thyssenkrupp Testturm, Rottweil
Der Testturm in Rottweil dient der Erprobung von Hochgeschwindigkeitsaufzügen. Er bietet nicht nur Deutschlands höchste Aussichtsplattform, sondern auch verschiedene technische Besonderheiten wie eine textile Fassade oder den Einsatz eines aktiven Pendels.
Mit rund 246 m ist er eines der höchsten Bauwerke Deutschlands: der thyssenkrupp Turm zum Testen und Zertifizieren von Hochgeschwindigkeitsaufzügen. Damit trägt er zu einer erheblichen Verkürzung der Entwicklungszeit zukünftiger und bereits in der Konstruktionsphase befindlicher Wolkenkratzer bei. Er ist mehr als nur ein funktionales Gebäude zur Forschung und Entwicklung moderner Aufzugstechnologien. Eine öffentliche Aussichtsplattform auf 232 m Höhe, die von einer 4 m hohen Glasfassade umgeben ist, ermöglicht eine 360° Sicht auf die Region um Rottweil. Darüber hinaus ist er das höchste textilverkleidete Gebäude der Welt. Der Turm bietet Platz für zehn Aufzugsschächte. Hinzu kommen ein Feuerwehraufzug und ein verglaster Panoramaaufzug.
Im Jahr 2013 beschloss der Bauherr den Bau des Testturms. Aus einem mehrstufigen Bieterverfahren ging das Team um die Ed. Züblin AG mit Werner Sobek im März 2014 als Sieger hervor. Der innerhalb des Bieterverfahrens zu entwickelnde Entwurf stammt von Werner Sobek, JAHN gestaltete den Innenraum und die Eingangsbereiche am Turmfuß. Bereits im Oktober 2014 erfolgte der erste Spatenstich. Die Außenwände des Turms wurden im August 2015 nach nur sieben Monaten Bauzeit fertiggestellt; die Erstellung erfolgte in Gleitbauweise. Danach folgte bis Ende 2015 die Montage der Beton- und Stahldecken. Im Dezember 2016 wurde der Testbetrieb im Turm aufgenommen. Ab Sommer 2017 wurde die Textilfassade montiert und ab Herbst 2017 ist auch die Aussichtsplattform geöffnet.
Besonders anspruchsvoll war die Planung der textilen Fassade, die den gesamten Turm umkleidet. Hierbei galt es nicht nur, Fragen der Montage und der Windbelastung zu berücksichtigen, sondern auch Aspekte der Wartung und Witterungsbeständigkeit. Hierfür waren zahlreiche Abstimmungsgespräche mit diversen Herstellern sowie Materialbegutachtungen, Tests und Versuchsaufbauten erforderlich, da eine Fassade aus Stoff bisher noch nie in dieser Höhe gebaut worden war.
Die Textilfassade des Testturms besteht aus einem PTFE-beschichteten Glasfasergewebe mit von unten nach oben ansteigender Transparenz. Sie ist an sechs spiralförmig um den Turm verlaufenden Stahlrundrohren befestigt. Die Rohre verlaufen mit einem Abstand von 1,80 m zur Außenkante der Betonkonstruktion.
Die Textilverkleidung hat nicht nur eine gestalterische Funktion, sondern bietet auch technische Vorteile. Durch die spiralförmige, an eine Scruton-Wendel erinnernde Gliederung beeinflusst sie die Wirbelablösung am Turm
Das tragende System des Turms besteht im Wesentlichen aus einer Stahlbetonröhre. Diese Röhre ist in den Baugrund eingespannt und hat einen Außendurchmesser von 20,80 m. Der Baugrund besteht aus Lettenkeuper und einer darunterliegenden Schicht Muschelkalk.
Aufgrund der hohen Tragfähigkeit des Muschelkalks konnte auf eine Pfahlgründung verzichtet werden. Ein Sockelgebäude mit einem Außendurchmesser von ca. 48 m unterstützt die horizontale Aussteifung. Zehn radial angeordnete Schottwände vergrößern den Hebelarm des Turms und wandeln einen Teil der Horizontalbeanspruchung in ein vertikales Kräftepaar um. Diese vertikalen Kräfte werden über das Fundament in den Boden abgeleitet; die Oberkante der Bodenplatte liegt auf 29 m.
Das Innere des Turms besteht im Wesentlichen aus den Wänden der Aufzugsschächte. Mit einem Abstand von jeweils ca. 10 m gibt es bereichsweise Decken, die einen Zugang zu den einzelnen Schächten ermöglichen.
Dem Beanspruchungsverlauf entsprechend reduzieren sich die Wandstärken des Turms von unten nach oben von 40 auf 30 cm. Die Wände des Aufzugsschachts sind nur im geringen Maße an der Abtragung der Horizontallasten beteiligt und weisen daher Wandstärken von lediglich 25 cm auf. Aufgrund der hohen Effektivität des Tragwerks liegen die maximalen Horizontalverformungen
Ein Teil der Schächte endet bereits auf 115 m Höhe. Weitgespannte Halbkreisdecken aus bis zu 40 cm dickem Ortbeton bilden den oberen Abschluss dieser Schächte. Oberhalb dieser Flächen sind Büroräume, über diesen wiederum befindet sich bis zu einer Höhe von 190 m ein Hohlraum. Dieser dient zum einen als Wärmespeicher und bietet zum anderen Platz für das Pendelsystem.
Im Normalzustand ist das Pendel passiv und reagiert nur auf windinduzierte Schwingungen. Das Pendel kann mit zwei Linearmotoren den Turm jedoch gezielt in Schwingung versetzen, so dass horizontale Auslenkungen am Turmkopf von bis zu 2 m möglich sind. Die Entwicklungsingenieure
Falls bestimmte Grenzwerte über einen längeren Zeitraum überschritten werden, kann eine dynamische Anregung des Turms zu Ermüdungen des Tragwerks führen. Bauherr und Planer vereinbarten deshalb eine maximale Test
Die mit dem Einsatz eines aktiven Pendels zusammen
Der schlicht wirkende, aber dennoch komplexe Entwurf ebenso wie die engen zeitlichen, technischen und budgetären Randbedingungen stellten hohe Anforderung an die Planung des Projekts. Bereits in der Vorplanung wurde deshalb mit der Erstellung eines BIM Modells begonnen. Alle wesentlichen Informationen konnten so von Beginn an unter allen Planungsbeteiligten ausgetauscht werden; die Ergebnisse einzelner Überarbeitungsschritte wurden zeitnah in das BIM Modell eingespeist und waren so bei der weiteren Planung allen Beteiligten zugänglich. Nur so war es möglich, baubegleitende Maßnahmen schon während der Planungsphase starten zu können. Hierzu gehörte auch die Integration von typischen Ausführungsprozessen, wie Fertigteilplanung durch die Baufirma bereits während der Planungsphase. Der Baubeginn erfolgte bereits nach einem halben Jahr Planung, was nicht zuletzt durch den Einsatz von BIM ermöglicht wurde. Nur durch komplette dreidimensionale Planung von Anfang an konnte die Komplexität beherrscht und die Planungs- und Bauvorbereitungszeit verkürzt werden. Permanente Clash Controls und die durchgehende Pflege und Wartung des BIM Modells waren der Schlüssel zum Erfolg.
Beurteilung der Jury:
Der thyssenkrupp Testturm in Rottweil dient
Mit einer Höhe von 246 m über Gelände
Die Planungsdisziplinen der Architektur, der Tragwerksplanung und der technischen Gebäudeausrüstung sind bei diesem Bauwerk in besonderer Weise verknüpft. Objektplanung, Tragwerksplanung und Energiekonzept kommen aus einer Hand und sind ein Hinweis auf zukünftige Planungsprozesse bei anspruchsvollen Projekten.
Nicht nur in architektonischer, sondern auch in ingenieurtechnischer Hinsicht besonders bemerkenswert war die Planung der textilen Fassade, die den Turm über seine gesamte Höhe umkleidet und mit diesen Abmessungen erstmalig realisiert wurde. Neben einer gestalterischen Funktion bietet die aus einem PTFE-beschichteten Glasfasergewebe bestehende und spiralförmig um den
Nicht zuletzt stellte das Bauwerk auch an die Bauausführung sehr hohe und technisch komplexe Anforderungen, beispielsweise Gleitbauweise und die Verwendung von hochfesten Betonen. Bei diesem ungewöhnlichen Bauwerk verschränken sich Form und Konstruktion, aber auch Funktion und technische Gebäudeausrüstung sowie Planung und Bauausführung in bemerkenswerter Weise.
Projektbeteiligte
Bauherr:
Architektur: Werner Sobek Group, Stuttgart,
JAHN, Chicago/US, www.jahn-us.com
Tragwerk und Fassade: Werner Sobek, Stuttgart
Energie-/Nachhaltigkeitskonzept: WSGreenTechnologies, Stuttgart, www.wernersobek.de
Haustechnik: TechDesign, Frankfurt a. M., www.techdesignffm.de
Prüfingenieur: Breinlinger Ingenieure, Tuttlingen, www.breinlinger.de
Baufirma: Ed. Züblin, Stuttgart, www.zueblin.de