NEW Blauhaus, Mönchengladbach-Rheydt

Kristallin und
klimafreundlich
NEW Blauhaus, Mönchengladbach-Rheydt

Das NEW Blauhaus in Mönchengladbach fällt durch seine markante Fassade auf, eine alternierende
Mischung aus unterschiedlich geneigten Glasflächen und Photovoltaikelementen. Sie weist darauf hin, dass sich im Gebäude ein Kundenzentrum für nach­haltige Energiesysteme befindet.

Die Idee, Akteure zum Thema Energie aus Wirtschaft und Hochschule und auch Exis­tenzgründer unter einem Dach zu bündeln, fanden kadawittfeldarchitektur aus Aachen schon bei der Auslobung des Wettbewerbes ungemein reizvoll. Und letztlich gewannen sie ihn auch mit dem Anspruch, für diesen integralen Gedanken eine bauliche Entsprechung zu finden. Hauptnutzer sind die Nieder-rhein Energie Wasser GmbH (NEW) mit einem Kundenzentrum zu klimafreundlichen Energiesystemen, die Hochschule Niederrhein
und im 2. OG Büros für Start-up-Unternehmen im nachhaltigen Energiebereich. Die Hochschule bezog mit ihrem Studentensekretariat Teile des Erdgeschosses, in den beiden mittleren Obergeschossen wurden nun Seite an Seite mit den Existenzgründern verschiedene Lehr- und Verwaltungseinheiten untergebracht. In der obersten Volletage sowie dem darüber befindlichen Geschoss ist der neue Sitz der Hochschulbibliothek.

Der Energiebetreiber unterhält im Erdgeschoss ein Beratungszentrum, zu dem im Untergeschoss ein Ausstellungsbereich gehört. Entsprechend dem eigenen Bestreben, intensiv Werbung für nachhaltige Energien zu machen, wurde der Bau selbst natürlich im Passivhausstandard errichtet und CO2-neutral betrieben.

Von außen erfahrbar ist die Thematik durch ein Schaufenster auf Straßenniveau, das die kleine Gerätesammlung belichtet. Hierüber wollen die Architekten Passanten für das Thema Nachhaltigkeit sen­sibilisieren und zu einem Besuch des Kundenzentrums animieren. Strahler setzen in dem Showroom die klimafreundlichen Geräte effekt­voll in Szene: Im Zentrum steht das real arbeitende, technische Herz des Hauses, eine Umkehr-Wärmepumpe. Zu Demonstrationszwecken wird sie ergänzt von einer Absorptionskältemaschine und einem Blockheizkraftwerk.

In der Nordwand des schwarz angelegten Raumes sitzt ein druckwasserdichtes Fenster, das den Blick in einen 150 m³ großen Eisspeichertank freigibt, letztlich eine Aquariumperspektive in ein großes Wasserbassin. In ihm sieht man Wärmetauscherschleifen, die im Sommer durch das Wasser gekühlt werden und im Winter diesem seine Wärme entziehen. Dann frieren die Schleifen zunehmend zu und ein wachsender Eispanzer legt sich um sie. Auch wenn das Speichervolumen fast vollständig gefüllt ist, ist seine Wassermenge so bemessen, dass die enorme Eisausdehnung den Raum nicht gefährdet.

Im Grundriss ein Pentagon

Die Wettbewerbsauslobung favorisierte eine Orientierung an der Nachbarbebauung, auch sollte vorzugsweise der Neubau daran anschließen. Dies erschien den Aachener Architekten aber für die Aufgabenstellung als nicht angemessen; das Büro favorisierte vielmehr einen Solitär. In dem sich dadurch ergebenden Freiraum ordneten sie einen Fußweg an, der von der Richard-Wagner-Straße am Neubau vorbei auf das bestehende Campusgelände führt und der das neue Entrée zur Hochschule bildet. Der Neubau bekommt dadurch eine Torfunktion, indem nun folgerichtig das Studentensekretariat platziert ist.

Natürlich soll sich der Gebäudeeingang einerseits der Straße zuwenden, andererseits diesen Weg auch flankieren – eine Überlegung, die zu einer Grundrissdiagonalen auf der Nordostseite führte. Auf der Nordwestseite steht auf dem Grundstück eine denkmalgeschützte Buche, zu der ein Abstand einzuhalten war, was hier ebenfalls eine Diagonale nahelegte. Alle anderen drei Gebäudekanten ergaben sich aus dem Bebauungsplan, was den fünfeckigen Grundriss ergab. Um auch Tageslicht in die Kernbereiche zu leiten, fügten die Architekten ein außermittiges Atrium ein, das jedoch erst im Obergeschoss oberhalb des großen Foyers be-ginnt. Das große Foyer im Erdgeschoss wird sowohl durch den Energiebetreiber wie durch die Hochschule genutzt. Mit einer dezenten Glasfront können aber diese beiden Funktionen separiert werden. Vor dieser Lobby springt die Außenfassade des Erdgeschosses zurück, ihre keilförmig ausgestellten geschuppten Elemente weichen einer zurückgesetzten Glasfront und dem Haupteingang.

Facettenreiche Fassade

Bei der Fassade alternieren geschosshohe Fenster mit opaken Wandflächen, die überwiegend mit Photovoltaikelementen besetzt sind. Nur dort, wo die Sonneneinstrahlung zu gering war, verzichteten die Planer auf diese und setzten dort stattdessen in der Farbigkeit identisch erscheinende, opake Glasflächen ein. Dies geschah an den beiden Nordflanken, auf Höhe der beiden unteren Geschossebenen sowie in den Ecken. Während die Glasflächen sich zum Erdboden neigen, wenden sich die PV-Flächen zum Himmel. Zum einen ist dies dem formalen Ziel geschuldet, den monolithischen Gebäudeeindruck zu steigern, zum anderen ganz praktischen Erwägungen: Einerseits kann so die Effektivität der Solarmodule erhöht, andererseits aber auch die energetische Kraft direkter Sonneneinstrahlung in die Fenster baulich reduziert werden.

Die Ausstellwinkel der geschlossenen Wandfelder variieren nach ihrer Lage am Gebäude. Auf den Nordseiten, die gleichzeitig dessen repräsentative Hauptfassaden darstellen, wollten die Architekten deren Dreidimensionalität betonen und legten hier eine Neigung von 6 ° fest. Für die Ost- wie die Westfront empfahl sich infolge eines niedrigeren Sonnenstandes eine geringere Neigung, weshalb man sich hier für 4 ° entschied. Die Südseite schließlich legten die Architekten vollkommen plan an. Ein Ausstellen der Elemente hätte zu deren gegenseitiger Verschattung geführt und die Energieleistung minimiert. Neben den konstruktiven Argumenten war den Architekten aber auch eine formale Abstufung der Gebäudeseiten wichtig. Denn, wie erwähnt, bewerten sie den Norden als Vorderfront, den Süden hingegen als seine Rückseite, hier befindet sich auch der erforderliche Parkplatz.

Das Achsmaß aller Fassadenelemente basiert auf dem für Büro­gebäude optimalen Raster von 1,35 m. Sowohl die Fensterflächen wie auch die opaken Fassadenelemente besitzen alle eine identische Breite und wurden in der Höhe immer über die Geschossdecken

hinausgezogen. Deren untere Kanten sitzen nur getrennt durch eine schmale horizontale Fuge auf den Fassadenelementen des Geschosses darunter. In den Bereichen vor den Deckenabschlüssen wurden sie, wie auch der Hohlraumboden darüber, mit Wärmedämmung und einem davor sitzenden Jalousiekasten verblendet. Innenseitig sitzt ein geschosshohes Komfortfenster, das zu Lüftungs- und Wartungszwecken geöffnet werden kann. Die äußere, geneigte Scheibe fungiert als reine Absturzsicherung ohne eine dämmende Funktion, denn der keilförmige Luftraum zwischen den beiden Glasfronten ist dauerhaft natürlich belüftet. Auch in den geschlossenen Wandflächen befindet sich ein keilförmiger Luftraum. Nach außen findet sich wahlweise das geneigte PV-Element oder eine opake Glasscheibe, auf der Innenseite sitzt in der Ebene der Glasscheibe ein gedämmtes Metallpaneel. Davor platzierten die Architekten jeweils einen Heizkonvektor.
Die alternierende Fassade ist von großem Vorteil für die flexible Anlage der Grundrisse gewesen. So wurden die Büros ringförmig um den Kern entlang der Außenseiten angelegt. Der regelmäßige Wechsel von offenen und geschlossenen Flächen begünstigte dabei die Anlage sowohl von Großraumbüros von der Bibliothek wie auch die Schaffung von Einzelbüros, da diese immer mindestens zwei Achsen à 1,35 m benötigen.

Gerüstlose Montage

Auch wenn die Erscheinungsform der Fassade schon in einer frühen Entwurfphase feststand, war lange offen, wie sie am wirtschaftlichsten zu realisieren war. Es existierten zwei Konzepte: Einmal eine Ausführung als klassische Lochfassade, vor die PV-Elemente gehängt und in die Fenster eingesetzt werden, zum anderen eine Elementfassade, bei der sowohl die Fenster wie die geschlossenen Bereiche als Ganzes an die Rohdecke gehängt werden. In einem integralen Planungsprozess spielte man in Zusammenarbeit mit der Rache Enginee­ring GmbH die Varianten durch, kalkulierte, verglich und entschied sich schließlich für die zweite Version.

Ausschlaggebend war der Zeitfaktor, da die Elemente im Werk bereits vorproduziert werden konnten, während der Rohbau erst im Bau war. Ferner war eine kontinuierliche Qualitätssicherung sichergestellt, denn letztendlich konzipierte man sowohl für die Fenster wie die opaken Flächen einheitliche, kastenartige Elemente. Bei den
Fensterelementen gehört die innere Glasfront zum Bauteil, bei den geschlossenen Flächen auch die inneren Metallpaneele. Beide Elementarten wurden von demselben Hersteller produziert, der auch die eigens hierfür her­gestellten Photovoltaikelemente in die entsprechenden, keilförmigen Rahmen endmontierte, deren sichtbare Aluminiumkante bei allen Fassadenbauteilen, egal ob Fens-ter- oder Solarmodul, 36 mm breit ist.

Zwei Sattelschlepper lieferten täglich jeweils zehn Fassadenelemente an, die mit einem Kran direkt an ihre

finale Position gehoben und dort eingehängt wurden. Befestigt wurden die Elemente bei der gerüstlosen Montage über Ankerplatten, welche die Fassadenbauer vorab auf die Rohdecke montiert und grob ausgerichtet hatten. Final wurden die Elemente dann mittels einer Schraubenkonstruktion justiert. Robert Mehl, Aachen
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