Rationales und Intuitives miteinander
verweben
Allmann Sattler Wappner .  Architekten



Die Grundlage für die Liebe zum Detail und zum sinnlichen Umgang mit Oberflächen legten die Architekten lange vor der Bürogründung. Eine wichtige Erkenntnis aus den frühen Tagen ist, dass jedes Thema ein relevantes Thema ist. Ihr Interesse gilt den elementaren Bausteinen der Architektur: Material, Licht, Farbe, Raum.

Die Lage an einer Prachtstraße zwischen Königsplatz und Nymphenburger Schloss, ein ehemaliges Fabrikgebäude mit Ziegelfassade, elegantem Stahl-Glas-Dachaufbau und loftartige Innenräumen – hier könnte sich auch das Büro eines jener Dreibuchstaben-Architekturbüros befinden, die vor Jahrzehnten allerorten ihren Weg in die immer mehr von Immobilienunternehmen dominierte Bauwirtschaft fanden. Die Münchener Architekten Allmann Sattler Wappner, deren rund 60 Mitarbeiter aus aller Welt sich auf drei Etagen in eben jenem Gebäude verteilen, hielten hingegen von Anfang an nichts von der Reduzierung auf die drei naheliegenden Buchstaben ASW. Sie betrachteten sich als „inhabergeführtes“ Büro, deren Geschäftsführer nicht nur in der Architektur, sondern auch im Büronamen und einer eher sperrigen Internetadresse präsent bleiben sollten. International bekannt wurden die drei Architekten und ihr 1993 gegründetes Büro zweifellos mit der 2000 eingeweihten Herz Jesu Kirche in München. Mit seiner umlaufenden Glasfassade und den riesigen Eingangsportalen bildete dieser Bau den Auftakt für das spätestens nach der Allianz-Arena und der BMW Welt stetig gestiegene Interesse an Münchener Architektur und begründete zugleich den Ruf von Allmann Sattler Wappner als Büro für gleichermaßen akribisch durchdachte wie unerhört feinfühlige Gebäude. Hier standen die Ausbildung feiner Fassadendetails und die Integration von Kunstwerken ebenso im Mittelpunkt wie die Fragen, wie es gelingen kann, auf eine Klimaanlage zu verzichten oder gleichzeitig Transparenz und Kontemplation zu ermöglichen. Diese Vielschichtigkeit verschmolz zu einer unzertrennbaren Einheit.

Jedes Thema ist ein relevantes Thema

Die Grundlage für diese Liebe zum handwerk­lichen Detail und zum sinnlichen Umgang mit Oberflächen legten die Architekten lange vor der Bürogründung, als sie nach dem Studium in München vor allem kleinere Bauaufgaben und Inneneinrichtungen planten, deren Realisierung sie jeweils von Anfang bis Ende begleiteten. Eine wichtige Erkenntnis dieser Tage ist, dass jedes Thema ein relevantes Thema ist. Wird diese Auseinandersetzung auf allen Ebenen der Planung im Tagesgeschäft großer Architekturbüros oft durch bewährte Standardlösungen ersetzt – für Allmann Sattler Wappner ist sie bis heute selbstverständlich geblieben.

Dass das Büro inzwischen über einen nahezu unerschöpflichen Pool an Ideen und Konzepten verfügt, hat damit zu tun, dass es seine Aufträge vor allem über unterschiedlichste internationale Wettbewerbe akquiriert. „Ohne die Struktur des offenen Wettbewerbs gäbe es unser Büro nicht“, sagen die Planer. „Während es heute fast nur noch beschränkte Verfahren gibt, die junge Architekten ausschließen, war es damals noch möglich, seinen Lebensunterhalt mit kleineren Projekten zu finanzieren, um dadurch bei großen Wettbewerben teilzunehmen.“ Für die Architekten führte dieser Weg offensichtlich zum Erfolg: Sie konnten zahlreiche Konkurrenzverfahren für sich entscheiden, das Büro vergrößern und immer wieder neue viel beachtete, publizierte und mit Preisen ausgezeichnete Projekte realisieren.

Beispielsweise den Sitz von Südwestmetall, dem Verband der Metall- und Elektroin­dustrie in Reutlingen. Hier ordneten sich drei kleinmaßstäbliche Baukörper mit Satteldach erst dem städtebaulichen Gefüge unter, um es dann ironisch und subversiv mit seiner glatten, im Erdgeschoss stark ornamentierten Edelstahlfassade wieder zu konterkarieren.

Schnell wurde klar, dass der rote Faden der Allmann-Sattler-Wappner-Projekte nicht in einer durchgängigen Architektursprache liegt. Ihr Interesse galt vielmehr den elementaren Bausteinen der Architektur: Kontext, Material, Licht, Farbe, Raum – jeweils akzentuiert so eingesetzt, dass selbst banale Wertstoffhöfe wie Einrichtungen der Hochkultur wirken. Kennzeichnend ist aber immer auch die Lust an der Inszenierung gewisser Überraschungsmomente oder an Details, die erst auf den zweiten Blick auffallen. So sollte beim Haus der Gegenwart, einem 2003 vom Magazin der Süddeutschen Zeitung initiierten, experimentellen Wohngebäude, prototypisch geklärt werden, wie eine Familie mit überschaubarem Budget auf 200 m² Wohn- und 500 m² Grundstücksfläche leben könnte. Ergebnis ist ein vermeintliches „Designerhaus“ mit glatter Fassade aus feuerverzinktem Stahl­blech, das allerdings die Anordnung von privaten Rückzugsbereichen und gemeinsamen Wohnflächen auf den Kopf stellt. Kochen und Wohnen schweben gleichsam in einem Bauvolumen über einer zentralen Freifläche, von der aus die erdgeschossigen Bäder, Zimmer und Gartenbereiche der einzelnen Bewohner erschlossen werden.


„Paralleldenken“ von Rationalem und
Intuitivem

Grundlage allen Schaffens bildet ein Entwurfs­­ansatz, der Rationales und Intuitives engmaschig miteinander verwebt. Dieses „Paralleldenken“ von Kontext und individueller Perspektive führt letztlich zu starken konzeptuellen Ansätzen. „In einem Entwurf sehen wir immer beide Ebenen“, sagen die Architekten. „Die Frage ist nur, wann was wie bewertet wird. Es gibt ein Maß an Intuition, das notwendig ist, um die rationalen Grundüberlegungen zu stärken. Die Art der Kombination dieser verschiedenen Ebenen ergibt die intuitive Seite des Entwurfs. Die Kunst ist es, dies alles zu rationalisieren sowie baubar und verständlich zu machen.“ Analytische Über­legungen wie diese scheinen nach dem 2005 fertiggestellten Haus der Gegenwart mehr und mehr das anfänglich Spielerische aus den Entwürfen zu verdrängen. Es folgen insgesamt gelassenere Gebäude, die das Büro ein wenig aus dem Fokus der ganz großen Öffentlichkeit nahmen.

Die intensive Auseinandersetzung mit dem Entwurfsprozess an sich steht aber nach wie vor im Vordergrund. So haben alle drei Partner Lehraufträge an unterschiedlichen Hochschulen: Markus Allmann leitet seit 2005 das Institut für Raumkonzeptionen und Grundlagen des Entwerfens an der Universität Stuttgart. Amandus Sattler hat derzeit eine Vertretungsprofessur an der Fachhochschule Köln. Und Ludwig Wappner ist seit 2010 Professor für Baukonstruktion und Entwerfen am Karlsruher Institut für Technologie. Die Lehre ist für sie nicht zuletzt deshalb von großer Bedeutung, weil sie zur Analyse des eigenen Handelns zwingt. „Alles, was sich im Büro sonst eher intuitiv ereignet, muss dort konkret in Sprache oder eine Lehr- oder Entwurfsmethodik übersetzt werden. Gleichzeitig intensiviert es die Beschäftigung mit den gesellschaftlichen Themen unserer Zeit, die weit über das eigentliche Bauen hinausgehen.“ Vordergründig leidet das Büro zwar unter dem Engagement in der Lehre. Im Gegenzug nutzen die Architekten ihre Zeit im Büro aber auch viel konzentrierter – zum Beispiel, um sich bei einigen der rund 25 Wettbewerbe pro Jahr intensiver zu beteiligen. Derzeit werden 90 Prozent aller Aufträge über meist geladene Wettbewerbe akquiriert.


Unternehmensberater in Sachen Architektur

Einen Wettbewerb, der das Büro nachhaltig beeinflusste, hatten die Architekten im Jahr 2005 gewonnen, als es darum ging eine neue Corporate Architecture für Händlerbetriebe des Autokonzerns Audi zu finden. Hauptanliegen der Auslober war nicht nur die Übersetzung der Markenwerte „Anspruch und

Dynamik in der Gestaltung“ in Architektur, sondern auch die Reduzierung des Gebäude-Fußabdrucks. So sollten die bislang stets ebenerdigen Betriebe trotz immer größerer Modellpaletten in ihrer Grundfläche signifikant reduziert werden, um sie verstärkt auch in dichten Metropolen und Innenstadtlagen etablieren zu können. Die besondere Herausforderung sahen die Architekten darin, „ein Konzept ohne vorab definierten Standort zu definieren sowie eine Sprache zu finden, die überall lesbar und weltweit gleichermaßen positiv besetzt ist. Die Lösung lag in einer einfachen, zwingenden Ikonographie, in einer Architektursprache und Materialbezogenheit, die bewusst mit dem Unternehmen assoziiert wird.“ Und so entwickelten sie eine orthogonale, durch „asymmetrische Kurvenräume“ dynamisierte Gebäudestruktur, deren Geschosse über Rolltreppen miteinander verknüpft werden. Da von Anfang nicht geplant war, dass Allmann Sattler Wappner in Zukunft alle neuen Betriebe selbst planen, erarbeiteten sie ein Corporate-Architecture-Handbuch. „Oft haben wir zwar noch erste Machbarkeitsstudien erstellt. Ziel war es jedoch, die Architekten anhand der von uns aufgestellten Spielregeln zu zertifizieren und die Gebäude danach selbst bauen zu lassen.“
Im Rahmen dieser bis heute andauernden Projektarbeit verabschieden sich die Architek­ten von der Vorstellung, Projekte immer auch selbst umsetzen zu können und betrachten sich stattdessen als „Unternehmensberater in Sachen Architektur.“ Diese Tätigkeit erscheint für ein Büro, das für seine kontextabhängigen Lösungen und seine Liebe zum Handwerklichen und unverwechselbaren Einzelprojekt bekannt ist, auf den ersten Blick widersprüchlich. Letztlich versucht die Corporate Architecture aber auch diesen Ansprüchen gerecht zu werden, indem sie die Gebäude ähnlich konfigurierbar macht wie ein Auto: „Prägendes Element ist der Showroom mit seiner gekurvten Wand. Wo genau sich dieser Übergang von offenen Ausstellungsräumen und eher geschlossen Nebenbereichen befindet, lässt sich individuell je nach Kontext festlegen.“ Die bereits realisierten 140 Autohäuser, unter anderem in Paris, Sydney und Tokio, belegen, dass die Rechnung aufgeht. Egal, ob zwei- oder dreigeschossig, kein Gebäude gleicht dem anderen und trotzdem sprechen alle die gleiche Sprache. Erst im November eröffnete ein von Allmann Sattler Wappner als Generalplaner geplantes Autohaus in Madrid.


Entformalisierung und spezifische Neutralität

Dass der von den Architekten eingeschlagene Weg hin zu immer mehr auf das Wesentliche beschränkten Gebäuden durchaus auch zu sehr sinnlichen und expressiven Gebäuden führt, zeigen Projekte wie das Dornier Museum oder der zweitplatzierte Wettbewerbsbeitrag für die Propsteikirche St. Trinitatis in Leipzig. Ähnlich wie bei der Herz Jesu Kirche in München ging es auch hier um eine strukturale Form, um die Frage nach der Grenzziehung zwischen innen und außen, darum,
wie sich Innen- und Außenraum verschmelzen lassen und doch klar getrennte Räume entstehen. „Wir haben heute wesentlich komplexere Entwurfsprozesse. Formen sind komplexer denkbar, konstruierbar und inzwischen sogar bezahlbar geworden. Das sieht man natürlich auch den Projekten an.“

Besonderes Interesse haben die Planer in den letzten Jahren an strukturellem Arbeiten entwickelt. „Wir glauben nicht an die explizite Form oder daran, dass eine Form die womög­lich einzig richtige Lösung für bestimmte Probleme darstellt. Wir suchen nach Strukturen, die eine Aneignung der Nutzer erlauben, die aber trotzdem etwas Spezifisches haben.“ Was die Architekten dabei als „spezifische Neutralität“ bezeichnen, lässt sich am besten bei Infrastrukturprojekten wie der grundlegen­den Neugestaltung des unterirdischen Fußgängerdrehkreuzes am Stachus/ Karlsplatz zwischen Münchener Hauptbahnhof und Innenstadt aufzeigen. Hier ging es nicht vordergründig um Form, sondern um die Systematik, Ordnung und Organisation eines vor gut 40 Jahren eröffneten öffentlichen Raums, der täglich von abertausenden Menschen frequentiert wird, die zwischen Fußgängerzonen, U-Bahn, S-Bahn oder Straßenbahn unterwegs sind. Um diesen Raum von einem düsteren Unort mit verschachtelter Wegeführung in einen angenehmen Stadtraum zu verwandeln, beschränkten sich die Planer auf zwei grundsätzliche Interventionen. Zum einen
ließen sie mithilfe eines großzügigen zen­tralen „Kreisverkehrs“ einen konzeptionell leicht begreifbaren Raum mit unverwechselbarem Orientierungspunkt entstehen. Zum anderen führen der weiße Terrazzoboden und die Deckenverkleidung aus runden reflektierenden Metallelementen zu einer überaus freundlichen Belichtungssituation. Diese Maß­nahmen werden von vielen der hier durcheilenden Menschen nur unbewusst wahrgenommen. Dass die neuen „Stachus Passagen“ wegen großflächigen Problemen mit Rissen im Bodenbelag lange Zeit in den Schlagzeilen stand, ändert nichts daran, dass eine Struktur entstanden ist, die von den Passanten durchwegs als angenehm empfun­-den wird.

Systematische Überlegungen dieser Art stellen die Architekten keineswegs nur in
Infrastrukturprojekten an, sie übertragen
sie auch auf Bürogebäude. In einem Wettbe­werbs­projekt für ein neues Headquarter des Büromöbelherstellers Sedus Stoll, dessen Realisierung nach einer eingereichten Geneh­migungsplanung noch aussteht, entwickelten sie eine Gebäudestruktur in Form eines „neu­ronalen Netzes“, das sich mit bestehenden Fertigungsanlagen, Forschungseinrichtungen und Bürogebäuden verzahnt und den Menschen zugleich einen offeneren und intensi­-ve­ren Austausch ermöglichen soll. Mit dem gleichen Engagement werden neben Projekten dieser Größe nach wie vor auch „kleine“ Projekte bearbeitet. Beispielhaft hierfür steht ein Gemeindezentrum mit Kindertagesstätte in der Nähe von München. Reizvoll ist dabei schon allein das differenzierte Raumprogramm, das besondere räumliche und gestalterische Lösungen geradezu impliziert. Ebenso interessant ist aber auch – ganz ähnlich wie in der Zeit nach dem Studium – ein überaus enger Austausch mit einem Bauherrn im eigentlichen Wortsinn. An dieser Stelle schließt sich der Kreis, wenn auch mit geänderten Vorzeichen: Während kleine Projekte früher dazu beitrugen, große Projekte zu akquirieren, erlauben die heutigen Großprojekte gewisse Freiheiten bei ausgewählten kleineren Bauvorhaben. So oder so, mit einer angenehmen Büroatmosphäre, Partnern ohne Allüren (zum Teil sogar ohne festen Arbeitsplatz), einer bei Architektenmeisterschaften erfolgreichen Fuß­ballmannschaft und alljährlichen gemeinsamen Skiausflügen erinnert Allmann Sattler Wappner nicht einmal entfernt an eine Dreibuchstaben-Architekturfabrik. Roland Pawlitschko

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