Neubau der Sedorama AG, Schönbühl/CH
www.sedorama.ch, www.em2n.ch, www.ifgroup.org/de

Dem Neubau der Sedorama AG in Schönbühl bei Bern reichen einige wenige architektonische Besonderheiten, um zu überraschen und aus der Reihe der üblichen Industriebauten zu tanzen. Die Architekten EM2N aus Zürich haben einen scheinbar einfachen Industriebau mit kaskadenartiger Abfolge auf mehreren Ebenen geplant, der mit Veränderungen, Unvorhersehbarem wie auch Zufälligem umgehen will und im Inneren eine spannende Produktinszenierung durch Ipolito Fleitz erfährt.

Die Architektur von EM2N Architekten hat immer was Kräftiges und Eigenständiges. Und wer diese Architekten mit einer Aufgabe direkt beauftragt, der kann sicher sein, eine Architektur zu bekommen, die Charakter hat, die aber auch polarisieren, die berühren und in den Bann ziehen will. Genau das kann man nun wunderbar am Neubau des Headquarters der Schweizer Brunner-Tochter Sedorama in Schönbühl bei Bern nachvollziehen. „Es soll ein Haus voller Licht, Luft und Leben sein, in dem sich Ideen entwickeln können und das die Kommunikation beflügelt“, so Mathias Müller von EM2N Architekten.

Aber der Reihe nach: Das Gebäude für Sedorama ist ein puristischer Industriebau aus Stahl, der direkt an der Autobahn A1 in einem Industriegebiet ohne besonderen Anspruch an Architektur positioniert ist. Das ändert sich nun mit der  Architektur von EM2N, denn das Gebäude präsentiert sich an der Schnitt­stelle zwischen den Polen einer funktionellen, nützlichen Architektur und seiner Rolle als Zentrale und Blickfang. Der Baukörper weist auf seinen Längsseiten jeweils einen konkaven Knick auf, was besonders auf der Eingangsseite eine Geste des Empfangs für die Besucher darstellt. Dieser Ansatz entspricht auch dem Planungsgedanken, dass die Architektur die Werte des Unternehmens Sedorama aufnimmt: Kundenorientierung und Perfektion.

Was wie ein gut gestalteter, Material- und Formen- reduzierter Gewerbebau mit schwarzer, perforierter Stahlblechverkleidung aussieht, ist in Wirklichkeit ein multifunktionales Gebäude: Es ist Lager, Spedition und Werkstatt mit einem spannenden Showroom. Der Besucher erlebt einen Ausstellungsraum, der kaskadenartig in einer Abfolge von vier Ebenen aufgebaut ist. Es ist eine Inszenierung: Über eine Treppe wird man auf ein Piano Nobile geführt, von dem aus sich die Ausstellung über eine Abfolge von inneren Terrassen und verbindenden Treppen erschließt. Die Kaskaden teilen das Gebäude diagonal in zwei Hälften: Werkstatt, Lager und Verwaltungsräume stehen der Halle gegenüber. Sämtliche Oberflächen der Stahlkonstruktion sind roh belassen oder weiß gestrichen, um mit diesem neutralen Hintergrund die Bühne für die spannungsvolle Inszenierung der Produkte zu bilden.

Diesen Showroom mit fast 2 000 m² hat das Stuttgarter Architektur-, Design- und
Gestaltungsbüro Ippolito Fleitz Group gestaltetet „Der Grundgedanke des Showroom-Konzepts ist es, das großartige räumliche Erlebnis mit der Wirkung der Produkte zu verbinden“, sagt Peter Ippolito. „Das geschieht, indem wir die Wände und Fenster als Ausstellungsfläche mit einbeziehen und wenige Elemente zur Hervorhebung der Produkte verwenden“. Gleich am Eingang empfängt ein vier Stockwerke hohes Hochregal mit Stühlen den Besucher. Vor dem großen Fens-ter rechts daneben sind weitere Stühle wie ein Mobile inszeniert „Der Besucher wird intuitiv durch die Ausstellung zu den oberen Ebenen geleitet“, erklärt Gunter Fleitz. „Mit jedem Schritt öffnet sich ihm die Halle etwas weiter.“

Die offen und großzügig gestaltete Ausstellung zeigt die ganze Marken- und Produktvielfalt von Brunner: von den Loungemöbeln, Mehrzweckstühlen und Konferenzmöbeln auf Ebene 1 über die Sonderrepräsentationsfläche und dem Café auf der zweiten Ebene bis hin zu den Bereichen Pflege (Ebene 3) und Seminar (Ebene 4). Podeste, Teppiche und Raumteiler unterteilen die Ebenen in kleinere Einheiten.

Der Bauherr wusste wohl sehr genau,
worauf er sich bei der Direktvergabe zu dem Neubau für Sedorama mit den Architekten EM2N und Ipolito Fleitz Group einlässt. Denn nur, wenn Ansprüche und Haltung zur Architektur und Gestaltung aller Beteiligten einen gemeinsamen Nenner finden, sich mehr als nur ergänzen, sondern auch beflügeln, können Qualitäten wie dieser vermeintliche einfache Industriebau mit räumlicher Inszenierung entstehen. BF

Der Sedorama-Neubau wurde beim „best architects 14 award“ in der Kategorie Gewerbe- und Industriebauten ausgezeichnet.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 07/2016

Industriebau und die Vernetzung der Produktions­prozesse

Die Zeiten, in denen der Industriebau zur schlichten Einhausung von Produktion und Fertigung diente, müssen vorbei sein. Gefordert ist bei aller Funktionalität auch die Architekturqualität. Das...

mehr
Ausgabe 01/2018

DBZ Heftpaten Dr. Stefan Nixdorf und Bernhard Busch, agn, Ibbenbüren Nachhaltiger Industriebau heißt Architektur neu denken

Der „Strich des Architekten“ steht seit jeher für das Schöne, das Technische und das Funktionale. Dabei bediente er auch die Dimension von Kosten und Terminen. Heute sind die Belange der...

mehr
Ausgabe 01/2010

Kosten, Kampf, guter Industriebau Dipl.-Ing. Michael Juhr zum Thema „Industriebau“

Bis in die achtziger Jahre hinein waren Industriebauten der Ausdruck des Selbstverständnisses von Industriellen. Sie bildeten den Stolz derjenigen ab, die ein Produkt entwickelt hatten und dieses nun...

mehr
Ausgabe 11/2009

Es geht voran Shoppingcenter und Industriebauten zertifiziert

Als Qualitäts­zeichen setzt das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen Maßstäbe in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Auf der Gewerbeimmobilienmesse Expo Real in München wurden im Oktober 2009...

mehr

Tag der Architektur 2010

Bundesauftakt am 25. Juni 2010 im Terminalneubau am Schwedenkai in Kiel

Das letzte Wochenende im Juni ist für Architekturbegeisterte inzwischen ein fester Veranstaltungstermin: In allen Bundesländern laden die Architektenkammern am 26. und am 27. Juni zum Tag der...

mehr