Rechtsprechung

Mehr Honorar bei Bauzeitverlängerung? Das geht!

(Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 06.09.2018; BGH, Beschluss v. 29.07.2020 – VII ZR 201/18)

Das Oberlandesgericht Dresden (kurz: OLG) hatte einen Fall zu entscheiden, wo ein Architekt auf zusätzliches Honorar geklagt hatte, da sich der Zeitraum für die Bauüberwachung mehr als verdoppelt hatte. Der Bauherr und der Architekt gingen bei Vertragsschluss davon aus, dass die Bauüberwachung der Sanierung einer Deponie neun Monate betragen würde. Hierauf bot der Architekt ein Pauschalhonorar an, was der Bauherr sodann beauftragte.

Zu Beginn der Bauarbeiten vertrat der Architekt die Auffassung, dass eine Kampfmittelüberwachung notwendig sei. Eine anschließende Untersuchung ergab eine entsprechende Indikation. Auch in der Folgezeit stellt sich der Verdacht des Architekten als begründet heraus. Die Deponie war erheblich mit Kampfmitteln belastet. Es mussten gepanzerte Baufahrzeuge eingesetzt werden. Die veränderten Bedingungen führten zu einer erheblichen Anzahl an Nachträgen der Baufirma. Auch der ursprüngliche Bauzeitenplan verlängerte sich von neun auf dann 21 Monate.

Der Architekt vertrat den Standpunkt, bei Auftragsvergabe von der Kampfmittelbelastung nichts gewusst und das Pauschalangebot dementsprechend abgegeben zu haben. Die Änderungen, die das Bauvorhaben erfuhr, seien für den Architekten nicht vorhersehbar gewesen. Aus diesem Grunde habe sich die Geschäftsgrundlage des Vertrages im Hinblick auf die Bodenverhältnisse und die zeitliche Dauer der Überwachung geändert. Ihm stehe daher eine Anpassung der Vergütung an die neuen Verhältnisse zu.

Das OLG bestätigte die Auffassung des Architekten! Das Gericht hat dem Architekten aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage einen Anspruch auf Anpassung des Honorars zugesprochen.

Hierbei hat das Gericht festgestellt, dass die Bodenverhältnisse und die Bauzeit zu Vertragsgrundlagen zwischen den Vertragsparteien geworden seien und sich diese nach Vertragsschluss so schwerwiegend geändert hätten, dass dem Architekten ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten war. Das erheblich veränderte Sanierungskonzept und die dadurch um mehr als das Doppelte gestiegene Bauzeit stelle eine Störung des Äquilvalenzverhältnisses zwischen der Ingenieurleistung des Architekten und der von dem Bauherrn geschuldeten Pauschalvergütung dar.

Da diese nicht in den Risikobereich des Architekten falle, konnte dieser daher eine Honoraranpassung verlangen. Das Gericht entschied, dass das zusätzliche Honorar sich nicht anhand der gestiegenen anrechenbaren Kosten berechne, da vom Bauherrn nicht nachgewiesen worden sei, dass das Pauschalhonorar hiernach berechnet wurde. Vielmehr wurde das Pauschalhonorar vom Architekten nach der zu erwartenden Bauzeit von neun Monaten gebildet.

Nach Auffassung des Gerichts war der Architekt auch nicht gehalten, einen konkreten Mehraufwand darzulegen. Einer solchen Verpflichtung stehe entgegen, dass das Honorar des Ingenieurs grundsätzlich aufwandsneutral gewährt wird. Das Gericht hatte aus diesem Grund nach § 287 ZPO die Mehrvergütung  anhand des um zwölf Monate verlängerten Leistungszeitraumes geschätzt und dem Architekten zugesprochen.

Dies ist also eine der wenigen Entscheidungen, wo einem Architekten über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Honoraranpassung zugesprochen wurde. Dem Architekten kam dabei zugute, dass er sein Honorar nachweislich am Zeitrahmen und nicht anhand der anrechenbaren Kosten, Honorarzone und Honorarsatz orientiert hatte.

Im Ergebnis eine zu begrüßende Entscheidung, die gerade für die ab dem 1.1.2021 geltende HOAI (frei zu vereinbarendes Honorar) eine wichtige Rolle spielen kann. Dennoch muss vor einer allzu großen Verallgemeinerung dieser Entscheidung gewarnt werden. Hier sind doch viele Aspekte zusammengekommen, welche letztlich die Überzeugung des Gerichts ausgelöst haben. Ob das in einem zukünftigen Fall auch so entschieden würde, muss als fraglich angesehen werden.

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