Mit Beton ein Statement setzen

Beton hat die Architekturlandschaft verändert. Das Material ist seinen Anfängen als schlichter Baustoff entwachsen und ist längst ein Gestaltungselement. Ob Elzner und Andersons Ingalls Building in Cincinnati, Félix Candelas Restaurant Los Manantiales in Mexico City, Moshe Sadies Wohngebäude Habitat 67 in Montreal, Álvaro Sizas Portugiesischer Pavillon in Lissabon oder Zaha Hadids Verwaltungsgebäude Pierres Vives in Montpellier: In ihren Formen von schlicht und federleicht über brutal bis extravagant beweisen diese Entwürfe eindrucksvoll, wie vielseitig Gebäude aus Beton sein können.

 Architektur ist erfolgreich, wenn sie sich in ihre Umgebung einfügt. Neben der Form des Baukörpers spielt die Fassade bei dieser Aufgabe eine entscheidende Rolle. Sie kann in einen Dialog mit ihrer Umgebung treten, den Nutzen des Gebäudes nach außen hin sichtbar machen, eine Geschichte erzählen, begeistern oder provozieren. Ihre Gestaltung kann der Außenwirkung eines Entwurfs eine zusätzliche Dimension verleihen. Beton ist dafür aufgrund seiner Wandelbarkeit ein besonders geeignetes Material.

Matrizen eröffnen unbegrenzte Möglichkeiten für die individuelle Gestaltung, ohne den Planungsprozess oder die Ausführung zu verkomplizieren. Elastische Schalungseinlagen bringen von natürlichen Strukturen über individuelle Entwürfe, Schriftzüge oder Wappen bis hin zu Fotos oder dreidimensionalen Motiven jedes Design in den Beton. Aufgrund ihrer Elastizität bilden sie selbst komplizierteste Strukturen detailgetreu und exakt ab. Gleichzeitig erlauben sie Handlungsspielraum bei der Verarbeitung: Sie sind mit zahlreichen Betonrezepturen verwendbar und können sowohl in situ als auch im Werk benutzt werden. Ihre Elastizität macht die Matrizen widerstandsfähig und erlaubt den wiederholten Einsatz – bis zu 100 Mal..

 

Fassadengestaltung ohne Abstriche bei Brandschutz, Isolierung oder Nachhaltigkeit

Der richtige Partner betreut Projekte mit dem Architekten vom Designkonzept für die Fassade bis zum Einsatz der Matrize auf der Baustelle. Durch die frühe Zusammenarbeit wird die Machbarkeit von Gestaltungsideen direkt abgesichert und das Design gegebenenfalls verfeinert. Viele Standard-Designs sind als BIM-Daten verfügbar und erleichtern den visuellen Planungsprozess. In der ­Ausschreibungsphase stellt eine detaillierte Beschreibung der Struktur die Erstellung eines passgenauen Angebots seitens des Herstellers sicher.

Grundsätzlich erlauben Matrizen individuelle Fassadenoberflächen, ohne dabei baulichen Zielen wie Brandschutz, Isolierung, energetischen Fassaden oder Nachhaltigkeit im Weg zu stehen. Die Schalungseinlagen ermöglichen die makellose Strukturführung um Gebäudeecken herum und optisch hochwertige Ergebnisse an Tür- und Fensteraussparungen.

In ersten Gesprächen werden die bauspezifischen Ziele geklärt, um den Anwendungsprozess der Matrizen auf das Projekt anzupassen. Mitunter wird bei diesen Gesprächen in der Entwurfsphase sogar klar, dass die Gestaltungswünsche dank der innovativen technischen Möglichkeiten bei der Herstellung der Matrizen sogar übertroffen werden können, etwa bei Rippenstrukturen oder Schriftzügen: Sie müssen nicht zentimetertief gefräst werden, um deutlich hervorzutreten. 5-10 mm tiefe Schriftzüge auf der Matrize reichen, um herausragende optische Effekte im Beton zu erzielen.

Schon Standardmotive, die Holz, Stein und Mauerwerk, Putz, Rippen und Wellen oder abstrakte Strukturen abbilden, können bei der Gestaltung von Betonflächen den gewünschten Effekt bringen. Felsstrukturen oder organische Motive helfen etwa bei Lärmschutzwänden, sie naturnaher und harmonischer in ihre Umgebung einzupassen. In London entstand 2017 die White Collar Factory, ein Komplex aus sechs Gebäuden mit Büros, Studios, Co-Working Spaces, Restaurants und Apartments. Die puristischen Sichtbetonflächen wurden im Innen- und Außenbereich mit einer elastischen Schalungseinlage gestaltet. Die Optik von aneinander gestoßenen  Holzbrettern verliehen dem Gebäude einen urbanen und dennoch homogenen Charakter. Die Elastizität der Matrizen sorgt nicht nur für eine detailgetreue Wiedergabe der Holztextur, sondern auch für präzise Kanten und Eckausbildungen.

Selbst für die Gestaltung von Sichtbetonwänden mit der Sichtbetonklasse 4 empfiehlt sich der Einsatz einer elastischen Schalungseinlage. Die glatte Oberfläche der Matrize vermindert Lufteinschlüsse und sorgt für eine homogene OberflächeErscheinung. Ein Beispiel dafür ist das Gerichtsgebäude in der polnischen Stadt Siedlce. Die glatten Sichtbetonflächen nehmen sich dezent zurück, sie wirken nüchtern und objektiv. Aufgebrochen werden die puristischen Wände durch einen im Beton verewigten Adler. Das polnische Wappentier erscheint durch den Einsatz einer elastischen Matrize scharfkantig und bruchfrei.

Einfache Anwendung im Werk und in Ortbeton

Standard-Designs werden vom Hersteller auf bereits vorhandenen Positivmodellen aus Holz gegossen. Je nach Typ sind sie in verschiedenen Abmessungen erhältlich. Je kleiner das Modell, desto größer der Wiederholungseffekt. Die Matrizen bestehen aus Polyurethan-Elastomeren, die Temperaturen bis +65° C aushalten. Das gummiähnliche Material garantiert hohe Elastizität und Flexibilität und macht die Schalungseinlagen so widerstandsfähig, dass sie je nach Ausführung 10, 50 oder 100 Mal wiederverwendet werden können und damit Kosten sparen. In den meisten Fällen sind die Matrizen sogar deutlich langlebiger als vom Hersteller garantiert. Nimmt eine Form bei der Verarbeitung im Werk oder vor Ort unerwartet Schaden, können Risse oder Fehlstellen mit Elasto-Spachtel ausgebessert werden, so dass die Matrizen nach kurzer Zeit wieder einsetzbar sind.

Ihre Anwendung folgt im Fertigteilwerk und in situ den gleichen Prinzipien und ist denkbar unkompliziert. Die Matrizen werden gerollt geliefert und auf sauberen, fettfreien Holz- oder Stahlschalungen verarbeitet. Von Herstellerseite werden sie 1-2 cm größer als das erforderliche Deckungsmaß zugeschnitten, damit sie vor Ort genau in die Schalung eingepasst werden können. Aufgrund ihrer Elastizität eignen sich die Matrizen zum Einsatz auf waagerechten und auch auf leicht gewölbten Untergründen. Formen mit Strukturverlauf können gereckt oder gestaucht werden, um optisch nahtlose Anschlüsse zu erzielen. Die Matrizen werden vollflächig auf der Schalung verklebt. Dabei kommt ein Zwei-Komponentenkleber zum Einsatz, sodass die Arbeiter die Matrizen nach dem Einlegen in das Klebebett genau ausrichten können. Diese Vorbereitung garantiert die Passgenauigkeit insbesondere bei symmetrischen Mustern. Matrizen mit einer geradlinigen, regelmäßigen Struktur können problemlos parallel in Strukturverlaufsrichtung aneinandergestoßen werden, ohne dass störende Nahtstellen auftreten. Bei gröberen, unregelmäßigen Strukturen können mithilfe von Profilleisten, glatten Spiegeln oder Fasen optisch hochwertige Ergebnisse erzielt werden.

Der elastische Kunststoff der Matrizen erleichtert die scharfkantige Abbildung des Texturprofils auch bei Fugen, Ecken, Tür- und Fensterausschnitten. Nach Maß gerasterte Strukturen werden so genau gerastert, dass Fenster- und Türenausschnitte jeweils an die gleiche Strukturstelle gelegt werden können. Für die Anschlüsse werden die Matrizen passgenau ausgeschnitten, dann wird eine Abschalung in den Ausschnitt eingesetzt. Abschalungen werden mit einer speziellen Absperrpaste bestrichen, mit der sich das Zerschneiden der Matrize für diesen Einsatz vermeiden lässt. Die Matrizen sind so elastisch, dass beim Entschalen keine Schäden wie Kantenausbrüche gefürchtet werden müssen.

 

Individuelle Lösungen

Für individuelle Gestaltungsideen werden eigene Modelle geschaffen, auf denen später die Matrizen gegossen werden. Die Modelle werden auf Grundlage einer genauen Beschreibung des Designs, eines Schemas oder Fotos oder einer dwg-Datei erstellt.  Abhängig von der Komplexität und dem gewünschten Effekt entstehen die Modelle an einer computergesteuerten CNC-Fräse oder werden per Hand von fachkundigen Schreinern und ­Modellbauern gefertigt. Nach der Abnahme des Positivmodells durch den Architekten kann die Matrize gegossen werden. Noch im Werk durchgeführte Probegüsse stellen sicher, dass die Matrize einwandfrei mit Beton und Trennmittel verträglich ist. Nach der internen Qualitätskontrolle kann sie im Fertigteilwerk oder vor Ort auf der Baustelle eingesetzt werden.

Bei der Bebauung des Berliner Schinkelplatzes waren Planung und Ausführung der geschlemmten Betonfassade Millimeterarbeit. Architekt Volker Staab entwickelte behutsam einen Entwurf in der historischen Mitte Berlins, deren architektonische Gestaltung vom Bausenat mit strikten Auflagen geregelt wurde. Staabs Büro orientierte sich bei seinem Entwurf an den Fassaden historischer Gebäude, deren Plastizität sich gewöhnlich vom Sockel bis zur Traufe verändert; schon früh entstand daraus die Idee, eine abstrahierte Putz-Struktur zu entwickeln. Mit diesem gestalterischen Anspruch trat Staab schon während der Ideenfindung an den Matrizenhersteller heran, um die Machbarkeit des Designs abzuklären. Schon bereits Monate vor der Realisierung wurden auf Herstellerseite erste Tests vorgenommen und Versuche entwickelt, um die Anforderungen für die Entwicklung der Struktur zu klären. Entsprechend gebrieft, kreierte das Büro Staab die gewünschte Optik.

Das Bild der Putzstruktur wurde zehnfach vergrößert, am Computer in ein dreidimensionales Relief übersetzt und dieses anschließend per CNC-Fräse in einen Plattenwerkstoff gefräst. Auf diesem Modell wurde anschließend die Matrize mit einer Standardbreite von 2,75 m gegossen, die Längen variierten je nach Geschosshöhe. Während des gesamten Prozesses arbeiteten Architekten, Projektleiter, Betonverarbeiter und Matrizenhersteller Hand in Hand. Um das perfekte Ergebnis zu sichern, wurden die Herstellungsschritte während des Baus stetig weiterentwickelt und mittels Arbeitsanweisungen und Checklisten gesichert.

Die Fassade wurde in einzelne Betonierabschnitte untergliedert: Ein Abschnitt entsprach der Ladung eines Betonmischers. Für die schnelle und effiziente Verarbeitung wurden die Matrizen auf Trägerplatten verklebt, die rückseitig mit dem Schalsystem verschraubt wurden. Ein Kran versetzte die Schalungselemente, die dann millimetergenau justiert und anschließend betoniert wurden. Die enge Zusammenarbeit von Architekt und Matrizenhersteller während der gesamten Planungs- und Bauphase wurde mit einer makellosen Fassade belohnt.

Auch beim Bau des Museums für Architekturzeichnungen in Berlin kamen individuelle elastische Schalungseinlagen zum Einsatz. Der deutsch-russische Architekt Sergei Tchoban wollte schon nach außen hin sichtbar machen, dass sich im Inneren des Museums alles um Papier und Skizzen dreht. Entsprechend wurden die vier Geschosse des Gebäudes als versetzt übereinandergestapelte Blöcke geplant, um an Papierstapel zu erinnern. Die Fassade schmücken Ausschnitte der ersten Architekturzeichnung, die Tchoban 2001 kaufte und die den Start seiner eigenen Sammlung markiert. Jede Etage des Museums zeigt ein eigenes Motiv. Die Ausschnitte wurden mit einem Überlappungseffekt auf die Fassade aufgebracht, um an einen aufgefächerten Papierstapel zu erinnern.

Zusätzlich wählte Tchoban an vereinzelten Stellen der Fassade eine Rillenstruktur, die ebenfalls mit elastischen Schalungseinlagen in den Beton gebracht wurde und die Seitenansicht eines Zeichnungsstapels nachempfindet. Die Matrizen für beide Motive kamen direkt auf der Baustelle zu Einsatz und wurden vor Ort auf der Trägerschalung verklebt, bevor die einzelnen Fassadenabschnitte betoniert wurden. Aus der Distanz betrachtet, gibt das Gebäude ein harmonisches Gesamtbild ab und enthüllt beim Näherkommen immer neue, spannende Details für den Betrachter.

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