Monolith im Stadtraum

VBZ Busgarage und ERZ Werkhof, Zürich/CH

Pool Architekten bauten gemeinsam mit den Ingenieur-
Innen von Schnetzer Puskas einen Infrastrukturbau, der seinesgleichen sucht. Der Neubau in Zürich dient zum einen als Einstell- und Werkhalle der Verkehrsbetriebe und zum anderen als Werkhof der Stadtreinigung. Nicht nur die Ausführungsqualität, auch die geschickte Integration des Tragwerks zeugen von Sorgfalt bei der Planung.

Mit dem Neubau für die Busgarage der Verkehrsbetriebe Zürich und für den Werkhof der Stadtreinigung in Zürich heben pool Architekten und Schnetzer Puskas Ingenieure das Thema Infrastrukturbau auf eine neue Ebene. Nicht nur strahlt das monolithische Betongebäude eine ruhige Schönheit aus, auch im Inneren wird klar gemacht, dass Bewirtschaftung und Reinigung nicht einhergehen müssen mit sterilen, rein funktionalen und unwirtlichen Räumen. Der Wert, den die beteiligten PlanerInnen und Ausführenden dem optischen Eindruck bei hoher Funktio­nalität und kompakter Bauweise beimessen, ist groß. So ist es nicht nur gelungen, die Bauvolumen geschickt über- und nebeneinander zu stapeln, sodass viel weniger des wertvollen Baulands beansprucht wird als ursprünglich angenommen. Auch schafft die klare Tragwerkskonstruktion, bei der sich die PlanerInnen mit roh geschaltem Ortbeton, Stahlfachwerkträgern im Sheddach und Holzpaneelen auf ein Minimum an Materialien beschränken, eine starke und eindeutige Haltung nach außen und in die heterogene Bestandsumgebung hinein.

Anzunehmen, dass die Stadt hier eigentlich nur einen geschützten Abstellort für Busse sowie einen einfachen Werkhof mit Verwaltungstrakt und keine starke Architektur gebraucht hätte, ist ein Fehlurteil. Bereits in der Ausschreibung, die das Amt für Hochbauten 2015 durchführte, standen neben den klassischen Kosten- und Unterhaltsanforderungen bereits der architektonische Ausdruck, die Materialisierung und die damit einhergehende Identitätsstiftung im Vordergrund. Nachdem pool Architekten und Schnetzer Puskas Ingenieure den Wettbewerb für sich entscheiden konnten, kamen auch die Anforderungen der Nachhaltigkeitsstelle der Stadt ins Spiel, weshalb sie für den gesamten Bau ausschließlich Recyclingbeton einsetzten – was in der Stadt Zürich seit 2005 für alle öffentlichen Gebäude vorgegeben ist.

Stapeln für den freien Raum

Indessen steigt der Bedarf an Infrastrukturflächen in Zürich, denn bis 2030 rechnet die Stadt mit 30 % mehr Fahrgästen im ÖPNV. Flotte und Abstellanlagen werden daher ausgebaut, und das stetig in mehreren Stadtteilen. Das Gebäude an der Bullingerstraße dient den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) als Busgarage sowie der Stadtreinigung Entsorgung & Recycling Zürich (ERZ) als Werkhof und Büro. Für das Baugebiet ein mehrfacher Gewinn: Mit der Kombination beider NutzerInnen kann auf ein sanierungsbedürftiges Werkhofgebäude in der Nachbarstraße verzichtet werden und die überbaute Fläche ist minimiert.

Während die Busse am Abend in die offene Halle des Erdgeschosses fahren und sich hinter ihnen die metallischen Schiebetore schließen, haben die Fahrzeuge der Stadtreinigung ihre Stellplätze und Wartungsanlagen im überhohen Untergeschoss. Das ist zweigeteilt: Ein Bereich dient den Angestellten als Parkplatz, der größere Teil nimmt Waschanlagen für die Räum- und Reinigungsfahrzeuge, Werkstatt- und Lagerflächen auf. Die unteren Wandflächen haben die ArchitektInnen mit jenem Gelb streichen lassen, das auch die Fahrbahnen und Flächen am Boden markiert. «Mit dem Gelb erweitern wir den Horizont im Raum, das dunklere Grün an den Betonstützen und -säulen setzt dazwischen vertikale Akzente», so pool Partner Andreas Sonderegger.

Schöne Räume statt reiner Funktio­nalität

Als Zufahrt zum Untergeschoss wird über einen seitlichen Stich platzsparend die für die benachbarte Halle bestehende Rampe genutzt. Die MitarbeiterInnen hingegen kommen direkt über Metallgitter-Treppen zum Ausgang und in die Büros im ersten Obergeschoss. „Während die Einstellhalle für die Busse lediglich frostsicher sein muss, ist der Büroriegel thermisch isoliert“, erklärt Ingenieur Stefan Bänziger von Schnetzer Puskas. Der Trakt mit Büros, Garderoben, Duschen und einem Aufenthaltsraum mit Küche liegt über der Entsorgungsstation quer zur Halle und schließt sie in Richtung Norden ab. Wer am Boden geschliffenen Hartbeton vermutet, liegt falsch: hier finden sich Gneisplatten aus dem graubündnerischen Calanca-Tal von einem der letzten industriellen Arbeitgeber in der Berg­region. Als Wand- und Deckenverkleidung kommen helles Bauholz und gelbrötliches Seekieferholz zum Einsatz. Bis ins Detail setzen die ArchitektInnen auf schlichte Optik und hervorragende Verarbeitung – so sind selbst die Böden der Duschen mit gröber belassenem Gneis gestaltet und die Abflussrinnen aus dem Stein ausgeschliffen. „Es ist wichtig, dass das Thema Entsorgung nicht gleichsetzt, dass die Gestaltung spitalartig nüchtern ist“, so Architekt Sonderegger. „Wir wollten eine wohnliche Atmosphäre schaffen für alle, die hier arbeiten“.

Ein schmaler, begrünter und dank Betonlamellen schattiger Innenhof führt neben dem Korridor bis vor zum Aufenthaltsraum, der den Büroriegel abschließt. Aus diesem blickt man durch ein rundes, großes Fenster direkt auf das Letzigrundstadion nebenan. „Strukturell hat uns die Nachbarschaft schon inspiriert – eine kühne, einfache Tragstruktur mit großen Spannweiten“, meint der Architekt beim Blick aus dem Fens­ter. „So haben wir die Bauaufgabe auch genutzt, die Struktur als Fassade zu inszenieren“.

Maximale Ausnutzung der Hallenfläche

Die Konstruktion der 55 x 70 m großen Halle funktioniert dabei ganz ohne Stützen in der Nutzfläche, sodass der vorhandene Raum maximal ausgenutzt werden kann. Bei der Errichtung des Betonbaus mussten dafür die Umfassungswände zunächst mit Schrägsprießungen gehalten werden, bis das stabilisierende Stahlfachwerk des Dachs montiert war. Trotz seiner Dimension wirkt das Dach mit den Fenstern des Sheddachs filigran. Anspruchsvoll aber war die ungewöhnlich große Spannweite, zeigt Ingenieur Stefan Bänziger: „An den Verbindungen und den Verschraubungen sieht man, welche Kräfte im Dachtragwerk wirken. Die überhöhten Fachwerkträger kompensieren die Durchbiegung und gewährleisten dabei die Dachentwässerung“.

Ein Teil des Grauwassers wird in einem Tank gesammelt und für die Reinigung der Fahrzeuge genutzt. Kompakt ist im Projekt die Fügung der einzelnen Funktionen im Gebäude geglückt, denn auch der Muldenbereich ist in einem tiefer gelegenen und abschließbaren Teil unter dem Büroriegel eingefügt. Das Streusalz-Silo am östlichen Ende des Büroriegels ist mit seinen gut 20 m Höhe zum integrierten Hochpunkt des Neubaus geworden.

Sorgfalt im Detail

Die Sichtbetonsprache des Gebäudes hat ihre Vorbilder und findet sich sowohl an der benachbarten Einstellhalle aus dem Jahr 1969 (Casetti und Rohrer Architekten, 2020 von Müller Sigrist Architekten instandgesetzt und erweitert) als auch beim Werkschulhaus Hardau (1964) von Otto Glaus in der Nähe. Entsprechend früherer Bautechniken wollten die ArchitektInnen zunächst mit einer liegenden Bretterschalung arbeiten, bei der verwendeten Großflächenschalung, die mit Brettern belegt wird, bot sich jedoch die vertikale Strukturierung an. Über den Baumeister, die Marti AG Bauunternehmung, zeigen sich Ingenieur wie Architekt begeistert, denn mit ihm wurden schließlich sogar ineinander verzahnte Schrägschalungen an den dreieckig nach unten spitz zulaufenden Betonwänden realisiert.

Wirken ins Quartier

Bis auf eine kurze Schräge am Bürotrakt ist die Halle klassisch rechtwinklig. Dadurch steht der Baukörper schräg zur Herdernstrasse, auf die morgens die Busse hinausfahren. Der vorgelagerte, freie Platz wird zukünftig auch, genauso wie die offene Halle, bei Großanlässen im Stadion als Sanitätshilfsstelle temporär genutzt werden. Abgesehen davon können sich Sonderegger und Bänziger auch weitere quartierrelevante Nutzungen in der Halle vorstellen, aber das sei noch Zukunftsmusik. Ortsverbessernd wirkt hingegen heute schon eine kleine und umgesetzte Idee: Statt an der Straße führt der Fußweg an der Bienenstraße direkt am Haus vorbei, wodurch die neu auf dem Grünstreifen gepflanzten Eichen mehr Raum zur Entwicklung haben. ⇥Katinka Corts

Projektdaten

Objekt: VBZ-Busgarage und ERZ-Werkhof

Standort: Zürich/CH

Typologie: Infrastrukturbau

BauherrIn: Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich und Stadt Zürich Immobilien vertreten durch das Amt für Hochbauten, Zürich/CH

NutzerIn: Verkehrsbetriebe Zürich; Entsorgung und Recycling Zürich

Architektur: pool Architekten, Zürich/CH, www.poolarch.ch

Team: Andreas Sonderegger, Maja Markovic, Guido Brandi

Bauleitung: Takt Baumanagement AG, Zürich/CH, www.takt-bm.ch

Baumeister: Marti AG Bauunternehmung, Zürich/CH,

www.marti-zuerich.ch

Bauzeit: 08.2018 – 10.2020

Zertifizierungen: angelehnt an Minergie ECO, nicht zertifiziert

Grundstücksgröße: 6 110 m²

Grundflächenzahl: 0.75

Nutzfläche: 6 230 m²

Technikfläche: 380 m²

Verkehrsfläche: 1 500 m²

Brutto-Grundfläche: 8 500 m² (Geschossfläche gem. SIA)

Brutto-Rauminhalt: 58 350 m³

Baukosten gesamt brutto: 37,05 Mio. €   

Fachplanung

Landschaftsarchitektur: Berchtold.Lenzin Landschaftsarchitekten, Zürich/CH, www.blla.ch

Tragwerksplanung: Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Zürich/CH,

www.schnetzerpuskas.com

TGA-Planung: ahochn AG, Dübendorf/CH, www.ahochn.ch

Akustik: Basler & Hofmann AG, Zürich/CH, www.baslerhofmann.ch

Energieplanung: Basler & Hofmann AG, Zürich/CH,

www.baslerhofmann.ch

Energieberatung: Basler & Hofmann AG, Zürich/CH,

www.baslerhofmann.ch

Kunst und Bau: Ilona Ruegg, www.ilonaruegg.com

Herstellerfirmen

Beleuchtung: Zumtobel,

www.zumtobel.com; BEGA Gantenbrink-Leuchten KG, www.bega.com

Bodenbeläge: Hartbeton: REPOXIT AG, www.repoxit.com; Stein: Alfredo Polti SA, www.alfredopolti.ch

Dach: MONTANA BAUSYSTEME AG, www.montana-ag.ch

Fassade/Außenwand: wellTEC, MN Metall, www.mn-metall.de

Fenster: Sheddach: Forster Profilsysteme AG, www.forster-profile.ch Rundfenster: Schüco International KG, www.schueco.com Hebe-Schiebe-Fenster: GUTMANN Bausysteme GmbH, www.gutmann.de

Möbel: Lista Office LO,

www.lista-office.com; Richard Lampert GmbH & Co KG,

www.richard-lampert.de; Wilde + Spieth Designmöbel GmbH & Co. KG, www.wilde-spieth.com; Seleform AG, www.seledue.ch

Tragwerk, Gestalt und Funktion sind hier in höchstem Maß miteinander vereint. Anders als sonst üblich wurde die Fassade nicht nur vor die Decke gesetzt, sondern trägt auch die gesamte Dachkonstruktion – was sich auch auf die Montage und den Bauablauf auswirkte. Dank der ganzheitlichen Betrachtung des Bauwerks durch die Tragwerksplaner gelingt ihnen eine monolithische Bauweise in Sichtbeton mit hoher Ausführungsqualität.« DBZ Heftpartner TRAGRAUM, Nürnberg

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