Von Modulen und Parametrischer Konfiguration
Fassaden am Konferenzzentrum in Dalian

Es ist kaum zu glauben, dass die Fassade des Konferenzzentrums in Dalian aus Modulen besteht, wirkt das ganze Gebäude doch wie eine große freie Form, die an ein Meerestier mit Schuppen und Kiemen erinnert.

Der Fassadenaufbau ist im Prinzip vergleichsweise einfach. Von innen nach außen gibt es vier Schichten: erstens die Primärkonstruktion – auch als statisch wirksame, tragende Konstruktion (das dreidimensional verformte Raumfachwerk) der Fassade zu bezeichnen, zweitens die Sekundärkonstruktion – auch Unterkonstruktion für die Glaselemente oder die Fassadenpaneele zu nennen, drittens die Glaselemente oder – in den geschlossenen Bereichen – die Paneele und viertens die außenliegende Hülle aus perforiertem Metall, die sowohl als Blendschutz als auch als Sichtschutz dient. Gestalterisch fasst diese Metallhülle das Gebäude zusammen und verleiht ihm die markante, skulpturale Form.

Nachts kehrt sich das Erscheinungsbild um. Dann erscheint die Metallhülle transparent und zeigt, wo das Gebäude verglaste Öffnungen hat oder auch wo sich geschlossene Bereiche befinden. Unterstützt von LED’s, die in die Metallhaut integriert sind, erwacht das Gebäude im Dunkeln zum Leben und kehrt sein Innenleben nach außen, was besonders bei Konzerten oder großen Events Wirkung erzielen wird.

Module

Doch zurück zu den Modulen: die Fassade besteht aus sechs Modulen.

TYPE S01 ist ein Modul, bei dem die äußere Metallhaut parallel zu den dahinterliegenden Glasscheiben oder Fassadenpaneelen angeordnet ist. Dieses Modul taucht am häufigsten am Gebäude auf.

TYPE S02 ist ein Modul, das nur in verglasten Fassadenzonen vorkommt. Es hat eine Hülle aus perforierten Metalllamellen, die einen ungerichteten Ausblick aus dem Gebäude in die Umgebung ermöglichen.

TYPE S03 ist ein Modul, das ebenfalls nur in verglasten Fassadenzonen Verwendung findet, jedoch im Gegensatz zu S02 ein ausgeklügeltes Prismensystem als äußere Schicht aufweist. Die Prismen bestehen aus perforiertem Metall und lenken gezielt die Ausblicke aus dem Gebäude.

TYPE S04 ist ein Modul mit einer glatten, geschlossenen Metallhaut, mit dem die Deckenuntersichten bekleidet sind – und zwar sowohl an der Fassade als auch im Inneren des Gebäudes

Type S05 ist eine Abwandlung von S04 und unterscheidet sich dadurch, dass es eine prismenartige Ausstülpung, die sogenannten „Spikes“ besitzt, in die Leuchten und in einigen Fällen auch Lautsprecher integriert sind.

Schließlich gibt es noch TYPE S06, ein Modul mit glatter Metallhaut und dreieckiger Gliederung, das ausschliesslich für das Dach verwendet wurde.

Parametrische Gebäudeform

Die eigenwillige Gebäudeform entsteht durch das Hinausdrehen der Konferenzsäle und durch die Zirkulation des Windes. Sie ist im Computer entstanden und im Verlauf des Entwurfsprozesses immer wieder anhand von Arbeitsmodellen im Büro überprüft worden. Doch nur dank parametrischer Computerprogramme konnte die Fassade schließlich gebaut werden. Denn jedes Fassadenelement hat eine individuelle Form, auch wenn es auf einem der sechs Module basiert. Beim parametrischen Entwerfen steht zu jedem Zeitpunkt ein exaktes 3D-Modell zur Verfügung, dessen Dimensionen sich in einem Schritt ändern lassen und die nicht wie üblich in allen Darstellungen (Plänen, Schnitten, Details) mühsam aktualisiert werden müssen. Nach Festlegung des Konzepts ist beim parametrischen Entwerfen leichter eine Anpassung und Optimierung der Gestalt möglich. Dadurch ergeben sich nicht nur während der Entwurfsphase Vorteile, sondern auch bei der Abstimmung mit Fachplanern und auf der Baustelle. Letzteres war beim Entwurf für das Konferenzzentrum in Dalian sehr wichtig.
Als sich im Rohbau herausstellte, dass die chinesische Schiffsbauwerft mit größeren Toleranzen im Stahlbau arbeitete als im Entwurf vorgesehen, musste der Rohbau vor Ort neu aufgemessen werden. Nachdem die neuen Maße in den Computer eingegeben waren, konnte die Fassadenplanung in kürzester Zeit wieder dem aktuellen Stand der Baustelle angepasst werden. Der in Dalian vorherrschende Wind vom Meer bestimmt nicht nur die ganze Gebäudeform, auch die einzelnen Module seiner Hülle müssen den Windkräften Stand halten. Immerhin sind die Fassaden­elemente durchschnittlich acht Meter lang. Dabei können die Lamellen bis zu zwei Meter auskragen und verhalten sich wie die Tragflächen eines Flugzeuges. Nimmt man all diese Faktoren zusammen, ist es schon erstaunlich, dass die Produktion der Fassade nur sechs Monate in Anspruch genommen hat.

Im Zentrum des Daches – oberhalb des Bühnenturms – befindet sich ein großes rundes Feld mit den Entrauchungsöffnungen für die Bühnen und mit Photovoltaikelementen, die aus Solarenergie Strom erzeugen.

Wenn er auch nicht sagen möchte, welches sein Lieblingsdetail ist, hebt Architekt Wolf D. Prix doch ein Element im Dach besonders hervor. „Schauen Sie sich mal die Decke im Eingangsbereich der großen Halle an. Dort haben wir die Lighttubes golden beschichtet. Das Metall im Innenraum wird durch dieses spezielle Licht samtig weich.“

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