Den Bestand richtig bepreisen

Abrechnung von Architekten- und Ingenieurleistungen beim Bauen im Bestand am Beispiel der Objektplanung Gebäude

Bauen im Bestand wird für Architekt:innen und Ingenieur:innen von Jahr zu Jahr wichtiger. Schon lange haben Umbau, Umnutzung, Modernisierung, Wiederaufbau, Erweiterungen, Instandhaltung und Instandsetzung einen wesentlich größeren Anteil an sämtlichen Baumaßnahmen als der Neubau.

Daher ist die Kenntnis der maßgeblichen Honorarparameter sehr wichtig, um für die aufwendigere Planung und Überwachung von Maßnahmen im Bestand im Gegensatz zur Neubauplanung zu einem auskömmlichen Honorar zu kommen.

Diese Honorarparameter sind in der HOAI (Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen) 2013 in der Fassung von 2021 für die Objektplanung Gebäude im  § 6 Absatz 2 in Verbindung mit § 2 Absatz 7, § 4 Ansatz 3 und § 12 Absatz 1 und 2 HOAI zu finden.

1. Anrechenbare Kosten

Die anrechenbaren Kosten sind im § 6 Absatz 2 HOAI als erster Bestandteil der Honorarermittlung bei Umbauten oder Modernisierungen genannt. Sie werden gemäß § 4 Absatz 1 HOAI auf der Basis der nach der DIN 276-1:2008-12 aufgestellten Kostenberechnung ermittelt. Dabei wird bei Maßnahmen im Bestand den anrechenbaren Kosten zusätzlich noch der „Umfang“, wie es die HOAI im § 4 Absatz 3 HOAI bezeichnet, besser bezeichnet als Wert, hinzugerechnet.

Dieser Wert der mitzuverarbeitenden Bausubstanz stellt einen Kostenausgleich dar, der den Planenden und Überwachenden beim Bauen im Bestand zugestanden wird, da aus der verbleibenden Substanz keine anrechenbaren Kosten aus Bauleistungen generiert werden. Dieser Kos­tenausgleich begründet sich zudem aus dem Umstand, dass die Planer:innen durch die Erhaltung und Mitverarbeitung von vorhandener Bausubstanz den Auftraggeber:innen Kos­ten und Zeit, Aufwand und Verunreinigung bei Abbruch- und Neuerrichtung ersparen oder bei z. B. denkmalgeschützten Gebäuden wertvolle Bauelemente oder Gebäudeteile weiterverwenden lassen.

Um diesen Kostenausgleich zu bestimmen, sind mehrere Schritte notwendig. In einem ersten Schritt ist die mitzuverarbeitende Bausubstanz zu identifizieren. Das bedeutet zum einen, dass die Bausubstanz vorhanden sein muss, und zum anderen, dass sie nach den notwendigen Abbrucharbeiten verbleiben muss. Außerdem ist eine konstruktive oder eine gestalterische Mitverarbeitung erforderlich. Das heißt, die Planenden integrieren die vorhandene Bausubstanz durch konstruktive Verbindungen mit bzw. durch Bauleistungen an den Bauteilen oder richten seine Gestaltung auf die vorhandenen Bauteile aus.

Daneben reicht für die Anrechnung des Wertes der mitzuverarbeitenden Bausubstanz die Berücksichtigung bei der Planung oder bei der Überwachung. Dafür verschaffen sich Planende einen Überblick über die vorhandene Bausubstanz in Form von Zeichnungen und Beschreibungen, wenn diese nicht vorliegen, durch eine maßliche und technische Erfassung und Erkundung der Substanz in Form einer Bestandsaufnahme. Diese Tätigkeit kann von den Planenden oder von anderen Fachleuten im Auftrag des Auftraggebers ausgeführt werden und stellt dann eine „Besondere Leistung“ dar. Diese Leistungen der Planenden sind nicht Bestandteil der Leistungsphase 1 (Grundlagenermittlung) der HOAI.

In einem zweiten Schritt wird mit den Auftraggeber:innen/Bauherrn gemeinsam festgelegt, welche Teile der Bausubstanz erhalten und welche entfernt bzw. abgebrochen werden, das heißt, die mit­zuverarbeitende Bausubstanz wird identifiziert.

In einem dritten Schritt wird von den Planenden die Verbindung zwischen bzw. die Bauleistung an der vorhandenen Bausubstanz und den neu einzubauenden Bauteilen geplant. Damit übernehmen die Planenden die Verantwortung sowohl für die technische Möglichkeit der Erhaltung und Weiterverwendung der vorhandene Bausubstanz als auch für die Verbindung von neuer und alter Substanz. In diesem Schritt werden auch die Mengen bzw. die Massen der mitzuverarbeitenden Bausubstanz bestimmt. Es werden Flächen, Rauminhalte, Geschosse von Gebäuden oder, weil es die genaueste Methode darstellt, die einzelnen Bauelemente erfasst und ermittelt. Die Kosten zu den oben genannten Mengen und Elementen können der Baukostenliteratur entnommen werden, denn es werden die Kosten zum Zeitpunkt der Kostenberechnung ermittelt. Das heißt, es werden aktuelle Preise zu Grunde gelegt. Sollten sich keine entsprechenden Preise finden lassen, wird nach dem Äquivalenzprinzip vorgegangen. Für eine 1,50 m starke Burgen-Außenwand wird zum Beispiel eine 0,50 m starke Stahlbetonwand mit einer beidseitigen Verblendung mit Bossensteinen angesetzt.

In einem vierten Schritt wird der tatsächliche Erhaltungszustand ermittelt, der im sogenannten Wertfaktor, besser bezeichnet als Zustandsfaktor, mündet. Hiermit wird berücksichtigt, welche Ertüchtigungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich werden, um die vorhandene Bausubstanz in einen Zustand zu versetzen, ihre Funktion möglichst gleichlang mit der neuen Substanz zu erfüllen. Dies kann sehr aufwendig durch die ­Ermittlung der Kosten für die Erhaltung und Ertüchtigung geschehen, für eine schnelle und überschlägliche Ermittlung ist jedoch ein Zu­standsfaktor ausreichend genau, der im Rahmen eines Gutachtens ermittelt wurde, das als Grundlage für die HOAI 2013 im Auftrag des BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) erstellt wurden. Dort liegen, je nach Erhaltungszustand, der Zustandsfaktor des jeweiligen Bauelements zwischen 1,0 (einwandfreier Zustand), 0,9 (geringer Ertüchtigungsaufwand) und 0,8 (hoher Ertüchtigungsaufwand).

In einem fünften Schritt müssen gemäß einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von 2003 die Planenden erläutern, inwieweit sie die mitzuverarbeitende Bausubstanz in jeder Leistungsphase berücksichtigen mussten. Die Planer:innen müssten dafür zu jeder Grundleistung bzw. Leistungsphase ihre Tätigkeiten beschreiben. Auch hier wird zur Vereinfachung auf ein weiteres Gutachten als Grundlage für die HOAI 2013 zurückgegriffen, die vom BMWi (Bundeswirtschaftsministerium) in Auftrag gegeben wurde. Darin wurden Leistungsfaktoren für jede Leistungsphase ermittelt und ein Leis­tungsfaktor für das vollständige Leistungsbild. Dieser Faktor beträgt für das Leistungsbild Gebäude 0,77. Bezüglich des Leistungsfaktors haben sich in der Fachwelt zwei Lager gebildet, bei denen eine Gruppe den Leistungsfaktor für die HOAI 2013 für nicht mehr anzuwenden hält. Der Autor dieses Beitrages gehört zu der anderen Gruppe, den Verfechter:innen des Leistungsfaktors.

Die Fachkommission (Planen und Bauen im Bestand) des AHO (Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e. V.) empfiehlt, wie auch das oben genannte Gutachten des BMVBS, die beiden Faktoren durch Multiplikation zu einem Abminderungsfaktor zusammenzufassen. Das Produkt aus einem mittleren Zustandsfaktor und einem gewichteten Leistungsfaktor ergibt (0,9 x 0,77) = 0,693, gerundet 0,7.

Damit existiert eine einfache, hinreichend genaue Formel zur Ermittlung des Wertes der mitzuverarbeitenden Bausubstanz: Menge der mitzuarbeitenden Bausubstanz x ­Kostenkennwert x Abmin­derungsfaktor = Wert der mitzuverarbeitenden Bausubstanz.

Dieser Wert wird zu der jeweiligen Kostengruppe der DIN 276 addiert. Auf jeden Fall ist gemäß § 4 Absatz 3 HOAI der Wert der mitzuverarbeitenden Bausubstanz angemessen zu berücksichtigen, also zu der Baumaßnahme passend, und objektbezogen zu ermitteln. Damit scheiden pauschale Vereinbarungen ohne die Ermittlung des Wertes aus, allerdings müssen die Planenden für die Ermittlung schon etwas Zeit investieren.

Zur Vertiefung des Themas und zur Beschäftigung mit Beispielen aus sämtlichen Leistungsbildern wird das „Grüne Heft Nr. 1“ des AHO (Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V.) empfohlen.

2. Honorarzone

Bei der Zuordnung der Planungsanforderungen zu einer Honorarzone sind gemäß § 6 Abs. 2 HOAI die Bewertungsmerkmale aus den Leistungsbildern nicht wortwörtlich, sondern sinngemäß anzuwenden. Das betrifft bei der Objektplanung Gebäude vor allem das erste Bewertungsmerkmal: „Anforderungen an die Einbindung in die Umgebung“.

Der Autor dieses Beitrages vertritt die Ansicht, das mit der Umgebung das Gebäude bzw. die verbleibende Substanz zu verstehen ist, in dem die Maßnahme durchgeführt und in das sie eingebunden wird. Versuche, dieses Bewertungsmerkmal entfallen zu lassen, führen bezüglich der Bewertungspunkte-Verteilung zu unklaren Ergebnissen.

3. Leistungsphasen und Honorartafel

An den Leistungsphasen und damit den Grundleistungen ändert sich beim Bauen im Bestand im Vergleich mit Neubauplanungen nichts, lediglich können andere oder mehrere „Besondere Leistungen“ anfallen, wie bereits bei der Bestandsaufnahme erwähnt wurde.

4. Umbau- oder Modernisierungszuschlag

In der HOAI wird im § 6 Absatz 2 auch der Umbau- oder Modernisierungszuschlag als Bestandteil der Honorarparameter aufgeführt. Der Zuschlag soll den Schwierigkeitsgrad der Leistungen bei Umbauten oder Modernisierungen berücksichtigen. Das heißt, der Mehraufwand bei Umbauten und Modernisierungen soll die Werte der Honorartafeln des jeweiligen Leistungsbildes korri­gieren, da diese Tafeln für Neubauleistungen entwickelt wurden. Die amtliche Begründung zur HOAI 2013 erklärt zu § 6 Absatz 2:

Zitat: „Insgesamt ist zu beachten, dass der Auftragnehmer im Einzelfall für Umbauten oder Modernisierungen sowohl eine Erhöhung der anrechenbaren Kosten über die mitzuverarbeitende Bausubstanz gemäß § 4 Absatz 3 als auch den Zuschlag nach § 6 Absatz 2 Nummer 5 beanspruchen kann, wenn die dafür in der HOAI festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Während die Berücksichtigung der mitzuverarbeitenden Bausubstanz dazu dient, den Auftragnehmer beim Bauen im Bestand nicht schlechter zu stellen als beim Neubau, soll der Umbau- und Modernisierungszuschlag dem besonderen Schwierigkeitsgrad der Anforderungen für Architekten und Architektinnen sowie Ingenieuren und Ingenieurinnen beim Umbau und der Modernisierung von Bestandsobjekten Rechnung tragen“.

Außerdem wird in § 6 HOAI darauf hingewiesen, dass der Zuschlag nicht bei allen Maßnahmen im Bestand anfällt, wie z. B. bei Wiederaufbauten oder Erweiterungen. Des Weiteren wird festgelegt, dass der Zuschlag in Textform zu vereinbaren ist. Innerhalb welcher Spannen eine Vereinbarung möglich ist, geht aus den jeweiligen Leistungsbildern hervor, bei der Objektplanung Gebäude bis 33 Prozent bei einem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad. Wegen dieser sprachlichen Unklarheit „bei einem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad“, welcher der Honorarzone III entspricht, lässt die HOAI offen, was bei Honorar­zone IV und V gilt. In der Fachwelt wird davon ausgegangen, dass diese Fälle nicht geregelt sind und somit auch höhere Zuschläge vereinbart werden können. Für die Honorarzonen I und II ist jedoch eine Vereinbarung in Textform unerlässlich. Bei einer fehlenden Vereinbarung in Textform gilt ab einem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad (Honorarzone III) ein Zuschlag von 20 Prozent als vereinbart.

Als große Hilfe für die Bestimmung oder Erläuterung der Höhe des Zuschlags gegenüber Auftraggeber:innen wird auf das Grüne Heft Nr.1, 2. Auflage des AHO verwiesen, das im Kapitel 10 ausführlich mit Beispielen in Worten die Ermittlung eines prozentualen Zuschlags ermöglicht und erheblich erleichtert.

5. Zuschlag bei Instandsetzung und Instandhaltungen

Für Grundleistungen bei Instandsetzungen und Instandhaltungen von Objekten kann gemäß § 12 Absatz 2 HOAI der Prozentsatz für die Bauüberwachung oder Bauoberleitung (bei Gebäuden also für die Leistungsphase 8) um bis zu 50 Prozent erhöht werden.

6. Fazit

Um zu auskömmlichen Honoraren zu gelangen, sollten sich Planende intensiv mit den Möglichkeiten der Anpassung des Honorars an die deutlich höheren Anforderungen beim Bauen im ­Bestand im Vergleich zu Neubauleistungen be­­schäftigen, Sie müssen allerdings auch bei der Planung oder Überwachung für die mitzuverarbeitende Bausubstanz Grundleistungen erbringen, eine rein zeichnerische Darstellung ist nicht ausreichend. Eine Vereinbarung in Textform über die Höhe des Wertes der mitzuverarbeitenden Bausubstanz als Bestandteil des Vertrags ist auf jeden Fall empfehlenswert.

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