Schlossfreund Stephan Braunfels, Berlin

Man könnte sagen, dass wir alle zusammen keine Schlösser mehr brauchen. Also Schlösser, die es nicht mehr gibt, die auf natürliche Weise verschwunden sind (Verfall oder Zerstörung, gerade letztere gehört untrennbar zum Schicksal von Schlossbauten). Diese verschwundenen Schlösser sind nicht - und das kann man nicht oft genug schreiben - Fehlstellen in Stadt- oder Landschaftsgebilden. Sie haben - und auch das gehört zu ihrem Wesen - ihren festen Platz in nationalen, gerne auch nationalistischen Mythenlandschaften. Und dort sind sie ein wichtiger Teil nationaler Geschichte, wenn man davon ausgeht, dass sie während ihrer Lebenszeit Bedeutung erlangt haben. Natürlich darf man heute immer noch Schlösser bauen, und wer aktuelle Neubausiedlungen studiert, wird hier das eine oder andere Schloss ausfindig machen können: rudimentär aber fantasievoll, hilflos eklektisch und, weil viel zu wenig im Öffentlichen, als Schloss schier bedeutungslos.

Es ist ja nicht so, dass wir nicht ein paar schöne Schlösser haben. Schöne Schlösser,  denn phänotypisch haben Schlösser immer schön zu sein, aus Marketingsicht sind sie immer berühmt und immer Superlativ. Oder Pflaster für die schlimmsten Wunden im Stadtgefüge.

Central Parc oder lieber doch Abrechnung?

In Berlin, der Deutschen Bundeshauptstadt mit schlimmster Wunde im Herzen, wollten unsere Volksvertreter ein Schloss wieder haben. Es sollte dort, wo es einmal gestanden hatte vor seiner Bombardierung und anschließenden Sprengung, ein Stück Geschichte übertünchen helfen und an einem Stück Geschichte anknüpfen, die man als längst überwunden angesehen hatte. Und wäre auf den Kellerruinen des Schlosses nicht ein Volkspalast von den so genannten Kommunisten gebaut worden, vielleicht wäre die Leerstelle längst der Central Parc geworden, dem die Stadt New York Geschichten, zumindest zwei wunderbare Filme, zahllose künstlerische Interventionen und natürlich jede Menge Mythologie zu verdanken hat. Dass ein solcher Affront weg musste, war klar.

Unfähige Architekten? 2. Auftritt Braunfels

Es gab einen Wettbewerb vor dem Wettbewerb, der Rekonstruktion zum Inhalt hatte, mit Vorgaben von irgendwie historisch de­terminierten Bildern. Dieser Wettbewerb,
darüber sind sich heute die meisten einig, brachte keine befriedigende zeitgenössische Lösung. Weil keiner der Teilnehmer damals daran geglaubt hatte, es zu können?

Viele dieser damals gescheiterten Architekten machten dann beim Rekonstruktionswettbewerb 2007 mit. Und auch hier scheiterten eigentlich alle, keinem Büro gelang es, die Jury eines Besseren zu belehren, zu überzeugen. Unfähige Architekten?

Einer von denen, die hier scheiterten trotz ihrem Ja zum Castellunculus war der Architekt Stephan Braunfels. Historische Fassaden, Kuppel, die ganzen Schlossäußerlichkeiten hatte der Mann seinem Entwurf beigemengt, allein es nutzte ihm nichts: Sein Entwurf flog raus. Er hatte die Ostfassade, die in der Wettbewerbsauslobung zeitgenössisch gestaltet werden sollte, weggelassen und dort, wo andere brav Bürofassadentypologien deklinierten und freie Interpretationen der vielschichtig gewucherten Originalfassade von 1950 ablieferten, eine Art zweigeschossiger Pergola mit stilisiertem Mittelrisaliten platziert. Damit nicht genug, er drehte den Hof um 180 Grad, womit die eigentliche barocke Prunkfassade nun aus dem geöffneten Hof nach Osten schaute.

Jetzt, wahrscheinlich weil Stehpan Braunfels so schön im Schwunge ist – siehe seine aktuellen Vorschläge für die Bebauung und Neuordnung des Kulturforums, DBZ 10/2013,
S. 12 – hat er den Hof komplett geöffnet.

Profilneurose eines Architektur-Rentners?

Diese Geste der Öffnung, dieses eigentlich kluge Willkommen in Richtung Osten wurde besonders übel aufgenommen. Die Reaktionen auf die Attacke gegen den Entwurf Franco Stellas waren abweisender Natur, aus der Kollegenschaft verstieg sich mancher zu „Profilneurose eines Architektur-Rentners“, es gab die „Kulissenschieberei“ und die „endgültige Zerstörung der Geschichte dieses Ortes“. Was Letzteres natürlich Quatsch ist, denn Geschichte ist immer Fortgang, niemals Stillstand. Dass Braunfels Kulissenschieberei betreibt ist richtig, sie hat aber effektvollere Konsequenzen als die Kulissenbasteleien, die der Wettbewerb von den Teilnehmern forderte.

Geld spielt keine Rolle. Was dann aber?

Dass der Braunfels-Vorschlag Geld spare – so jedenfalls sein Schöpfer – kann nicht das Argument sein, denn bei der Schlosswiederherstellung spielt Geld die unwesentlichste Rolle. Dass der Vorschlag der ganzen Veranstaltung die Souveränität gäbe, endlich dem krampfhaften Festhalten an nicht hinterfragten Bildern vom schönen Echten die Sehnen und damit den hilflos einfallslosen Griff zu lockern, darf vermutet werden. Vermutet werden kann auch, dass Stephan Braunfels Aufruf als unkollegiales Nachtreten interpretiert wird. Dabei wäre ja, wenn man sich mehr Zeit gegeben hätte, mehr drin gewesen: unbedingte Zeitgenossenschaft gegen alles Neuschwansteinsche. Aber Zeitgenossenschaft, liebe Architekten, trauen wir uns wohl nicht mehr zu. Schade? Schande. Be. K.

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