Variable Grundrisse in massiven Gebäuden

Für eine vom Tragwerk weitgehend unabhängige und später auch veränderliche Grundrissplanung im Wohnungsbau sind nichttragende innere Trennwände aus Mauerwerk eine in mehrfacher Hinsicht elegante Lösung. Sie lassen sich nach eindeutigen Regeln planen, mit klarer Baustellenorganisation ausführen und robust nutzen. Die durchgängig massive Bauweise erhöht den Wohn- und den Immobilienwert.

Die Massivbauweise mit klarer Unterscheidung zwischen dem Tragwerk für die statischen Funktionen und nichttragenden inneren Trennwänden für die Raumbildung innerhalb des Tragwerkes hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Nichttragende Trennwände aus Mauerwerk bieten in der Planung und Bauausführung eine hohe Flexibilität. Sie ermöglichen im Wohnungsbau oder in Gebäuden mit wohnähnlichen Funktionen optimale Grundrissaufteilungen mit schlanken und darum ­flächensparenden Konstruktionen. Die solide, werthaltige und bei Mietern wie Erwerbern gleichermaßen anerkannte Massivbauweise kann damit auf alle Gebäudebestandteile ausgedehnt werden. Gleichzeitig werden bei entsprechender Planung die bauphysikalischen Anforderungen, etwa beim Schall- und Brandschutz, auch für die inneren Wände sicher erfüllt.

Nichttragende innere Trennwände aus Mauerwerk lassen sich universell in praktisch allen Massivtragwerken einsetzen: bei Wandbauweisen ebenso wie in Skelettbauten, bei Tragwerken aus Beton ebenso wie in gemauerten Konstruktionen. Die Trennwände selbst entstehen dabei wahlweise aus Ziegel-, Kalksand-, Porenbeton- oder Leichtbetonsteinen.

Vorteile in der Planung, im Bauablauf und bei der späteren Nutzung

Im Bauablauf hat die massive Ausführung der inneren Trennwände den Vorteil, dass weniger unterschiedliche Gewerke zu koordinieren sind und sich der Zeitplan für das Hauptgewerk der Maurer einfacher und variabler gestalten lässt. Sowohl das spätere Aufmauern der Trennwände im fertigen Tragwerk als auch eine rohbaubegleitende Ausführung sind möglich.

Sehr flexibel stellt sich die Materialwahl dar. Handelt es sich um eine tragende Mauerwerkskonstruktion, wird man idealerweise das gleiche ­Mauerwerk auch für die inneren Trennwände verwenden, was die Lagerung und Organisation auf der Baustelle vereinfacht. Außerdem weist das Gebäude dann ein homogenes Baustoffverhalten auf, etwa im Hinblick auf die thermische Längenausdehnung. Aber auch ein Materialwechsel zwischen Tragwerk und Trennwänden ist bei Mauerwerk im Grundsatz möglich.

Ein weiterer Vorteil in der Planung ist die sehr späte endgültige Fixierung der Wohnungsgrundrisse, die eventuell erst festgelegt werden, wenn der Bauherr einen Käufer für die entstehende Wohnung gefunden hat. Der freien Grundrissplanung kommt entgegen, dass nichttragende innere Trennwände mit Wandeigenlasten ≤ 5 kN/m bei ausreichender Querkraftverteilung der Decken nicht als Einzellasten berücksichtigt werden müssen. Stattdessen kann nach DIN EN 1991-1-1:2010-12/NA (1) vereinfacht ein gleichmäßig verteilter Zuschlag zur Nutzlast der Decke angesetzt werden. Dieser sogenannte Trennwandzuschlag (Tab. 01) erleichtert die späte Grundrissfestlegung, weil die Wände ohne besondere Wandträger an jeder beliebigen Stelle errichtet werden können. Bei entsprechend bemessener Decke lässt sich dieser Vorteil auch für die Neugestaltung des Grundrisses im Rahmen von Sanierungen und Modernisierungen einsetzen. Für alle späteren Umbauten gilt zudem, dass die Wände wegen ihres nichttragenden Charakters problemlos wieder entfernt werden können.

Regelwerke und Beanspruchungen nichttragender innere Trennwände

Nichttragende innere Trennwände sind nach DIN 4103-1 (2) geregelte Bauteile. Die Norm beschreibt ihre Planung unabhängig von der Bauweise, weshalb der Deutsche Ausschuss für Mauerwerk e.V. mit der DAfM-Richtlinie Nr. 1 (3) eine anwenderorientierte Richtlinie speziell für nichttragende innere Trennwände aus Mauerwerk herausgegeben hat. Sie erläutert praxisnah alle relevanten Planungskriterien von den erforderlichen Nachweisen über die zulässigen Wandlängen und -höhen bis zur Befestigung der Trennwände an den angrenzenden Bauteilen.

Nichttragende innere Trennwände sind Bauteile im Gebäude, die nur der Raumtrennung dienen. Sie tragen planmäßig keine vertikalen Lasten ab und dienen nicht zur Gebäudeaussteifung. Die Wände sind also kein Teil des Gebäudetragwerks, müssen aber trotzdem für bestimmte Lasten bemessen werden. Neben der Eigenlast sowie den Lasten aus dem Putz oder anderen eventuellen Beschichtungen sind vor allem die Aufnahme von horizontal auf die Fläche wirkenden statischen Lasten zu berücksichtigen. Außerdem dürfen die Trennwände nicht durch Belastungen aus harten oder weichen Stößen insgesamt zerstört oder örtlich durchstoßen werden.

Damit sind die normalen Gebrauchslasten, wie sie im Wohnungsbau oder in Gebäuden mit wohn­ähnlicher Nutzung entstehen, abgedeckt: Menschen lehnen sich gegen die Wand, Gegenstände werden planmäßig angelehnt oder stürzen unplanmäßig gegen die Wand (etwa Möbel beim Umzug). Die Wände müssen die auf ihre Fläche wirkenden Lasten aufnehmen und in die tragenden Bauteile ableiten können. Erst durch die Verbindung mit diesen angrenzenden tragenden Wänden, Decken oder auch Stützen erhalten nichttragende innere Trennwände ihre Stand­sicherheit.

Einbaubereich und Biegetragfähigkeit als maßgebliche Planungskriterien

Bei nichttragenden inneren Trennwänden für den Wohnungsbau kommt es vor allem auf den Biegetragfähigkeitsnachweis bei planmäßigen horizontalen Belastungen an. Weil diese Beanspruchungen stark von der Raum- bzw. Gebäudeart abhängen, definiert DIN 4103-1 in Abhängigkeit von der Nutzungsintensität zwei Einbaubereiche:

Einbaubereich 1 umfasst Bereiche mit geringer Menschenansammlung, wie sie z. B. in Wohnun­gen, Hotel-, Büro- und Krankenräumen sowie ähnlich genutzten Räumen einschließlich der Flure anzunehmen sind. Dementsprechend gilt Einbaubereich 2 für Bereiche mit großer Menschenansammlung, was z. B. für größere Versammlungsräume, Schulräume, Hörsäle, Ausstellungs- und Verkaufseinrichtungen sowie ähnlich genutzte Räume zutrifft.

Die Zuordnung der Räume zu einem dieser beiden Einbaubereiche (EB) muss am Anfang der Planung stehen, weil sie einerseits Auswirkungen auf die zulässigen Wandlängen und -höhen hat, andererseits aber auch den grundlegenden Nachweis der Biegegrenztragfähigkeit bestimmt.

Für diesen Nachweis wird in 0,9 m Höhe über dem Fußpunkt der Wand im EB 1 eine horizontale Linienlast von 0,5 kN/m angesetzt. Das entspricht einer Belastung etwa in Hüfthöhe, wie sie z. B. durch ein kleineres Menschengedränge entstehen kann. Es ist nachzuweisen, dass diese Belastung nicht zum Versagen der nichttragenden inneren Trennwand führt. Da definitionsgemäß in EB 2 mit größeren Menschenansammlungen zu rechnen ist, muss dort eine Linienlast von 1,0 kN/m in der Hüfthöhe von 0,9   m nachgewiesen werden.

DIN 4103-1 verlangt darüber hinaus den Nachweis stoßartiger Einwirkungen (4). Maßgebend für die Bemessung von massiven Trennwänden und damit für die Grenzwerte der Wandmaße ist aber deren Biegetragfähigkeit.

Anschlüsse an angrenzende Bauteile

Die zulässigen Wandhöhen und Wandlängen von nichttragenden inneren Trennwänden aus Mauer­werk sind sehr übersichtlich in der DAfM-Richt­linie Nr. 1 dargestellt. Sie hängen von der Dicke der Trennwand ab sowie von den Bedingungen ihres Anschlusses an die angrenzenden tragenden Bauteile. Die Verbindungen müssen die auf die Wände wirkenden Lasten übertragen, aber auch mögliche Formänderungen der angrenzenden Bauteile berücksichtigen.

Die wirtschaftlichste Lösung für die seitliche Halterung stellt meist das Einlegen von Edelstahlankern dar, die Wände lassen sich aber auch mit Verzahnung mauern oder in eine Nut einführen. Die DAfM-Richtlinie beschreibt darüber hinaus die Anschlussmöglichkeiten an Stahl- oder Stahlbetonstützen. In allen genannten Fällen entstehen bei fachgerechter Fugenvermörtelung kraftschlüssige starre Anschlüsse, die alle Anforderungen an den Brand- und Schallschutz erfüllen.

Wenn jedoch mit größeren Verformungen, etwa durch das Durchbiegen der Decken, oder größeren Schwindmaßen zu rechnen ist, sollten gleitende Anschlüsse geplant werden, die sich beispielsweise mit Winkelprofilen, Federankern oder beim seitlichen Anschluss auch mit dämmstoffgefüllten Wandtaschen ausführen lassen.

Der Deckenanschluss von nichttragenden inneren Trennwänden muss nicht kraftschlüssig sein. Die oberste Fuge kann bei geringen zu erwartenden Deckendurchbiegungen sehr einfach mit einem Kalkmörtel oder einem Dichtstoff geschlossen werden. Auch der Einbau von durchlaufenden Oberlichtbändern unmittelbar unter der Decke ist möglich.

Aus der Ausführungsart des Deckenanschlusses ergibt sich, ob für die Wand eine umlaufende vierseitige Halterung oder eine dreiseitige Halterung mit freiem oberen Rand anzusetzen ist. Mit diesem Kriterium kann dann in der DAfM-Richtlinie die maximal zulässige Wandlänge in Abhängigkeit von der Wanddicke und -höhe sowie dem Einbaubereich in Tabellen abgelesen werden. Für das Bauen in erdbebengefährdeten Gebieten ist zu prüfen, ob in den entsprechenden Normen weitere Hinweise zur Ausführungsart des Deckenanschlusses gegeben werden.

Nichttragende Trennwände in Ausbau und Nutzung

Für den anschließenden Innenausbau sollten den Gewerken Vorgaben für die Integration der eventuell vorgesehenen Installationen und Leitungen gemacht werden. So dürfen Schlitze beispielsweise nicht gestemmt werden, sondern sind mit geeigneten Geräten zu sägen oder zu fräsen, um das Gefüge des Mauerwerks nicht zu zerstören. Die Schlitze können sich auf den Brand- und Schallschutz sowie die Standsicherheit der Trennwand auswirken. Ihre Anordnung sowie die zulässigen Längen, Breiten und Tiefen sind darum in DIN 1996-1-1/NA geregelt (5). Auch hierfür wird der Deutsche Ausschuss für Mauerwerk e.V. mit der DAfM-Richtlinie Nr. 2 (6) eine praxisnahe Anwenderhilfe publizieren. Sie beschreibt u. a., welche Schlitze und Aussparungen ohne gesonderten Nachweis und ohne Schwächung des Feuerwiderstands zulässig sind.

Ein weiteres Thema im Rahmen des Ausbaus können Konsollasten sein, die durch an der Wand aufgehängte Gegenstände entstehen. Trennwände müssen nach DIN 4103-1 so ausgebildet sein, dass sich leichte Konsollasten bis 0,4 kN/m Wandlänge und mit nicht mehr als 0,3 m Hebelarm an jeder Stelle der Wand mit geeigneten Befestigungsmitteln anbringen lassen. Damit sind die normalen Gegenstände der Wohnungseinrichtung wie Bilder, Bücherregale oder kleine Wandschränke abgedeckt. Größere Konsollasten sind gesondert nachzuweisen.

In der Gebäudenutzung profitiert der Bewohner von der soliden und robusten Bauweise mit nichttragenden inneren Trennwänden aus Mauerwerk durch eine hohe Nutzungsflexibilität. Etwa beim Verändern der Wohnungseinrichtung und damit verbunden der wechselnden Anordnung wandhängender Lasten oder auch bei der optisch unauffälligen nachträglichen Installation von Leitungen „unter Putz“, wie sie mit der zunehmenden Digitalisierung auch des Privatlebens künftig häufiger zu erwarten ist.

Der Investor hat bei Mauerwerksgebäuden den Vorteil, eine durchgängig massive Bauweise anbieten zu können, die ein hochwertiges Qualitätsmerkmal und Entscheidungskriterium beim Erwerb von Wohneigentum ist. Diese Qualität auch tatsächlich herzustellen, wird für ArchitektInnen und bauleitende IngenieurInnen einfacher, wenn sie nichttragende innere Trennwände verwenden, die die Homogenität mit dem Tragwerk wahren und damit für eine klar strukturierte Gewerkezuordnung sowie eine unkomplizierte Baustellenorganisation sorgen.

Literatur

(1) DIN EN 1991-1-1/NA:2010-12 Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter – Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 1-1: Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke – Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau

(2) DIN 4103-1:2015-06 Nichttragende innere Trennwände – Teil 1: Anforderungen und Nachweise

(3) DAfM-Richtlinie Nr. 1 Nichttragende innere Trennwände aus Mauerwerk; Verlag Ernst & Sohn, Berlin, Dezember 2019, 24,90 Euro

(4) Kirtschig, K.; Anstötz, W.: Zur Tragfähigkeit von nichttragenden inneren Trennwänden in Massivbauweise, in: Mauerwerk-Kalender 1986; Verlag Ernst & Sohn, Berlin

(5) DIN EN 1996-1-1/NA:2019-12 Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter – Eurocode 6: Bemessung und Konstruktion von Mauerwerksbauten – Teil 1-1: Allgemeine Regeln für bewehrtes und unbewehrtes Mauerwerk

(6) DAfM Richtlinie Nr. 2: Schlitze und Aussparungen in Mauerwerk; Verlag Ernst & Sohn, Berlin, in Vorbereitung

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