Le Corbusier. „An Atlas of Modern Landscapes“
www.moma.org, obrasocial.lacaixa.es

Schon 1932, in der ersten Ausstellung der durch Philip Johnson neu gegründeten Architekturabteilung des MoMA in New York, die unter dem Titel „International Exhibition of Modern Architecture“ lief, war Le Corbusier (Charles-Édouard Jeanneret, 1887-1965) mit drei Projekten vertreten. Diese Ausstellung mit der von Philip Johnson und Henry-Russell Hitchcock herausgegebenen Begleitpublikation „The International Style“ etablierte die (Bauhaus)Moderne weltweit und gab ihr den bis heute gängigen stilistischen Stempel. Die nun gezeigt Retrospektive „An Atlas of Modern Landscapes“ ist aber die erste große MoMA Einzelausstellung über den gebürtigen Schweizer, der sich erst später das Pseudonym Le Corbusier zulegte und auch die französische Staatsbürgerschaft annahm. Die Ausstellung ist auf dem bekannt hohen Niveau aller MoMA Shows kuratiert und beeindruckt schon durch die gewaltige Masse der originalen Zeichnungen, Gemälde, Skizzen, Modelle und rekonstruierten Innenräumen.

Den Auftakt macht das originalgetreu nachgebaute Interieur des Cabanon, Cor­busiers eigenem kleinen Ferienhaus in Roquebrune-Cap-Martin (1951-52). Daran anschließend werden 60 Jahre Schaffens des Ausnahmearchitekten abgespult, die den jungen Schüler und Reisenden ebenso beleuchten, wie den Maler und Schreiber, aber vor allem natürlich den gereiften Architekten, der in jedem Maßstab zuhause war. Den Interieurs stehen Großprojekte und gewaltige Stadtplanungen und Visionen gegenüber. Das ausschließlich historische Planmaterial und die kubistischen Ölgemälde Le Corbusiers werden durch Modelle und originale Filmaufzeichnungen und Interviews ergänzt. Die Dichte der Ausstellungsstücke ist beeindruckend, bisweilen einschüchternd und wird nicht durch Rekonstruktionen etc. verfälscht. Denn das Besondere dieser Ausstellung ist die durchgängig lesbare Autorschaft des Verfassers, die bei heutigen Architekturausstellungen all zu oft hinter „perfekten“ Visualisierungen und Animationen verschwindet. Auch die Modelle sind fast ausschließlich Originale aus den Beständen des MoMA und der Fondation Le Corbusier. Relativ große zeitgenössische Fotos gibt es jeweils nur eines je Projekt und auch nur als „Randnotiz“ so hoch an den Wänden platziert, dass sie zuerst kaum wahrgenommen werden und nicht mit den Originalmaterialien konkurrieren.

Auch wer meint, schon alles über und von Le Corbusier gesehen und gelesen zu haben, wird von der Komplexität von „An Atlas of Modern Landscapes“ beindruckt sein. Der rote Faden der chronologischen Darbietung ist die Landschaft, die der junge Jeanneret in seiner Heimat, dem Schweizer Jura, sowie auf seinen frühen Orientreisen in Aquarell, Kreide und Bleistift gezeichnet hat. Aber auch die frühen Wohnhausentwürfe in der Schweiz und seine Pariser Villen sind fließende Innenraumlandschaften, die von Gebäudekompositionen (Palast der Sowjets und Völkerbundpalast in Genf) bis zu Stadtlandschaften wie für Algier, Paris und Chandigarh reichen. Der Zyklus schließt sich mit einem kontextuellen Foto des Cabanon, in dessen Sichtweite Le Corbusier einen Herzschlag erlitt und ertrank.

Wer es nicht ins MoMA schaffte kann die gleiche Ausstellung im nächsten Jahr in Spanien besuchen: Und zwar dort in der Fundació „la Caixa“ Barcelona vom 28.01. bis zum 11.05.2014 und in der Fundació „la Caixa“ Madrid vom 11.06. bis zum 13.10.2014. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog im MoMA-Verlag erschienen, der demnächst in der DBZ besprochen wird. Frank F. Drewes

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