Wettbewerb Siemensstadt 2.0 ist entschieden

Mit „Wir haben verstanden“ warb vor 25 Jahren ein deutscher Autohersteller, offenbar aber hatte er nicht verstanden. Bei Siemens läuft das hoffentlich besser, allerdings lassen einen Stichworte wie „Geschäfte mit Kohlekraftwerksbetreiber“ leise an der Weitsicht zweifeln. In Berlin aber hat der Technologiekonzern mit rund 83 Mrd. € Jahresumsatz und einem Gewinn von 6,12 Mrd. € nach Steuern verstanden (Zahlen von 2018). Hierhin, in seine Geburtsstadt, die die Zentrale nach der Teilung Deutschlands in Richtung München verlassen hatte, kommt der Konzern mit „Siemensstadt 2.0“ wieder zu seinen Wurzeln zurück.

„Hierhin“ ist genauer gesagt das Gelände der Siemensstadt in Berlin-Spandau, ein ca. 70 ha großes Gelände mit riesigen Produktionsanlagen. Und die werden in Teilen stillgelegt oder sind schon aufgegeben worden in der langen und kaum noch zu überblickenden Umbaugeschichte des Konzerns in den letzten Jahrzehnten.

Siemens möchte den Produktionsstandort in einen „Innovationscampus“ umbauen, das Gelände soll geöffnet und in die suburbane Umgebung eingebunden werden. Hierzu gab es einen städtebaulichen Wettbewerb, den Ende 2019 Ortner & Ortner Baukunst für sich entscheiden konnten. Das Büro möchte mit seinem Entwurf „öffentliche, kulturelle Räume“ realisieren, die bis heute hier fehlen. Die Architekten verstehen ihr Projekt als  eine Art Stadtgründung.

Im Norden der Haupterschließung Nonnendamm­allee ist Wohnen mit etwa 2 750 Wohnungen geplant, mit Kitas und einer Schule. Südlich der Straße sind Gewerbefläche vorgesehen. Dazwischen liegen unterschiedliche, das städtische Nutzungs-angebot ergänzende Häuser sowie Räume für Läden, Cafés oder Bistros.

Das Juryvotum – Vorsitz hatte Stefan Behnisch – fiel einstimmig aus. Der Entwurf bilde „kein fertiges Bild“, sondern lasse Raum für eine notwendige Entwicklung, so Behnisch. Die insbesondere auch dem historischen Bestand mit Schaltwerks-hallen oder dem Schaltwerkshochhaus zugute-kommen sollen. Für Gewerbe- und Büroeineiten haben die Planer die stattliche Fläche von gut 400 000 m² zu beplanen.

Siemens will auf dem zukünftigen Campus in den kommenden Jahren 600 Mio. € investieren. Die Stadt hat bereits signalisiert, dass sie ebenfalls mit Investitionen bereitsteht; unter anderem für die Wiederbelebung der in den 1980er-Jahren erst geschlossenen Siemens-Bahn von „Jungfernheide“ durch die Siemensstadt nach „Gartenfeld“. Was auch im Sinne des Konzerns wäre, denn der möchte mit dem Campus in einer Art Reallabor seine Energie- und Mobilitätskonzepte überprüfen: Das Areal soll CO2-frei betrieben werden, unter anderem durch „Mobilitätshubs“ an den Quartierseingängen mit Parkplätzen, Car- und E-Bike-Sharing, Wartungs- und E-Ladestationen.

Der Wille zum Umbau ist da, Geld auch. Es könnte demnächst losgehen. Direkt hinein ins „Reallabor innovativer Städtebau“. Wir können gespannt sein und möglicherweise auch lernen. Be. K.

www.siemensstadt-dialog.de, www.ortner-ortner.de
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