Eine Ikone, die es zu retten galtIm Gespräch mit HG Merz, Berlin

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Jetzt steht der „Umlauftank 2“ von Ludwig Leo wieder so da, wie er wohl nach der Schlüsselübergabe 1974 dastand: ultramarinblau mit stehender, gestauchter, rosafarbener Ringröhre. Ein Technikgebäude, das es in sich hat (s. dazu S. 11), das über seine Farbigkeit und skulpturale Form auch eine starke Außenwirkung entfaltet. Nach einigen Jahren Sanierungsarbeit und von der Wüstenrot Stiftung finanziert, steht der Bau seit diesem November wieder selbstbewusst am Landwehrkanal. Was wir auch dem Büro HG Merz zu verdanken haben. Mit HG Merz sprachen wir über das Besondere der Bauaufgabe und auch über das, was er an Ludwig Leo bewundert.

Lieber Herr Merz: Ist Rosa das neue Schwarz in der Architektur?

HG Merz: Wenn Sie sich mein Jackett anschauen, könnten Sie ahnen, dass Farbe durchaus in der Architektur angekommen ist! Aber im Ernst: Sauerbruch Hutton machen doch schönste Farbarchitekturen, die auch Sinn machen und nicht bloß ein Griff in den Farbeimer sind. Das ist bei den zahlreichen Epigonen ganz anders …

Aber Rosa?! Hat Sie das nicht zum Übermalen gedrängt? Innerlich, im tiefsten Architekteninneren?

Nein, überhaupt nicht. Für mich ist die rosafarbene Röhre schlicht ein starkes Statement, das man auch so lassen muss, Denkmalschutz hin oder her.

Aber gab es um die Farbrestaurierung nicht auch Streit, wenigstens Diskussionen?

Doch, die gab es. Als wir hier anfingen, waren die Farben ja extrem verblasst und natürlich stellte sich schnell die Frage, auf welchen Farbzustand hier zurückgegangen werden sollte. Also, ob wir die ursprüngliche, sehr kräftige Farbigkeit wollten oder die, die wir nach etwa vierzig Jahren vorgefunden haben. Wir hätten hier neue Paneele aufbringen und die dann auf alt trimmen können. Aber das wäre albern, denn sie wären ja neu gewesen.

Im Gegensatz zur patinierten Steinfassade – bei der Alten Nationalgalerie beispielsweise – sind die Fassadenelemente hier beschädigt, teils irreparabel gewesen. Ich erinnere mich, dass sich Kollegen im Beirat die Nackenhaare gesträubt haben, als ich forderte, die Fassadenhaut müsse wieder so kräftig blau werden, wie sie einmal war: ultramarinblau und die Röhre rosa. Ich fand das von Anfang an richtig. Und die Vorstellung, das könne wieder so bunt im Stadtraum stehen, hat mir sehr gefallen!

Ludwig Leo wollte mit seiner Pop-art-Skulptur auch provozieren. Ist das mehr als eine bloße These von Ihnen?

Ich interpretiere das vielleicht bloß. Aber schauen Sie sich seine Zeichnungen zu diesem Projekt an. Sie zeigen, dass Leo das Charlottenburger Tor in die Ansichten mit hineingenommen hat, wofür er schon sehr in die Panoramaansicht gehen musste. Was er damit sagen will: „Schaut her, mein Bau ist höher!“ Das ist klar ein Statement gegen den imperialen Auftritt von Tor und Achse direkt daneben, mit dieser Farbigkeit, der ungewöhnlichen Skulpturierung, dieser ganzen Lautstärke. Fast habe ich das Gefühl, hier streckt ein „Monument“ der monumentalen Achse die Zunge heraus!

Wie gut ist das Gebäude dokumentiert?

Es gibt den kompletten Plansatz im Archiv der TU, es gibt Skizzen. Und es gibt eine hervorragende Promotion zu Leo insgesamt. Leider ist er verstorben, als wir gerade mit der Planung begonnen haben.

Wie kam HG Merz zum Sanierungsprojekt?

Philipp Kurz [Geschäftsführer der Wüstenrotstiftung; Be. K.] kenne ich noch aus der Zeit, als wir die Alte Nationalgalerie gemacht haben. Dann haben wir viele Projekte aus den 1950er- und 1960er-Jahren saniert, bearbeitet, ertüchtigt und Philipp Kurz wusste darum. Vor einigen Jahren schließlich fragte er mich, was ich der Stiftung empfehlen könnte, hier in Berlin. Da mußte ich gar nicht lange überlegen, ich schlug ihm gleich den Leo hier vor. Für mich ohne Zweifel eine Ikone, die es zu retten galt.

Wir sollten dann eine Machbarkeitsstudie liefern. Mir war damals schon klar, um was es ging: Hier sollte eine reine Sanierung erfolgen, die Nutzung mußte/konnte erhalten bleiben. Wolfgang Lorch [damals Wandel Hoefer Lorch; Be. K.] hatte hierzu eine Entwurfsaufgabe für seine Studenten ausgegeben. Die haben das alle einfach umgenutzt! Aber das sollte ja nicht sein, es ging allein um Reparatur und nicht darum, dass ich mich als Architekt darstellen kann.

„hg merz museumsgestalter“ kommt mir da in den Sinn. Das klingt doch sehr nach kreativem Anspruch, oder?

Stimmt genau, nur muss das Kreative hier so gelenkt werden, dass die Sanierung am Ende ein funktionierendes Gebäude liefert, man die Eingriffe aber bitte bloß nicht sehen darf.

Von außen gesehen, sieht man den Eingriff aber doch!?

Wenn ich an meinen Motorrädern herumschraube, mache ich das in erster Linie, weil mir das Spaß macht. Ich möchte die Technik funktionsfähig machen, sie optimieren und keine blöden Applikationen anschrauben. Ich habe kein Problem damit, den Konkubinator für einen gestorbenen Architekten zu machen. Ich habe mit Ben van Berkel, mit Daniel Libeskind und anderen gearbeitet … Ich bin schlicht an der Auseinandersetztung mit einer Sache interessiert und ich muss nicht in jeder Ecke meine Duftmarke setzen.

Klingt nach Pragmatismus, aber Sie machen ja auch eigene Projekte.

Wichtig ist, dass ich etwas außergewöhnlich, sehr gut finde. Dann mache ich auch etwas dafür, ohne mich im Vordergrund zu sehen.

Welchen Stellenwert hat die Röhre im Œuvre von HG Merz?

Für mich ist das hier ganz wichtig. Ich hatte zu diesem Bau schon immer eine sehr emotionale Bindung. Und dass wir uns nach vierzig Jahren damit beschäftigen können, ihn für die kommenden 15 oder 25 Jahre gehfähig machen zu können, ist wunderbar.

An welcher Stelle hier im Gebäude war es richtig schwierig?

Schwierig war es, alle Beteiligten, vor allem die Denkmalschützer, unter einen Hut zu bekommen. Auch den Beirat! Wenn wir „normale“ Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, selbst aus den 1950er-Jahren haben, dann sind die Schäden meist übersichtlich. Hier aber hatten wir so viele unterschiedliche Baumaterialien und extreme Konstruktionen, dass wir immer vor der Frage standen: Wie gehen wir damit um? Zum Beispiel bei der Röhre: Alles herunterreißen und neu machen? Das wäre vielleicht besser gewesen, aber wäre es noch das Original? Und was ist der Wert des Originals? Bei der Beschichtung der Röhre haben wir ja tatsächlich Handarbeit vor uns! Vielleicht waren die nicht selten philosophisch geführten Gespräche deshalb so schwierig, weil sie Grundsätzliches verhandelt haben für Bauten aus dieser Zeit und mit diesem handwerklichen Anteil.

Das alles klingt schwer nach Grundsätzlichem. Was hat HG Merz aus diesem Projekt für die weitere Arbeit mitgenommen?

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir noch einmal ein solches Projekt bekommen würden …

… um dann etwas anders zu machen?

Nein, nichts anders machen. Warum!? Wir lernen aus so vielen Projekten für die vielen, die hier noch kommen. Hoffentlich! Wir hatten ja den Lehmbruck in Pforzheim, 1960er-Jahre, und natürlich die Staatsoper, 1950er … Es geht doch immer um Zeitzeugnisse! Und da ärgert es mich, wenn das Feuilleton fragt, ob es sich denn überhaupt lohne, in ein so billiges DDR-Produkt – ein Trabi gleichsam – einen Rolls-Royce-Motor einzubauen. Totaler Quatsch, wir haben einen E-Motor eingebaut und keinen Zwölfzylinder. Und ich glaube, man darf auch nicht vergessen, dass ein solches Haus damals für die Gesellschaft eine große Anstrengung war, die man auch würdigen muss!

Man kann natürlich alles abreißen und neu bauen, aber damit verlieren wir Authentizität. Wir brauchen diese Dinge, die identitätsstiftend sind. Manche sind wertvoller, manche weniger. Das hier ist ein schlichtes, technisches Gebäude. Aber jeder Berliner kennt es, es gehört zur Lebenszeit vieler, vieler Menschen einfach dazu.

Wie die Kirchen?

Ja. Nur viel pragmatischer. Sie müssen hier einfach mal auf die Toilette gehen … Spätestens dann verstehen Sie, was ich meine.

Haben die Kosten am Ende gepasst?

Ja, die haben gepasst. Auch weil – das ist vielleicht jetzt böse – hier keine Behörde involviert war. Dann geht alles tatsächlich viel leichter.

Ludwig Leo. Was ist der Mann heute für Sie?

Er war mir immer schon sehr wichtig. Er hat sich um niemandes Meinung gekümmert. Ihm war wichtig, dass er machen konnte, was er meinte, was richtig war. Ich bewundere seine Konsequenz, die ich auch bei Peter Zumthor bewundere. Allerdings war Leo kein Architekt für Hochglanzblätter, das hat ihn nicht interessiert.

So wie Sie?

Na ja … Nehmen Sie die Barenboim-Said Akademie, die wir mit Gehry gemacht haben, da steht überall Frank Gehry drauf … egal. Ich muss mit mir zufrieden sein und ich bin immer zufrieden, wenn mich keiner erkennt. Dann kann man doch eher machen, was man will.

Mit HG Merz unterhielt sich DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 23. November 2017 ganz oben im von ihm und seinem Team frisch sanierten Umlauftank 2, einem so gar nicht pragmatisch daherkommenden Technikbau von Ludwig Leo (1924-2012)

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