Prallvoll und schön

Können Sie nachvollziehen, was die „phänomenologische Dynamik zwischen Freiraum und Betrachter“ darstellt? Interessiert es Sie? Wenn Sie sich dann noch fragen, warum manche dieser extrem elaborierten Landschaftsgärten von heute so aussehen wie sie aussehen, dann lohnt sich die längere Lektüre des hier vorliegenden und außergewöhnlich schön gestalteten Bandes über den Schweizer Landschaftsarchitekten Dieter Kienast (1945–1998).

Kienast, eine wesentliche Schlüsselfigur der
europäischen Landschaftsarchitektur mit Einflüssen bis heute, hatte eine entscheidende Rolle an der GhK in deren Gründungsphase Anfang der 1970er-Jahre gespielt; und die Hochschule für ihn. Er lehrte in den Folgejahren in Deutschland und der Schweiz, wo er bis zu seinem Tod eine Professur an der ETH Zürich innehatte und mit Günther Vogt das Büro Kienast Vogt Partner Landschaftsarchitekten in Zürich und Bern betrieb.

Diesem einflussreichen, umstrittenen wie charismatischen Ausnahmeplaner konnte Annette Freytag eine Dissertation widmen, die es in sich hat: Vorbildliche Detailrecherche, hervorragende Lesbarkeit, eine stringente Gliederung des sehr gut auch endlos darstellbaren Kosmos „Kienast und die europäische Landschaftsplanung“ sowie die Verflechtung der Analysen mit der Darstellung des Praktischen: der Arbeiten von Kienast.

Dass diese Analyse eine ausgewogen kritische Darstellung ist, die den Menschen Kienast mit allen seinen Kanten ebenso im Blick hat wie die auch abwehrenden Reaktionen der Zeitgenossen, hebt diese auch Biografie seiende Arbeit deutlich über solche Textsorten hinaus, die in der Vergangenheit ähnliches versucht haben. Damit wird die prallvolle Monografie einerseits zu einem zentralen Baustein für eine noch nicht geschriebene Geschichte der mitteleuropäischen Landschaftsarchitektur, zum anderen auch zu einem Studienbuch für alle, die sich mit der Gestaltung des Landschaftlichen im urbanen Kontext beschäftigen müssen.

Dass Kienast’s Arbeiten bis heute Einfluss auf die internationale Garten-, Park- und Grüngestaltung haben, sollte nicht verhindern, über seine Arbeit hinaus zu gehen. Doch loslassen können können wohl nur die, die sehen, was sie loslassen. Mit Werkverzeichnis, ausführlicher Bibliografie und Namensregister. Be. K.

x

Thematisch passende Artikel:

Landschaftsarchitektur und das Spezifische eines Ortes

SPECIFICS: ECLAS Konferenz vom 22. bis 25. September 2013 in Hamburg

Die originäre Aufgabe der Landschaftsarchitektur ist es, das Spezifische eines Ortes aufzudecken und ihn daraus zu entwickeln. Die SPECIFICS: ECLAS Konferenz (European Council of Landscape...

mehr

100 Jahre Landschaftsarchitektur

Eine Online-Ausstellung zur gebauten Umwelt in Geschichte und Gegenwart

100 Projekte aus 100 Jahren Landschaftsarchitektur – so das Credo der Ausstellung des Bundes Deutscher Landschaftsarchitekten. Entstanden ist eine einzigartige Sammlung geplanter und gebauter...

mehr

Aktuelle Landschaften

Ausstellung Stadt-Grün vom 21. Mai bis 22. August 2010, Frankfurt

Die Ausstellung zeigt 27 realisierte Beispiele von Freiraumgestaltung in Europa, entworfen von international renommierten Landschaftsarchitekten. Sie wurden zwischen 1990 und 2010 realisiert und...

mehr
Ausgabe 02/2014

100 Jahre Landschaftsarchitektur im WWW www.100-Jahre-Landschaftsarchitektur.de

100 Projekte aus 100 Jahren Landschaftsarchitektur – so das Credo der Ausstellung des Bundes Deutscher Landschaftsarchitekten. Entstanden ist eine Sammlung geplanter und gebauter Projekte in Freiraum...

mehr
Ausgabe 12/2016 Neue Nationalgalerie – Museum des 20. Jahrhunderts

Museum des 20. Jahrhunderts, Berlin www.nationalgalerie20.de

Mit Spannung hatte man darauf gewartet: Wie wird er aussehen, der Entwurf für das Museum des 20. Jahrhunderts? Wie kann überhaupt für diesen Ort am Berliner Kulturforum ein Haus gefunden werden,...

mehr