Vom Boden in die Luft
Das Cityscope könnte uns helfen, den Raum größer zu sehen

Jeder wird das kennen: Da läuft man jahrelang die gleichen Straßen, und erst, als ein Fremder von oben herab etwas hinunter ruft, hebt man die Augen über die Erdgeschosshöhe hinaus. Und sieht das Noble über dem Verhunzten, das Gleichförmige über den Versprüngen, spürt die Tiefe des Raums und seine Weite. Fixiert auf Augenhöhenkontakte laufen wir durch die Stadträume und verpassen hier jede Menge. Unsere Wahrnehmung ist eine eher horizontale, der Mensch hinkt – mal wieder – evolutionär seinem Streben nach Höherem hinterher.

Dagegen haben Künstler schon länger opponiert, Alfons Schilling beispielsweise versuchte mittels tragbarer Sehmaschinen die Wahrnehmsperspektive und damit Sehgewohnheiten auf den Kopf zu stellen. Aktuell versuchte sich an dieser Brechung einschläfernder Gewohnheiten der Architekt und Designer Marco Hemmerling. Er entwarf und realisierte im Rahmen der „plan08“ in Köln eine polyederförmige Raumplastik, deren changierende, transluzente Oberflächen ein neues Sehen möglich machen. Die Skulptur wurde am Rechner dreidimensonal entwickelt, Produktion und Zuschnitte der einzelnen Bauteile (Bodenfläche, Acrylglasplatten und Aluminiumkonstruktion) über CAD-CAM Schnittstellen aus dem digitalen Modell realisiert. Tagsüber reflektiert das „urbane Kaleidoskop“ (Hemmerling) den umliegenden Stadtraum, es verschiebt Sichtachsen und konstruiert dem, er sich in Bewegung befindet, eigentlich unmögliche Panoramen.

Die Raumplastik soll als mobile Installation in verschiedenen städtebaulichen Situationen positioniert werden. Längerfristig ist an eine feste Installation im Stadtraum gedacht. Hier allerdings bleibt zu hoffen, sie würde dort nicht Moos ansetzen, denn schließlich gibt es in jeder Stadt an vielen Orten einiges aufzuholen, oder besser, die müden Augen vom Boden in die Luft zu heben. Be. K.

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