Was der Sinn und Zweck unserer Arbeit ist
Koolhaas, der schon für andere Unternehmen teils gewaltige Volumen lieferte und seinem Grundsatz, neue Formen = neue Denkweisen immer wieder einmal etwas Ikoneskes widmete.
Tatsächlich sieht man es dem mächtigen Volumen, das an einigen hervorragenden Stellen über scheinbar berstende Glasfassaden geöffnet wurde, nicht an, das hier die Zukunft des Arbeitens probiert wird. Und wenn man sieht, wie schnell sich gerade Grundrisskonzepte verändern, die alle das Arbeiten der nächsten Zukunft repräsentieren wollen, erscheint eine Planung aus dem Jahr 2014 etwa schon sehr überholt. Oder doch nicht?
Begriffe wie nonterritoriale Büros, informelle Räume, vernetzte Räume, plug and work, Crowd-working, Lean Management und über allem die Work-Life-Balance charakterisieren schon lange, teils schon seit Jahrzehnten, die Ideen vom neuen
Arbeiten; immer in Abgrenzung zu Bildern von diesen diszipliniert, aber viel zu langsam und als extrem innovationsarm gebranntmarkten Behördenhäusern. Vieles davon wurde versucht und wieder fallen gelassen. Möglicherweise fehlte es bei allen diesen Versuchen am richtigen Gehäuse? Der Springer-Neubau versteht sich, so CEO
Mathias Döpfner, als „Modernisierungs- und Veränderungstreiber“. Das neue Haus, so der CEO weiter, bestätige die Hypothese, „dass viel weniger in Büros klassischer Prägung gearbeitet wird.“ Mit Blick auf den Büromarkt kann er damit nur einen Zukunftblick getan haben.
Was aber ist nun anders bei Springer-Neu?
Zunächst einmal: Das Haus ist nur gemietet. Eigentümer ist die Norges Bank Real Estate Management, eine Gesellschaft des norwegischen Staatsfonds The Government Pension Fund Global. Die hatte das Grundstück von Springer SE gekauft und den Neubau realisiert; der Springer Konzern ist Hauptmieter. Untergebracht sind hier neben den Zentralbereichen unter anderen die Shopping- und Vergleichsplattform idealo, die Redaktionen von WELT Print und WELT Digital, WELT Fernsehen sowie die Media Impact. Der Neubau bietet Arbeitsmöglichkeiten für rund 3 000 MitarbeiterInnen und folgt, so die Konzernkommunikation, „einem progressiven Arbeitsformenkonzept mit Flex-Desk-Modell“. Wer von den zahlreichen Springer-Firmen in den Neubau einziehen durfte, wurde über ein sogenanntes Flächenkonzept entschieden. Dieses beschreibt unter anderem die Flächen und Bedürfnisse jeder Mietpartei, wie Räume aufgeteilt werden und welche Arbeitsmöglichkeiten sie bieten sollen. Auf dieser Basis wurde vom Vorstand der Axel Springer SE entschieden, wer künftig wo am Standort Berlin arbeitet bzw. arbeiten wird.
Fläche vs. Luftraum ergibt Arbeitstal
Was aber ist anders? OMA hat ein Gebäude konzipiert, das extrem viel Fläche zugunsten von Luftraum verschenkt. Eigentlich besteht das Gebäude tatsächlich nur auf zwei Hangseiten eines sich weit öffnenden Tals, auf dem ein paar Terrassen zwischen gebäudehohen, wenigen Stützen Arbeitsplätze für die jeweiligen Untermieter anbieten. Offene Flächen, blick- und schalloffen, derart, dass man an den Arbeitsplätzen mit Tageslichtschirmen Blendlicht von außen, aber auch Blicke von innen abschirmen kann.
Die eher geschlossenen Bereiche sind immerhin häufig vollverglast zum Tal hin; einige Brücken sind geschlossene Räume. Und nicht wenige Büros, die für zukünftige Untermieter (Start-ups) bereitgehalten werden, sind aus Gründen der Diskretion vom Tal separiert. Ob hier das Arbeiten neu gedacht wird? Ob die zunehmende Digitalisierung in nächster Zukunft und nächster Pandemie Bauten dieser Art nicht eher überflüssig macht? Sicher nein, denn wenn wir das eine gelernt haben: Ohne direkten, analogen Austausch kommt kein Unternehmen voran. Ob die Arbeitshäuser in Zukunft offene Hallen sind? Vielleicht. Oder auch kleine Höhlen. Oder Draußenbüros. Es kommt wohl darauf an, was der Sinn und Zweck unserer Arbeit in Zukunft ist. Be. K.