Verwaltung/Produktion Hafner, Fellbach

Wie das Produkt, so auch die Architektur

Grundstücke sind in der Region Stuttgart rar gesät. Die Städte und Gemeinden können expansionswilligen Unternehmen, denen sie Grundstücke anbieten, deshalb auch gestalterische Vorgaben machen, die über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehen. In Fellbach, das im Nordosten direkt an das Stuttgarter Stadtgebiet grenzt wurde ein Entwurf von gernot schulz : architektur umgesetzt.

„Fertigungsmesstechnik für die Besten!“ Mit diesem Slogan begrüßt die Philipp Hafner GmbH & Co. KG (1928 gegründet) die Besucher ihrer Website. Die Präzision, die bei der Fertigung kundenspezifischer Lösungen im Bereich der anspruchsvollen Fertigungsmesstechnik gefragt ist, sollte beim neuen Verwaltungs- und Produktionsgebäude in der Architektur sichtbar werden. Der alte Standort in der Fellbacher Ortsmitte war aufgrund der ansteigenden Mitarbeiterzahl zu klein geworden und ließ keine Erweiterung zu. Die Unternehmerfamilie nahm deshalb das Angebot der Stadt dankend an, die ihnen für den Neubau ein 1,4 ha großes Grundstück anbot – verbunden mit der Auflage, dort qualitativ hochwertige Architektur bauen zu lassen. Das passte in diesem Fall bestens zu den Anforderungen der Unternehmerfamilie.

Vorgaben bis ins Detail

Die Verbindung von Verwaltung und Produktion unter einem Dach, der Wunsch nach einem nachhaltigen Gebäude und der Möglichkeit, erweitern zu können, sowie hochwertige Arbeitsplätze für die Mitarbeiter setzten die Messlatte für den Architektenwettbewerb hoch. Darüber hinaus sollten Raumklima, Akustik und Beleuchtung hervorragende Arbeitsbedingungen schaffen und die Ausstattung, ganz gleich ob für Geschäftsführung, Vertrieb oder Fertigung, einheitlich und hochwertig sein. 11 Architekturbüros legten Ende 2012 der Jury ihre Entwürfe vor. Mit einem 1. Preis zeichnete die Jury Allmann Sattler Wappner Architekten aus München und gernot schulz : Architektur aus Köln aus. Die Kölner erhielten am Ende den Auftrag und bearbeiteten ihn bis einschließlich LPH 4. Danach übernahmen Gellink + Schwämmlein Architekten aus Stuttgart. Sie standen vor der Herausforderung, das Projekt zügig umzusetzten, da die Produktion am bisherigen Standort nur noch eingeschränkt möglich war. Das war nur durch baubegleitende Planung möglich. Herr Schwämmlein erklärt: „Darüber hinaus wurden die in Einzelgewerken ausgeschriebenen Leistungen möglichst an ortsansässige Unternehmer vergeben und im Bauablauf sehr eng koordiniert, so dass sich auf der Baustelle kein Leerlauf ergab. Teilleistungen wurden den Unternehmern, die nicht schnell genug waren, entzogen, und dann von anderen Unternehmern ausgeführt.“ Zusätzlich wurden durch den Einsatz von Fertigteilen (z. B. Stahlbetonfertigstützen und Dachträger für die Hallenkonstruktion) kürzere Montage- und damit auch Bauzeiten erreicht.

Minimalistische Perfektion

Bereits von außen fällt auf, dass hier alles einer klaren Linie folgt. Wehende Fahnen oder Stelen vor dem Haupteingang sucht man vergebens. Das Firmenlogo findet sich nur ein einziges Mal auf der gesamten Fassade. Die Buchstaben wurden in ihren Abmessungen etwas verändert, um perfekt zum Raster der silberfarbenen Aluminiumpaneele zu passen.

Der keilförmige Baukörper mit den Büros auf der Nord-, und der Produktion auf der Südseite steht nur wenige Meter von der Straße entfernt, da die Mitar­beiterparkplätze auf der „Rückseite“ liegen – sofern man hier überhaupt davon sprechen mag. Damit blieb zum einen östlich des Neubaus eine große zusammenhängende Fläche für eventuelle Erweiterungen erhalten, zum anderen müssen Besucher und Kunden sich nicht erst durch einen großen Parkplatz schlängeln, ehe sie am Eingang ankommen. Der Mitarbeiter-Eingang steht dem vorderen aber in nichts nach. Das war der Unternehmerfamilie ein großes Anliegen, denn ihr ist bewusst, dass ihre Mitarbeiter entscheidend sind für den Erfolg der Firma. Eine Licht-, Sicht- und Kommunikationsfuge über das komplette Gebäude stellt Blickbeziehun­gen zwischen den Gebäudebereichen her. In ihr finden die informellen Gesprächsbereiche, wie eine Sitzgruppe mit bequemen Sesseln und die geräumige, offene Teeküche mit langer Theke, ihren Platz.

Schwarzweiß mit Rot

Über diese Fuge betreten die Besucher das Gebäude und finden sich nach wenigen Schritten im großen Foyer mit dem Empfangstresen wieder. Dort wird sofort die Präzision augenscheinlich, mit der die Architekten und die ausführenden Firmen den Anspruch von Hafner umgesetzt haben. Die bis zu 12 m hohen Wände sind in der Qualitätsstufe 4 verspachtelt und damit absolut glatt. „Zusätzliche Spachtelungen und eingearbeitete Putzleisten machen das möglich“ so Schwämmlein. „Die Qualität der Oberfläche wurde durch Ausleuchten mit seitlichem Licht (Streiflicht) vor Ort geprüft und diverse Stellen durch Nacharbeit verbessert.“

Die schwarzen Rahmen der Festverglasungen zwischen Innenräumen und Kommunikationsfuge, die schwarzen Treppen­stufen und -laibungen sowie knallrote Sitzmöbel setzen farbige Akzente. Der Blick ist frei bis in einen der Besprechungsräume, in die beiden Abnahme­boxen, in den Himmel oder bis zum Mitarbeitereingang. Diese Offenheit ermöglicht es, das Gebäude schnell zu erfassen und zeigt die flache Hierarchie. Das Mitarbeiterrestaurant wird nicht nur zum Essen genutzt, sondern auch für Vorträge und Schulungen, als Fitnessraum und sogar für externe Feiern. Ein Schienensystem für  Vorhänge macht‘s möglich.

Hervorragende Raumakustik trotz Betondecke

Dank der Nordausrichtung bedurfte es weder eines außenliegenden Sonnenschutzes noch einer Sonnenschutzverglasung. Für das geforderte angenehme Raumklima sorgen eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, die Nachtspülung über die öffenbaren Oberlichter in der Fuge sowie die aktivierten Betondecken. Um deren Wirkung nicht durch Akustikbaffeln zu beeinträchtigen und gleichzeitig die durch Gespräche und Telefonate entstehenden Geräusche zu dämpfen, ließen die Architekten einen speziellen Doppelboden einbauen. In ihm wurden auch die vielen Installationen verlegt, die durch die thermische Aktivierung in der Decke nicht untergebracht werden konnten. Bohrungen in der Bodenoberfläche und der darauf verlegte Teppich sorgen für eine überzeugende Akustik bei einer ebensolchen Optik.

Miteinander verbunden

Da Hafner kundenspezifische Maschinen produziert, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Entwicklung und Produktion sehr wichtig. Die Gestaltung des Neubaus unterstützt diese durch kurze Wege. An verschiedenen Stellen gelangt man vom Bürotrakt direkt in die große Halle, deren Rastermaß auf der Größe der hergestellten Maschinen basiert. Auf den 6 x 8 m messenden, markierten Feldern können entweder vier kleine, zwei mittlere oder eine große Maschine hergestellt und montiert werden. So wird der Platz bestmöglich ausgenutzt.
Die Optik der Halle prägen – analog zu den Büros – die Farben Weiß, Schwarz, Rot und zusätzlich ein kleines bisschen Grün. Damit das Weiß absolut rein erscheint, wurde das Trapezblech für das Sheddach als Sonderanfertigung in RAL 9016, verkehrsweiß, hergestellt. Wenngleich die Bauzeit mit 14 Monaten knapp bemessen war, nahmen die Auftraggeber die acht Wochen Produktionszeit dafür gerne in Kauf.

An der Fuge zwischen Bürobereich und Montagehalle ordneten die Architekten zwei Abnahmeboxen an. Dort können die Kunden ihre Maschinen prüfen, bevor sie ausgeliefert und endabgenommen werden. Ihre Dächer sind bepflanzt und bringen Grün in die Produktionshalle.

Geschäftsführung und Mitarbeiter scheinen den Neubau zu schätzen, denn nach mehr als zwei Jahren der Nutzung sieht alles noch immer aus wie neu. Dass sich alle stark mit dem Gebäude identifizieren, resultiert sicherlich auch aus der intensiven Beteiligung während der Planungs- und Bauzeit. So sollten Bauherren und Architekten häufiger zusammenarbeiten. Simone Hübener, Fellbach

Baudaten

Objekt: Neubau Büro- und Produktionsgebäude / Philipp Hafner GmbH + Co. KG Standort: 70736 Fellbach
Typologie: Verwaltung und Produktion Bauherr: Hafner Immobilien GmbH & Co. KG Nutzer: Philipp Hafner GmbH + Co. KG
Architekten: gernot schulz : architektur GmbH, Köln, www.gernotschulzarchitektur.de (LPH 1-4); Gellink + Schwämmlein Architekten, Stuttgart, www.gs-arc.de (LPH 5-9)
Mitarbeiter LPH 5-9: Harald Bräutigam, Kim Keumok, Moritz Collin Bauleitung LPH 5-9: Fuat Aykit, Sven Schilling Bauzeit: März 2014 - Juni 2015

Fachplaner

Tragwerksplaner: B + G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH, Frankfurt am Main, www.bollinger-grohmann.com
TGA-Planer: ZWP Ingenieur-AG, Köln, www.zwp.de
Lichtplaner: studiocandela Lichtplanung und Lichttechnik, Herford, candela.de
Innenarchitekt: Gellink + Schwämmlein Architekten, Stuttgart, www.gs-arc.de
Akustikplaner: RW Bauphysik, Schwäbisch Hall, rw-bauphysik.de
Landschaftsarchitekt: Club L94 Landschaftsarchitekten GmbH, Köln, www.clubl94.de
Energieberater: Transsolar Energietechnik GmbH, Stuttgart, www.transsolar.com
Brandschutzplaner: E + E Ingenieure GbR, Großbettlingen, www.ee-ingenieure.de

Projektdaten

Grundstücksgröße: 14 045 m²
Grundflächenzahl: 0,8
Geschossflächenzahl: 2
Nutzfläche: 6 111 m²
Technikfläche: 299 m²
Verkehrsfläche: 1 163 m²
Brutto-Grundfläche: 8 282 m²
Brutto-Rauminhalt: 48 340 m³

Baukosten

KG 200 (netto): 1,0 Mio. €
KG 300 (netto): 7,2 Mio. € KG 400 (netto): 3,8 Mio. €

Energiebedarf

Primärenergiebedarf: 189,60 kWh/m²a nach EnEV 2009

Gebäudehülle

U-Wert Außenwand = 0,20 W/(m²K)
U-Wert Fassadenpaneel = 0,32 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte = 0,39 W/(m²K) U-Wert Dach = 0,13 W/(m²K) Uw-Wert Fenster = 1,00 W/(m²K)
Ug-Wert Verglasung = 0,60 W/(m²K)
Bauteilaktivierung
Lüftung mit Wärmerückgewinnung, Nachtluftspülung Montagebereich über Oberlichtbänder, Gas-Brennwert-Therme, PV-Anlage

Herstellerliste

Gebäudehülle
Dach: Paul Bauder GmbH & Co. KG, www.bauder.de
Fenster: Sapa Building Systems GmbH, www.wicona.com
Fassade: 3A Composites GmbH, www.alucobond.com

Sonnenschutz/Blendschutz: Warema Renkhoff SE, www.warema.de; Glas Trösch Beratungs-GmbH, www.glastroesch.de

Brandschutz

Türen/Toren: Teckentrup GmbH & Co. KG, www.teckentrup.biz; neuform-Türenwerk Hans Glock GmbH & Co. KG, www.neuform-tuer.com
RWA-Anlage: VELUX Deutschland GmbH, www.velux.de; Deutsche Everlite GmbH, www.everlite.de

Innenausbau

Sanitär: Duravit AG, www.duravit.de
Trennwände: Lindner Group KG, www.lindner-group.com

Boden: Koninklijke Mosa bv, www.mosa.com; OBJECT CARPET GmbH, www.object-carpet.de

Zutrittssysteme: Kaba Gruppe, www.kaba.de

Beschichtung: Sto SE & Co. KGaA, http://www.sto.de

Außenanlagen

Außenbeleuchtung: BEGA Gantenbrink-Leuchten KG, www.bega.de
Außenbelag: BTE Stelcon GmbH, www.stelcon.de

CAD: Autodesk GmbH, www.autodesk.de; Trimble Inc., www.sketchup.com

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