Einseitige Dokumentation
Zunächst überrascht es, wenn man das Neue, also das gerade Gebaute, als „neuartigen Prototypen“ bezeichnet, bloß weil die Einkastung einer Verkehrstraße nicht als Deckel, sondern als Hochbau ausgeführt wurde. In Düsseldorf beispielsweise sorgt der Deckel über die Rheinuferstraße für den Wiederanschluss der Stadt an den Rhein, in München erzeugt die Deckelung einer Bahnlinie (Quartiersplatz Theresienhöhe) neue Nachbarschaft und weitläufige Erholungs- und Spielflächen.
Nun die Dokumentation der Einhausung Schwamendingen, ein zwischen 2019 und 2025 realisiertes urbanistisches Projekt in Zürich-Nord. Als kleines Querformat deutet die gut gefüllte Publikation auf Skizzenbuch- und Protokollcharakter, deutet darauf, dass es selbst ein Gebrauchsgegenstand ist, der im Kontext vergleichbarer Planungen mit vor Ort wandern kann, um hier sehr schnell Vergleichsparameter zu qualifizieren. Und Querformat, weil das Projekt 940 m langgestreckt und ausgreifend in der Gartenstadtlandschaft liegt?!
Systematisch und chronologisch strukturiert werden Vorgeschichte, Planungsphasen, Realisierungsabschnitte und Themen abgehandelt, die von Ingenieursarbeit, Landschafts- bis Stadtmöbelgestaltung reichen. Eine sehr detaillierte Liste der angesiedelten Pflanzen lässt ahnen, dass mit der Einhausung auch eine Landschaft geschaffen wurde, die zwar typisch, aber sicher nicht typisch heimisch ist.
Wir sehen zahlreiche Diagramme und Querschnitte, einige Luftaufnahmen und Visuals von Landschafts- und Verkehrsabschnitten (Fußgänger, Radfahrer) auf einzelnen Teilen auf dem Bauwerk. Wir sehen allerdings wenig Leben auf und um die gigantische Betonkiste, die hier – anders als in ersten Studien vorgeschlagen – nicht verborgen wird, sondern auch als Betonbauwerk erkennbar bleiben soll.
Am Ende bleibt ein Fragezeichen. Weniger, weil in dem Buch nicht alles für diese Lösung gesagt wurde, eher, ob diese doch sehr massive Bearbeitung eines Verkehrsproblems die Lösung ist – denn das Problem besteht ja weiter. Hinter den Ein- und Ausfahrten sehen, hören, riechen wir sie ja wieder die 120 000 Autos, die hier täglich (fossile) Energie in Bewegung und giftige Gase, Feinstäube und Lärm verwandeln und hoffentlich auch ein Ankommen garantieren. Die Dokumentation bietet leider auch keinen Blick in die Gebäudetechnik, zeigt nicht, ob es sich hier angenehm oder unangenehm fahren lässt, wie die Luft behandelt (gesäubert?) wird oder welche Botschaften das Kunstlicht (?) aussendet etc.
Ob der Hochpark, der in Teilen eine mehr als 8 m hohe Mauer ist, die beiden durch die Autobahn lange getrennten Stadtquartiere wieder enger zu verbinden vermag, ist nicht gewiss. Schon weil nicht klar ist, ob das überhaupt gewollt ist von den Bewohnerinnen. Dennoch weist die Dokumentation – wenn man sie genau liest – auf Chancen und auf Risiken einer solchen Intervention hin, die zudem auch nicht kostenlos zu erstellen war und einen ordentlichen Pflegeaufwand verlangt. Das Für und Wider einer solchen Wundbehandlung wird offenbar; zu feiern gibt es aber eher nichts. Mutige Verkehrsplanung sieht anders aus, auch in der Schweiz. Be. K.
ISBN 978-3-03860-425-9