Liebe Leserinnen und Leser,

wie wohnen Sie denn eigentlich? Gemütlich, gesund und energiegeladen? Oder doch eher eng, gezwungenermaßen und viel zu teuer? Unser Titelthema
„Wohnen in der Stadt“ ist ein wichtiges im Jahresthemenlauf. Denn nicht nur am Umsatz gemessen scheint der Wohnungsbau die wichtigste Sparte im Bauhauptgewerbe zu sein. Mit dem Wirtschaftsbau und Öffentlichem Bau. „Scheint“, denn tatsächlich hat der Wirtschaftsbau den erstgenannten Sektor bereits überholt. Die Wahrnehmung allerdings, dass das Wohnen immer noch die zentrale Bauaufgabe in Deutschland ist, macht sich fest bei jedem Gang durch unsere Städte: Überall entstehen komplett neue Wohnviertel, mal am Rand, dann in der Mitte, häufig auf Konversionsflächen, die es scheinbar noch immer in Fülle gibt, manchmal auf handtuchgroßen Flächen mittendrin oder im Grünen, kantenscharf an immer noch fleißig beackerten Feldern.

Dort überall dominieren die unter Steildächern realisierten Eigentumsträume mit schmalen Grünstreifen drumherum, jeder Traum vom unübersehbaren Bemühen getrieben, Individualität in der Masse zu kreieren; mal mit bunten Dachpfannen, mal mit der Andeutung eines Portikus, mal mit gewagtem Farbpigmentzuschlag. In den großen Städten gibt es den Mix von Mehrfami­lienhäusern und Stadtvillen mit extensiv begrüntem Flachdach und immer wieder unterschiedlichst gestalteten Miniaturaußenräumen wie Loggien oder Balkone oder Terrassenlandschaften bis auf das Dach hinauf.

Wohnraum muss wieder erschwinglich werden postulieren Industrie und Politik. Letztere verweist auf Grundrechte, auf den Erhalt des sozialen Friedens und ganz nebenbei auf den Faktor Altersvorsorge, aus welcher  sich der Staat zunehmend verabschiedet; verabschieden muss, angesichts des zunehmenden Ungleichgewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben.

Das alles ist bekannt. Weniger spricht man über neue Wohnformen, die das Problem der Knappheit auf dem Wohnungsmarkt zumindest lindern können. Wohnformen, die jahrzehntelang schon diskutiert und ausprobiert wurden, bisher aber immer einer Art von Wohnelite vorbehalten zu sein schienen: den Wohlhabenden und den Engagierten. Mehrgenerationenwohnen, Inklusives Wohnen, Wohnen auf Zeit, Flexibles Wohnen, Altersgerechtes Wohnen, Wohnen mit weniger sogenanntem Wohnkomfort, dafür mit mehr Lebensqualität. Nachhaltiges Wohnen (was immer das sein könnte!), neue Mobilität, neues Arbeiten, neues Lebensabschnittswohnen … Es gibt soviel, was machbar wäre. Warum dann immer doch nur von der Stange?

Wir sprachen mit unseren HeftparterInnen Karin Damrau und Bernd Kusserow von Damrau Kusserow Architekten, Köln, genau darüber: Was möglich ist und sein sollte, mit welchen Materialien an welchen Orten welche Grundrisse für welches Zusammenleben theoretisch denkbar wären. Und wie man die Theorie in die Praxis biegen könnte und kann. Am Ende hatten wir fünf Projekte aus Deutschland, der Schweiz, Spanien und Belgien (letzteres kam nicht ins Heft, Caruso St. John wollten nicht mitmachen). Bei allen Projekten stand die Einbindung in den Stadtraum, die Entwicklung teils überraschend ungewöhnlich einfacher Grundrisslösungen im Fokus; immer geht es um Gemeinschaft und wie man diese erhalten und für das Quartier aktivieren kann.

Wohnen ist eine sehr individuelle Sache, das ist klar, aber das Wohnen geht alle an. Es ist ein zentrales gesellschaftliches und damit unbedingt auch ein zentrales planerisches Thema, das wir mit dem Wissen aus seiner langen Geschichte immer wieder neu gestalten, gestalten müssen!

Seien Sie herzlich gegrüßt, bleiben Sie beweglich,

Ihr

Benedikt Kraft

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