Deutscher Architekt*innentag 2023

Beim diesjährigen Deutschen Architekt­­*in­nentag sprachen neben Maja Göpel und Robert Habek viele Architektinnen und Architekten über einfaches und zirkuläres Bauen, über Gemeinschaft und den Mut zum Aufbruch.↓

„Transformation – Räume stärken“ war das Thema des Deutschen Architekt*innentages (DAT), der am 29. September im Berlin Congress Center (BCC) veranstaltet wurde. Alle vier Jahre wird dieser Tag von der Bundesarchitektenkammer ausgerichtet. Den Auftakt machte die Transformationsforscherin Prof. Dr. Maja Göpel. In ihrem Vortag mit dem Titel „Wir bauen Zukunft“ stand der Begriff der systemischen Effizienz im Fokus. In einer dichten halben Stunde erklärte sie, dass eine nachhaltige Veränderung nur erreicht werden könne, wenn die globalen Ketten und Kreisläufe zusammengedacht werden. Soziales und ökologisches Kapital müsse dringend in Wirtschaftsmodelle eingebaut werden. Ihre kraftvollen Worte klangen den Tag über nach und dienten in den Panels und Diskussionen nicht selten als Argumentationsgrundlage.

Nicht aus Gewohnheit bauen

Am Vormittag ging es für die mehr als 1 000 Gäs­te in die erste Runde der Panels. Expertinnen und Experten kamen in sieben verschiedenen Themenrunden zusammen. Auch die Besucher und Besucherinnen konnten sich einbringen. Zu einigen Spannungen führte die Anwesenheit von Vertretern der Sponsoren. Im Panel zum Thema „Materialisierung“ trafen beispielsweise Andrea Klinge (ZRS Architekten) und Anupama Kundoo auf Thorsten Hahn vom Informationszentrum Beton. Anupama Kundoo plädierte dafür, nicht aus Gewohnheit zu bauen, sondern Material gänzlich neu zu denken. Dringend seien auch global die menschlichen Ressourcen neben den materiellen mitzudenken. Andrea Klinge sagte, wir müssen generell eine neue Architektursprache entwickeln, und bezog sich auf Maja Göpel, als sie sich für eine ganzheitliche Denkweise aussprach, die Umweltfolgewirkungen mit einbezieht. Vergeblich suchte der Moderator, Tillman Prinz, nach einem gemeinsamen Nenner mit dem Industriepartner – Stephan Birk von der TU München vermittelte. Im Panel „Zusammenarbeiten“ standen vor allem die Chancen von IPA-Verträgen im Mittelpunkt. Den größten Redeanteil hielt Rechtsanwältin Prof. Dr. Antje Boldt. Durch die in diesem Vertragsverhältnis veränderten Vergütungsmodelle und die gemeinsame Verantwortung für alle Entscheidungen erhoffe man sich eine stärker auf das gemeinsame Ziel ausgerichtete Art der Zusammenarbeit und einen reibungsloseren Planungs- und Baufortschritt. Dies erfordere Mut und die Bereitschaft über den Tellerrand zu schauen sowie neue Wege – auch im Hinblick auf die HOAI-Leistungsphasen – zu gehen. Die Positionen der übrigen Panelteilnehmer wirkten vor diesem Hintergrund leider mehr wie Beispiele aus dem persönlichen Arbeitsumfeld, als dass ein gemeinsamer Dialog entstanden wäre. Konsens war dennoch, dass die Aufgaben der kommenden Jahre nur durch ein stärkeres Miteinander der verschiedenen Disziplinen bewerkstelligt werden können.

Gemeinschaftlich und mutig

Nach der ersten Panelrunde sprach Robert Habek in seiner Grundsatzrede zur Bauwende von der Dringlichkeit, Bestände umzunutzen, Dorfkerne zu erneuern und Leerstand zu revitalisieren. Es sei essenziell, die öffentlichen Räume zu stärken, in denen Menschen zusammenkommen. Denn wir drohten uns von einer individualistischen zu einer vereinzelten Gesellschaft zu entwickeln. Nötig sei eine kluge, nachhaltige Architektur, in der sich die Gesellschaft finden kann. Es sei Aufgabe der Architektinnen und Architekten, auch den Bürgermeisterinnen und Bürgermeis-tern Mut zu machen und eine Atmosphäre des Aufbruchs zu verbreiten. Eindringlich ging er zudem auf die wirtschaftlichen Anreize für mehr Klimaneutralität im Bausektor ein, die durch die Ampelkoali­tion noch geschaffen werden sollen.

Komplexe Planung für einfaches Bauen

Nach dem Vortrag „Learning from Copenhagen“ von Camilla van Deurs, Stadtarchitektin für Klimaschutz der Stadt Kopenhagen, der für das Fachpublikum viel Bekanntes präsentierte, ging es in die zweite Panelrunde. Beim Panel „Vereinfachen“ diskutierten u. a. Brian Cody, Elisabeth Endres und Almut Grüntuch-Ernst darüber, wie viel Komplexität einfaches Bauen im Vorfeld bedeute. Hier gelte es abzuwägen, was der Bauaufgabe angemessen sei. Auch die Frage nach dem nötigen Komfort müsse man stellen: Inwieweit sind wir überhaupt bereit, vermeintliche Abstriche zu machen? Die Diskussion hierüber wurde intensiv geführt und führte letztendlich zu dem Ergebnis, vor allem die Zielsetzung der jeweiligen Bauaufgabe zu überprüfen und bedarfsorientiert zu handeln.

Leuchtturm-Projekte und Star-Architekten

Im Panel zum Thema „Wiederverwenden“ kamen u. a. Sophie Green, Amandus Samsoe Sattler, Rebekka Steinlein von Concular und Felix Hilgert von der Lehmag AG zusammen. Sie diskutierten vor allem die Schwierigkeit im Planungsprozess, wiederverwendete Materialien zu integrieren und sie wirtschaftlich zu machen. Sophie Greens Vorschlag war, erst Material zu inventarisieren und dann auf dieser Grundlage zu entwerfen. Das Abschlusspodium bot inhaltlich wenig Neues und mani­festierte nochmals unterschiedliche Positio­nen wie die von Werner Sobek oder Luke Knese von Architects for Future, die leider etwas unvermittelt nebeneinander stehen blieben.

Viele Gäste sind geblieben, um sich den Abschlussvortrag von Diébédo Francis Kéré nicht entgehen zu lassen. Wie auch schon an anderer Stelle stand mit dem Pritzker Preisträger nochmals ein Star-Architekt auf der Bühne. Was sich in mehrfachem „Szenenapplaus“ und Standing Ovations am Ende deutlich zeigte – Vorbilder sind immer noch einige wenige, die es verstehen, sich mit Leuchtturmprojekten von der Masse abzuheben und nicht die gleichberechtigten Teams, die sich tagtäglich den Herausforderungen des Architektenalltags stellen müssen.⇥Katja Reich, Natalie Scholder / DBZ

www.dat.bak.de
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