„New York by Gehry“
Ein neuer Wohnturm mitten in Manhattan, New York, aus der Feder Frank Gehrys

Vor wie vielen Jahren noch wollte Mr Gehry in New York ein neues Guggenheim bauen? Direkt unterhalb der Brooklyn Brigde am East River hätte sich die dann größte Museumsdependance des internationalen Kunst-Trusts Guggenheim an allererster Adresse befunden, doch die geschätzten 1 Milliarde Dollar Baukosten schreckten dann doch die zunächst Feuer und Flamme seienden Guggenheim-Verantwortlichen Tom Krenz u. a. ab. Guggenheim New York wurde gestrichen wie so manche andere Erweiterungspläne der Vorkriesenzeit zum Opfer fielen.

Nun, im Jahr 2011 scheint es so zu sein, dass der Mann von der Westküste nach seinem Coup im New Yorker Soho – das wie unter Segeln vorangleitende Bürohaus des Medienkonzerns IAC – der Weltmetropole seinen Stempel aufdrücken kann. Wo sonst, wenn nicht in Manhatten gelingt solches am nachdrücklichsten, hierhin schaut die Welt immer, wenn Gebäude jenseits der Alltäglichkeit gebaut oder auch niedergerissen werden. Oder einer unmenschlichen Attacke zum Opfer fallen, so wie die Twin Tower des World Trade Center im September 2001.

Der Wiederaufbau des Letzteren ist zur Zeit bis ins 101. Stockwerk gewachsen, sein Schatten wird den Glanz des amorph erscheinenden Gehry Towers stundenweise stumpf machen. Um das Doppelte höher wird das am Ground Zero in die Höhe wachsende One World Trade Center, alias „Freedom Tower“, mit dessen Verunklarung durch Sicherheits- und Renditeauflagen sein ursprünglicher Architekt, Daniel Libeskind keinerlei Probleme hat. Um das Doppelte banaler wird dieser mächtig aufragende Turm als der zurzeit vermarktete, 76 Stockwerke hohe Appartement-Komplex, der exakt in der Sichtachse steht, in der seit dem Einsturz der Zwillingstürme eine beklemmende Leere klaffte.

Mit Blick auch auf die umgebenden Banalitäten in Sachen Skyscrapper im extrem konservativen Manhattan wirkt der Gehry-Turm, der mit dem Architektennamen vermarktet wird, geradezu exotisch, auch wenn die aus individuell gefertigten Einzelteilen der Stahl-Fassade im Inneren kaum Auswirkungen auf die Grundrissgestaltung hat, es sei denn, man wolle die minimalen, durch die Fassadenkanten gebildeten unterschiedlichen Winkel oder die dadurch ebenfalls verschiedenen Wohnungsgrößen als wirkliche Varianten im Ganzen beschreiben. Immerhin bewirkt die Fassadenfaltung eine Erkerausbildung für jedes Appartement, über welchen man einen 180-Grad- Blick auf New York hat (demnächst, wie schon geschrieben, in Richtung Hudson River verstellt).

265 Meter hoch ist der neue Turm, der 903 Mietwohnungen bietet (2700 Dollar für ein Einraum-Appartement bis zu 7000 Dollar für ein „family unit" mit Kinderzimmer (102 m²). In der Spruce Street, im Dreieck zwischen City Hall, Brooklyn Bridge und Wall-Street-Viertel und nur wenige Schritte von Ground Zero entfernt entfaltet der Turm den gewissen Charme einer (freien?) Auftragsarbeit. Die der Immobilien-Konzern Forest City Ratner bei Gehry beauftragte. Man hätte ihm freie Hand gelassen, so die Entwickler von Forest City Ratner, die einzige Bedingung: Der Bau musste schön sein und natürlich Rentabilität versprechen. Der Entwickler erhielt ein Gesamtbauwerk, das von seiner ungewöhnlichen Außenhaut über Küchenmöbel bis zu Türknäufen und Sanitäranlagen aus einer Hand kommt.

Mehr als 10.500 Einzelteile bilden die fließende Fassade, doch was so organisch natürlich wirkt, hat kein Ökolabel; ungewöhnlich für ein Immobilienprojekt dieser Größenordnung an einem solchen Platz. Ungewöhnlich auch die Aufstellung des Hochhauses auf einem Klinkersockel mit Schule und Kliniketage, beides Kompromisse und Teil eines privat-öffentlichen Finanzierungskonstrukts (für die Schule gab es 200 Millionen Dollar steuerfreie Kredite, die Klinik kommt vom ehemaligen Grundstückseigner, dem Downtown Hospital).

Richtig glatt ging es mit dem Bauprojekt natürlich auch nicht, kurz nach dem Baubeginn 2006 kam die Krise, der Investor hatte berechtigte Sorgen, die 903 Wohnungen los zu werden. 2009 kam eine Art Moratorium, der Bau wurde für ein halbes Jahr ausgesetzt, man erwog, den Turm bei 38 Stockwerken zu kappen. Doch dann ging es mit einem Mal wieder, Kredite flossen, der Turm wuchs. Nicht in dem Tempo, wie die schnellsten Aufzüge drinnen heute mit bis zu 426 m/min nach oben rasen … nichts für Herzkranke. Doch kontinuierlich bis Ende 2010, als ganz oben die acht Penthouses auf dem Dach fertiggestellt waren, von welchen aus der Blick über Manhattan geht, vom Empire State Building übers Chrysler Building bis hinaus zum Ende des Central Parks, ganze zwölf Kilometer entfernt. Wer auf der anderen Seite gekauft hat, dem öffnet sich der Hafen mit der Freiheitsstatue.

Dass in einem solchen Luxusbau die 903 Wohnungen vermietet und nicht verkauft werden, deutet an, dass die Krise noch nicht so ganz überstanden ist. Bisher sind 115 Wohnungen zur Vermietung freigegeben, auf der Liste des Investors stehen angeblich 1300 Namen. Wenn auch Sie hier schnell zugreifen: Zurzeit sind die Gehry-Appartements in der Miete reduziert: Wer für 13 Monate unterschreibt, erhält einen Monat gratis www.newyorkbygehry.com. Dass es den Mietern anschließend nicht leicht fallen wird, diesen besonderen Hochpunkt mit Traumaussicht wieder zu verlassen, dürfte im Kalkül eines solchen Angebots liegen. Wahrscheinlich geht es runter mit den Fahrstühlen dann auch nicht so schnell wie rauf. Be. K.

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