Outside in Silvertower, Frankfurt a. M.

Von außen sieht man Frankfurts Silberturm den Umbau kaum an – im Inneren herrscht nun die Büromoderne, die die spacige Alufassade verspricht. Eine Gestaltung von den Architekten Schneider+Schumacher, dem Quick­borner Team und der Deutschen Bahn.

Im 32. Stock des Wolkenkratzers liegt einem der Frankfurter Hauptbahnhof zu Füßen. Von dort sind es fünf Gehminuten zu dem aluverkleideten 166-Meter-Riesen, dessen Softeckfenster Nutzern das Gefühl geben, sie säßen im Zug. Überhaupt wirkt die einstige Zentrale der Dresdner Bank als hätte sein neuer Mieter, die Deutsche Bahn Systel GmbH, den Gestaltungston angegeben. Der weiß-silbergraue Grundtenor dominiert ebenso wie die ICE-vertraute Softliniengestaltung!

Doch die modernisierungsbeauftragten Architekten Schneider+Schumacher widersprechen: „Das Hochhaus war vor dem ICE da! Wir wollten die Architektursprache im Innenkonzept fortsetzen und den Gebäudecharme trotz neuer Technologie erhalten“, formuliert Projektleiterin Wiebke Rösler den innenarchitektonischen Anspruch. Der glückte! Heute setzen die Innenräume das Fassadenversprechen konsequent fort. Gleichzeitig integrieren sie ein vom Quickborner Team und der Deutschen Bahn gestaltetes Open Space-Konzept, das den hohen Flexibilitätsansprüchen des projektorientierten Arbeitens Rechnung trägt (siehe Interview mit Claudia Bernklau, S.30)

Kurz zur Geschichte des Gebäudes: 1978 wurde der Silberturm erbaut. Als höchster Wolkenkratzer Deutschlands prägte sein hochtechnozides Design die Skyline Frankfurts, wurde aber 1990 von Helmut Jahns Messeturm getoppt. 2008 übernahm die Commerzbank die Dresdner und machte die Büros überzählig, doch die Bankenkrise ließ die Gebäudeveräußerung scheitern. So trat Plan B – Modernisierung und langfristige Vermietung an die Deutsche Bahn – in Kraft, der jüngst die Veräußerung an die IVG-Immobilien AG folgte.

32 Geschosse beherbergt der Wolkenkratzer, der die Grundform von zwei verschobenen Quadraten mit abgerundeten Ecken 166 m in die Höhe fortsetzt. Im Norden und Süden dockt jeweils ein Fahrstuhl an. Der ursprüngliche Baukörper wurde komplett entkernt, die 4 mm dicken eloxierten Fassadenbleche sowie die zwei Fahrstühle blieben unberührt. Nur so konnten Schneider+Schumacher die Asbest- und Enerergiealtlasten zugunsten eines DGNB-Zertifikates in Silber tilgen – ohne an der Gesamterscheinung des Wahrzeichens zu rütteln.


Bürokonzept

Die Deutsche Bahn wünschte mehr Offenheit, als das introvertierte Bankengebäude hergab. Deshalb hängen die Büroetagen heute nicht mehr in der Luft und werden nur von den Fahrstühlen und einem engen– raketenabschuss­rampengleichen- Aufgang geerdet. Mittlerweile betritt man die Arbeitswelt über ein gläsernes Foyer, das die Architekten über zwei Etagen und auf die Grundrissfläche erweiterten. Dass der Granitfußbodenbelag vom Jürgen-Ponto-Platz nahtlos durchläuft, war baurechtliche Auflage. Sein Effekt: Kombiniert mit Fahrkartenautomat und DB-Logo an konkaver Empfangstheke und kreisförmigen Sitzbänken, weckt das weiß-silbergraue Entree Bahnhofsassoziationen.

Im Foyer unterstreichen die von Schneider+­Schumacher entworfenen Flying Ufo-Lampen die Richtungslosigkeit des Raumes; in den Regelgeschossen spenden ihre abgependelten Diagonaldeckenleuchten Orientierung – und die nötige Tageslicht-Ergänzungsbeleuch­tung. Dank des gekürzten Deckenhohlraums und weiter auseinandergesetzten Stützen sind die Etagen heute lichter; aluverkleidete Säulen und Rundecken-Leuchten setzen die Fassadensprache innen fort. Was sich aus bau- und brandschutzrechtlichen Gründen nicht ändern ließ, waren die 2 400 m2 Büro­großräume jeder Etage, die es trotz Raum­tiefen sinnvoll zu strukturieren galt. Ihr Vorteil: Der Rundumblick im Turm ist eine Rarität, der Blick vom Schreibtisch in zwei Himmelsrichtungen auch. Von der Vorstandsetage abgesehen, schieden Zellenbüros aufgrund der Innenraumverschattung durch die langgezogenen Fassaden aus. Jedoch wieder Schreibtischkolonnen mit sichthohen Stellwänden auf den 2 400 m2- Flächen zu errichten, war indiskutabel. Die moderne Projektarbeitsland­schaft braucht kleingliedrigere Raumstruktur mit Gruppenarbeitszonen von idealerweise maximal 400 m2 (nicht sprenklerpflichtigen).

Heute verzahnen sich entlang der Fenster die Abteilungs- und Projektgruppen in Ein- und Viertischformationen, im Innenraum wechseln kleine und große Besprechungsräume mit Denkzellen, Druckzentren und dem Meetingpoint . Großzügige Glaswände helfen Helligkeit in den Raumtiefen zu erhalten; Möbel und Trennwandsysteme setzen frische Farbpunkte in die weiße Silbergrauheit. Die offene Küchenlounge ist flächig eingekapselt, um Störungen im Arbeitsbereich vorzubeugen. Sie ist Kommunikations-, Arbeits- und Ruhezone, stiftet Orientierung entlang der Verbindungsachse zu den Kern- und Funktionsbereichen. Neben Druckerzentren und Kantine ist sie der wichtigste Treffpunkt für Ad-hoc-Gespräche, die bekanntlich langwierige Terminkoordinationen reduzieren.

Den festen Schreibtischen sagte die Deutsche Bahn nicht Ade, bietet aber eine ergänzende Infrastruktur, in der sich jeder den Ort suchen kann, der zur aktuellen Arbeit passt. Container für die persönlichen Utensilien garantieren den leichten Arbeitsplatzwechsel. Das von SPB designte Sondermobiliar – Garderoben und Meetingpointmöbel – wurde dem Softlinedesign angepasst und hilft die Arbeitszonen zu strukturieren. Weiterer Flexibilitätsgarant für die Projektarbeiter ist der repetive Einrichtungsmodus, dem bis auf die zellenbürointegrierte Vorstandsetage alle Stockwerke folgen.

Auf den Etagen ist die Wiederholung ein Orientierungssegen, doch über die 32 Stockwerke hinweg stiftet das spiegelsymmetrische Konzept Verwirrung. Dazu muss man wissen: In die ersten 17 Geschosse fährt der Süd-, in die folgenden der Nordaufzug. Wer die zwillingsgleichen Entrees mal von der einen, mal der anderen Seite betritt, muss erstmal andersseitig umdenken, um sein Ziel zu lokalisieren. Und, die 17. Etage hat die Funktion des „Umsteigebahnhofs“. Statt hier den direkten Weg zum Fahrstuhlpendant anzutreten, schlängelt man sich durch die Kaffeetrinker hindurch. In beiden Pukten hätte gestalterische Abwechslung das nach eingängiger Orientierung strebende Konzept keinesfalls verwässert, sondern verfeinert. Kurzum: So richtungslos der Silberturm horizontal angelegt ist, so stark richtet er sich vertikal aus. Doch die Himmelsdimension scheint bei der Planung ein wenig verschleiert gewesen zu sein. Denn nur so lässt es sich erklären, dass die Gebäudeerschließung heute nur noch über die Fahrstühle erfolgt – der Foyerzugang übers Treppenhaus ist lediglich im Brandfall gewährt. Bei der veralteten Aufzugssteuerung täte die Emanzipation von der Technik dringend Not, um Wartestaus zu vermeiden. In Summe tut dies der Begeisterung des neuen Mieters keinen Abbruch: „Mit dem Einzug im Silberturm wich der Muff des ewig Gestrigen! Nun nimmt man den Programmierern die innovative Entwicklungsarbeit auf den ersten Blick ab“, begrüßt ein freier Berater der DB Stystel den Abschied aus den angegrauten Zellenbüros.

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