei einem Neubau aus?

AP: Auch ein Neubau muss sich in den Ort einfinden. Jeder Standort hat eine Geschichte zu erzählen, er bringt eine Kultur mit. Oder er ist eingebunden in eine Landschaft, dann versuchen wir darauf Rücksicht zu nehmen.

Wie erzähle ich mit meinem Entwurf eine gute Geschichte? Und ist das überhaupt nötig?

AP: Das Storytelling darf nicht zu schlicht sein, es braucht ein solides Fundament. Für uns ist immer wesentlich: Wieviel Story will ich erzählen und wieviel ist schon vor Ort vorhanden? Das muss jeder Gestalter für sich gewichten. Wir sind eher diejenigen, die aus dem relevanten Kontext erzählen, statt eine Geschichte obendrauf zu satteln. Das kann schnell zu plakativ werden und wenn es schlecht läuft, sogar trivial. Nach meiner Erfahrung sind das dann eher die Konzepte, die man sich nur einmal anschaut und wo man im Zweifel nicht ein zweites Mal übernachtet. Wie stets im Leben sind wir Menschen besonders an den Themen interessiert, die relevant sind. Das gilt ebenso für Hotels, hier darf es sogar ein bisschen feinsinnig sein. Auf diese Weise kann sich ein Haus zu einem modernen Klassiker entwickeln.

Welchen Einfluss hat die Digitalisierung von Hotels auf den Innenarchitektur-Entwurf?

AP: Es gibt immens viele Momente in der Hotelplanung, bei denen wir das Digitale mitdenken. Im Dips & Drops war der Wunsch von Bauherrnseite, den Gästen Veranstaltungen wie Tagesprogramme digital zu kommunizieren. Wir haben uns deshalb überlegt, wie wir mehr als informieren können. Wir wollten von der reinen Nachricht in eine Emotionalität übergehen. Wir haben für diese Aufgaben eine eigene Kommunikationsagentur im Haus, mit der wir im engen Austausch stehen. So entsteht eine Vernetzung von Architektur, Kommunikation und digitalen Momenten.

Wann kommen die Kommunikationsspezialisten mit ins Boot?

AP: Im besten Fall von Beginn an, weil einige Häuser ein neues Naming und einen anderen öffentlichen Auftritt suchen. Architektur und Innenarchitektur aus einem Guss – das ist dabei wichtig. Und es ist essenziell, die Kommunikation zu integrieren. Das kann Angela Kreutz als zuständige Partnerin für Kommunikations- und Markenstrategie sicher besser beschreiben …

Angela Kreutz (AK): Idealerweise wird alles unter dem Stichwort Markenstrategie mitgedacht. In anderen Worten: Architektur, Innenarchitektur, Name, visuelles Erscheinungsbild und Auftreten bedingen sich gegenseitig und profitieren voneinander. Einfaches Beispiel: Wie oft entscheidet der Name über eine positive oder negative Assoziation? Das ist ein enormes Potenzial. Wenn das Hotel bereits hier seinen Charme ausspielen kann, hat es beim Gast gewonnen, weil es schon vor einer Buchung seine Sehnsucht weckt, zu dieser Community dazu gehören zu wollen. Ein Gefühl, das die Materialien der Innenarchitektur, das Styling, die Dekoration unterstreichen. Es reicht bis hin zum Hotelmagazin; übrigens ein hervorragendes Tool zur Kundenbindung, man nimmt sozusagen ein Stück Hotel mit nach Hause oder erhält die haptische Erinnerung an das Ur-
laubsgefühl per Post.

Diese ganzheitliche Vorgehensweise schafft Syn­ergien auf sämtlichen Ebenen inklusive Zeit und Kosten. Diese erstrecken sich sogar bis in die konkrete Bauausführung. Denken wir mal an die
digitalen Tools oder das Leitsystem, die idealerweise bereits in frühen Leistungsphasen berücksichtigt werden. Eine gute Kommunikation kann zudem einige Marketingausgaben überflüssig machen. Es bringt einfach viele Vorteile für den Bauherrn, wenn alles aus einer Hand kommt …

AP: … sonst spürt man immer einen kleinen Bruch. Das Gefühl für die Durchgängigkeit ist einfach da, wenn alles aus einem Büro kommt.

AK: Wir arbeiten bei blocher partners seit jeher transdisziplinär. Unsere Firmengründer, das Ehepaar Blocher – er Architekt, sie Innenarchitektin – verdeutlichen, dass wir seit jeher für mehrere Disziplinen stehen.

Wird die Digitalisierung zu mehr individualisierten Räumen führen oder gibt es eine Sehnsucht zurück zu mehr analogen, haptischen Erlebnissen?

AP: Das bewegt sich in einer Art Balance. Die Digitalisierung ist ja nicht mehr wegzudenken – ob das die eigenen Geräte sind, die eigenen Kanäle oder die dazu nötigen Installationen im Raum. Manchmal sind es auch Materialien, die einen innovativen, technischen Touch in den Raum bringen. Gleichzeitig nehmen wir den Wunsch nach mehr haptischen Momenten wahr. Vielleicht ist es die Digitalisierung, die ein Bedürfnis nach ­„begreifbaren“ Materialien erzeugt, um alle Sinne anzusprechen. Daher kommt übrigens die aktuelle Sehnsucht nach Holz – als haptisches, visuelles und geruchsintensives Material. Eine Tendenz, die weiter zunehmen wird.

Inwiefern beeinflusst der Nachhaltigkeitsgedanke den Hotelentwurf?

AP: Das Thema der Nachhaltigkeit, und hier vor allem das Bauen im Bestand, ist Teil unserer DNA. Wir überlegen immer zunächst, was wir vom Bestand erhalten können. Die Nachfrage ist sicherlich in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Wir haben hier mit einem spezialisierten Unternehmen, blocher partners sustain, reagiert. Gemeinsam begleiten wir Bauherren, die ihre Projekte zertifizieren oder sich beraten lassen möchten. Neben dem Erhalt der Bausubstanz blicken wir ebenfalls auf das Mobiliar: Was kann hier sinnvoll wieder eingesetzt werden und wie kann das Eingesetzte dazu beitragen, dass ein Haus unverwechselbar wird?

AK: Mehr oder weniger kommen Hoteliers gar nicht mehr umhin – wenn sie bauen oder renovieren – nachhaltig vorzugehen, weil das der Erwartungshaltung der Gäste entspricht. Und generell sind Themen wie die Haustechnik bzw. die Energiekosten für Unternehmer natürlich immer schon ein Thema gewesen.↓

Recycling und Upcycling in die Gestaltung zu integrieren – ist das immer noch teurer, da zeitaufwändig? Oder greifen Sie da auf ein einmal erstelltes Vorgehen zurück?

AP: Das ist tatsächlich ein Prozess des Suchens und Findens. Da gehört wie beim EmiLu schon Leidenschaft dazu. Wichtig ist generell eine gemeinsame Vertrauensbasis. Bei unseren Stadt­hotels in Mannheim, dem Radisson Blue und dem Hilton, kannten wir den Bauherrn aus vorherigen Projekten. Die Zeit, die man investiert und die ein Hotelkonzept individuell werden lässt, führt am Ende zu einer anderen Form der Nachhaltigkeit, nämlich, dass sich die Materialien nicht so schnell abnutzen. So bleibt ein Haus nachhaltig schön. Das ist eine Investition, die sich am Ende auszahlt. Wenn man beispielsweise Parkett statt Holz-Imitat verlegt, hält der Boden eben die nächsten 10 bis 15 Jahre. Es ist halt die Frage, was ist günstig und was billig?

AK: Uns geht es mit anderen Worten immer um den Blick auf den späteren Nutzen.

Wie bewerten Sie so genannte Themenhotels?

AP: Sicherlich gibt es Themenhotels, die haben ihre Berechtigung, weil sie eine Relevanz für den Gast haben. Das ist sehr individuell. Ich empfinde einige Angebote aber als zu laut und plakativ. Da denke ich nach einer Nacht, das brauche ich kein zweites Mal. Vielleicht empfinden andere ähnlich? Denn aus meiner Sicht ist diese Entwicklung leicht rückläufig – das spüren wir gerade durch den intensiven Austausch mit Hoteliers und in unserem Netzwerk. Man merkt, dass eher Themenhotels punkten, die ein hohes Maß an Authentizität vorweisen. Zu den Hotels, die ich selbst gerne besuche, zählt das Hotel Wilmina in Berlin (DBZ-Sonderheft Hotel 2022). Wie fein haben die Kollegen dieses Haus entwickelt – mit einer Attitüde, die so leise und aufgeräumt ist und trotzdem hoch emotional. Das ist ein Beispiel für ein gelungenes Themenhotel. Wir selbst haben gerade mit dem Dips & Drops in Flachau ein Projekt eröffnet, das als Bike & Ski-Hub in gewisser Weise ein Themenhotel ist. Dort kehren aber auch Wanderer gern ein, weil das eine übergeordnete Geschichte ist.

Lobby, Frühstücksraum, Restaurant – oft werden in modernen Hotels öffentliche Räume zu verschiedenen Zeiten ganz flexibel genutzt. Was bedeutet das für den Entwurf?

AP: Seit der Covid-Pandemie haben wir leerstehende Konferenzbereiche, Restaurant- und Frühstücksräume, die nur gewisse Stoßzeiten haben. Wir reagieren mit flexiblen und funktional abtrennbaren Bereichen, um unterschiedlichen Nutzungsanforderungen über den Tag hinweg gerecht zu werden. Im Dips & Drops gibt es zum Beispiel einen öffentlichen Bereich, der dem Gast als verlängertes Wohnzimmer – als Lounge – zur Verfügung steht und gleichzeitig als eine Art Ballroom fungiert. Solche Nutzungen legen wir mit dem Bauherrn vor Planungsbeginn fest. Im EmiLu hatten wir eine Planungsänderung, da haben wir über der Bar ursprünglich als Hotelzimmer vorgesehene Flächen in kleine Veranstaltungsräume umgestaltet. Ein Angebot, das auch von Externen sehr gut gebucht wird.

AK: Ich glaube, das Hotel wird in Zukunft noch mehr mit externen Nutzungen verschmelzen.

AP: Die Bar im Mannheimer Radisson ist die Bar schlechthin in Mannheim geworden. Auch Sterne-Restaurants in den Städten sind teilweise in Hotels etabliert, man geht wieder ins Hotel zum Essen. Das sind Entwicklungen, die zwar noch volatil sind. Aber da wird sich noch mehr in diese Richtung entwickeln. Diese Trends haben wir im engen Austausch mit unseren Bauherrn im Blick. 

AK: Es spielt im Hotel wieder eine Rolle, gesellschaftliche Entwicklungen zu spiegeln.

AP: Dass man sich im Hotel trifft, gab es schon früher. Das ist eigentlich eine Art Revival.

Was war Ihr Lieblingsprojekt in jüngster Vergangenheit und warum?

AP: Unser Dips & Drops in Flachau, weil das eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Bauherrn war und weil die Weiterentwicklung zum Ski- und Bike-Hub eine Bedeutung für den Bergort hat: Wie stellen sich künftig Orte in den Bergen dar, wer ist der Zielgast und wie erreichen wir eine Frequenz, die das Hotel über zwölf Monate auslastet? Welche Auswirkungen haben die massiven klimatischen Veränderungen auf die Ferienhotellerie? Dies zu begleiten, war für mich eines der spannendsten Projekte in den letzten Monaten.

AK: Bei mir ist es das Designhotel EmiLu in Stuttgart. Wir hatten auf allen Ebenen eine sehr gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bauherrn.

AP: Durch die Auseinandersetzung mit dem Bauherrn passiert etwas, nämlich dass man den Menschen hinter dem Produkt sieht, in dem Fall den Gastgeber. Denn nur durch die Diskussion kommt er bei jeder Entscheidung zum Vorschein. Und das spürt ein Gast intuitiv.

Was ist Ihnen privat wichtig, wenn Sie ein Hotel buchen? Worauf achten Sie?

AP: Mir sind einfach diese ruhigen, nachhaltigen, qualitätsvollen Momente in einem Hotel wichtig.

AK: Das kommt natürlich drauf an, was Du suchst: ein Ferien- oder ein Businesshotel. Im Urlaub will ich spüren, dass eine Herzlichkeit rüberkommt. Und die bekommst Du schon beim ersten Kontakt über Social Media oder auf der Homepage mit. Dasselbe gilt, wenn ich auf der Geschäftsreise bin und die Ruhe und eine gewisse Reduziertheit suche.

Was würden Sie zusammenfassend sagen: Gibt es Trends bei Hotelkonzepten?

AP: Ich würde nicht von Trends sprechen, sondern eben von gesellschaftlichen Veränderungen, die sich widerspiegeln. In unserem Unternehmen sehen wir uns in der Verantwortung, über den rein formalen Gedanken hinauszugehen und inhaltlich zu denken. Wenn uns das gelingt, dann schaffen wir erfolgreiche Hotelkonzepte.

AK: Ob Unternehmer, Hotelier oder Konzern – sie brauchen Herzblut für das, was sie tun. Dann hat eigentlich jedes Projekt ein hohes Potenzial und gute Chancen.

AP: Genau, Mut und Leidenschaft braucht es.

Die Fragen stellte DBZ-Redakteurin Heide Teschner

Zum Büro:

Seit mehr als 30 Jahren setzt das transdisziplinäre Planungsbüro blocher partners nationale wie internationale Projekte um. 1989 in Stuttgart gegründet, arbeiten inzwischen an den vier Standorten Stuttgart, Mannheim, Berlin und Ahmedabad rund 250 Mitarbeiter-innen und Mitarbeiter aus 15 verschiedenen Disziplinen.

www.blocherpartners.com

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