Sanierung Umlauftank 2, Berlin

Die größte Leistung einer denkmalgerechten Sanierung, so HG Merz im Gespräch mit der DBZ (s. S. 8f.), bestehe ja nun darin, dass im optimalen Fall am Ende niemand sehe, dass etwas getan wurde. Diese scheinbar so logische und nachvollziehbare These ist nun eben eine solche: eine These. Und mit Blick auf die Denkmaldiskussionen in
den letzten – ich schreibe mal ruhig 100 – Jahren ist die Beschreibung dieser Haltung auch eher ein Glaubenssatz. Denn natürlich stellt sich bei jeder Arbeit, die der Erhaltung eines Bauwerks dient, die Frage nach dem Originalzustand, den es zu erhalten gilt.

Der Umlauftank 2, auch „UT 2“ genannt, der nahe dem Berliner Zoo auf einer künstlich aufgeschütteten Insel seit 1974 steht, wirft diese Frage auf. Äußerlich schon seit Jahren durch Witterungseinflüsse und schlechte Pflege stark angegriffen – Farben verblichen, Korrosion der Fassadenelemente und Beschädigungen der PU-Dämmschichten auf der Wasserröhre etc. – verlangte der Ingenieurbau nach Instandsetzung, nach Rettung vor dem Verfall. Da er nun aber als Neubau vor nun mehr als vierzig Jahren extrem bunt war: Wie damit umgehen, wenn man die Sanierungsarbeiten nicht sehen soll?

„Rosa Röhre“

Der „UT 2“ besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: einer ringförmi­gen, 120 m langen Stahlröhre und einem über diese Röhre gestellten Kasten, der von ihr unten aufgeschnitten wird. Das in der Laborhalle verborgene Röhrensegment ist dort offen, um hier Bootsrümpfe und Schrauben und andere Körper einer Wasserströmungsgeschwindigkeit auszusetzen, die bis zu 10 m/sek groß werden kann.

Die in den späten 1960er-Jahren vom Wasserbauingenieur Chris-tian Boës für die Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau VWS entwickelte Anlage diente seit ihrem Bau schiffstechnischen Modellversuchen in einem steten Wasserstrom. Dass der „UT 2“ heute so aussieht, wie er aussieht, verdankt er dem Architekten Ludwig Leo (1924 – 2012), der 1967 in die Planungen einbezogen wurde. Leo, dem die künstlerische Oberleitung übertragen worden war, spielte diese Position wortwörtlich aus: Da mit den ingenieurtechnischen Vorgaben das Meiste vorbestimmt war, tobte er sich auf der Farbenpalette aus. Mit ein Grund dafür, dass den meisten Berliner die „Rosa Röhre“ ein Begriff ist. Was nicht heißt, jeder wüsste auch, was in diesem Gebäude auf der Schleuseninsel gemacht wird.

Ob nun russischer Konstruktivismus, Rationalismus oder Pop-art, der sanierende Architekt HG Merz ist sich sicher, dass Leo mit diesem Bau provozieren wollte: Direkt an der ehemaligen Charlottenburger Chaussee, die von den deutschen Faschisten als Aufmarschstraße
erweitert wurde und mit knapp 4 km Länge und zahlreichen Achsen-monumenten noch immer einen ausgeprägt imperialen Charakter hat, entwickelt die auch heute noch – oder heute wieder – auffallend bunte Bauskulptur zwiespältige Gefühle, deren Entstehungsgründe man durchaus tief in der eigenen Architektenseele suchen sollte.

Propulsions- und Kavitationsversuche

Die Wüstenrot Stiftung habe ihn vor Jahren angerufen und ihn, HG Merz, gefragt, was er der Stiftung denn für ein Projekt zur Rettung vor dem Verfall nennen könnte. Merz musste – eigenem Bekunden nach – gar nicht lange nachdenken, ihm kam gleich „der Leo“ in den Kopf. Die Stiftung, die sich auf den Erhalt von jüngeren Architektur-ikonen spezialisiert hat, stellte nach dem Abschluss eines ersten Gutachtens 3,5 Mio. € für die Sanierung zur Verfügung. Dabei war allen Seiten klar, dass der „UT 2“ seine Funktion als Teststrecke für Pro­pulsions- und Kavitationsversuche mit bis zu 10 m langen Schiffsmodellen behalten sollte. Nicht ganz klar war, ob die Röhre unter der PU-Dämmschicht verrostet und also reparaturbedürftig sei und auch, ob die Fassadenplatten – zwei Bleche mit 20 mm Dämmschicht dazwischen – zu reparieren wären.

Pflegeplan

Die Röhre war intakt, hier sollte aber der handwerkliche Auftrag der Dämmschicht als solcher erhalten bleiben: Es wurde nur repariert, gesäubert, gestrichen. Bei den Fassadenplatten gab es anfangs Versuche, diese zu retten, doch schnell war klar, dass das nur mit größtem Aufwand möglich wäre. Und weil die Platten noch produziert werden, wurden die alten abgenommen, die neuen aufgebracht. Und in dem Farbton gestrichen, den man, vor Sonnenlicht geschützt, unter den Schraubenköpfen der Bestandsplatten fand.

Damit das, was die Sanierer in handwerklich aufwendiger Arbeit wiederherstellten, auch noch in den nächsten 20 Jahren erhalten bleibt, wurde ein detaillierter Pflegeplan erstellt. Der versetzt die TU Berlin als Hauptnutzer in die Lage, das zu verhindern, was jahrelange Missachtung einfachster Instandhaltungsregeln erzeugte: Verfall. Die Absicht, den Bau für die Öffentlichkeit zu öffnen – Führungen nach Anmeldung – dürfte diese Mechanismen stützen. Denn: Wer empfängt schon Gäste im heruntergekommenen Wohnzimmer?! Be. K.

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