Wann ist eigentlich „abgenommen“?

(Schleswig-Holsteinisches OLG 7 U 90/17, Beschluss vom 02.01.2018)

Immer wieder stellt sich die Frage, ob der Auftraggeber die Leistung des Architekten überhaupt im Rechtssinne „abgenommen“ hat. Sehr lebensnah und pragmatisch hat sich hier das Schleswig-Holsteinische OLG geäußert.

Eine rechtsgeschäftliche Abnahme im Sinne von § 640 BGB bedeute die körperliche Entgegennahme des Werks durch den Besteller verbunden mit dessen Billigung des Werks als im Wesentlichen vertragsgerecht erbrachte Leistung. Als rechtsgeschäftliche oder geschäftsähnliche Erklärung könne die Billigung der Werkleistung auch konkludent erfolgen.
 
Ob im konkreten Fall eine konkludente Abnahme vorliegt, beurteile sich grundsätzlich nach den jeweiligen Umständen. Gerade an dieser Stelle wird besonders deutlich, wie sehr das Gericht jedem Versuch, Vorteile aus einem juristischen Vorgehen zu ziehen, zugunsten einer pragmatischen Betrachtungsweise eine Absage erteilt.
 
Eine konkludente Abnahme könne nämlich jedenfalls dann vorliegen, wenn der Unternehmer aus dem Verhalten des Bestellers nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte schließen konnte und durfte, der Besteller billige seine Leistung als frei von wesentlichen Mängeln. Das könne z. B. der Fall sein bei widerspruchsloser Hinnahme der Fertigstellungsbescheinigung oder bei einer vorbehaltlosen Zahlung des Werklohns. Die konkludente Abnahme einer Architektenleistung könne auch darin liegen, dass der Besteller nach Fertigstellung der Leistung und nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist nach Bezug des fertiggestellten Bauwerks keine Mängel der Architektenleistung rügt.
 
In einer vorbehaltlosen Zahlung der Schlussrechnung in Verbindung mit der widerspruchslosen Hinnahme einer Fertigstellungsanzeige ist  also eine konkludente Billigung durch den Empfänger der Werkleistung zu sehen. Hier kam noch hinzu, dass unstreitig nach Fertigstellung des streitgegenständlichen Teiles des Werkes binnen angemessener Prüffrist keine entsprechenden Mängelrügen des Auftraggebers erfolgten. Eine Rüge erfolgte nämlich erst deutlich (nämlich über ein Jahr!) später…  
Unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte durfte der Architekt hier also von einer beanstandungslosen Ingebrauchnahme seiner Leistungen durch die Klägerin ausgehen. Und genau in einer solchen liegt dann die konkludente Abnahme begründet!
 
Letztlich hat das OLG also nur noch einmal dargelegt, was jedem „Baumensch“ ohnehin klar sein dürfte. Der Auftraggeber wurde auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein weiteres Vorgehen gegen diesen Beschluss keinerlei Aussicht auf Erfolg habe.

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