Krankenhausbau
Ein Gespräch über Bauherren, über Qualität und Funktionalität

Warum sehen viele Krankenhäuser auch so aus wie Krankenhäuser? Warum ist das eigentlich so? Was bedeutet es, wenn Architekten für Patienten, Besucher, Personal und Ärzte zu bauen? Wie stehen Funktion und Gestaltung zueinander? Welchen Stellenwert hat der Städtebau? Welche Materialien, Oberflächen und Einrichtungen haben sich bewährt? Wie gehen Krankenhausplaner mit dem Kostendruck um? Wie wird mit wem geplant, welche Prozesse sind dafür nötig? Diese und viele andere Fragen wurden in einem Gespräch mit den Architekten eines der führenden Architekturbüros im Bereich des Gesundheits-, Universitäts- und Sozialbaus besprochen und diskutiert, dem Büro Wörner Traxler Richter in Frankfurt.

Krankenhäuser und Architektur

„Krankenhäuser zu bauen, ist für Architekten eine hochkomplexe Aufgabe. Wie komplex, das stellt man spätestens dann wieder fest, wenn man sich ab und an einem ganz anderen Architekturthema widmet. Dann erscheinen Aufgaben wie zum Beispiel eine Wohnanlage, ein Bürohochhaus oder ein Museum plötzlich ganz einfach architektonisch lösbar. Das soll nicht überheblich klingen, aber im Krankenhausbau muss man mit derart komplizierten Zwängen und Zusammenhängen funktionaler Art umgehen lernen, da stellt sich die Aufgabe so schwierig, differenziert und delikat dar, dass man ungeheuer viel Zeit allein dafür verbraucht, sämtlichen Anforderungen und Erfordernissen Herr zu werden. Das wiederum bedeutet, dass man erst spät innerhalb der Planung zu dem Punkt kommt, an dem alles miteinander korrespondiert und funktioniert. Und, wenn man dann soweit ist, hat man häufig in dem eng gefassten Termin- und Kostenrahmen keine Zeit mehr, wirklich über Architektur nachzudenken. Da wird nur in der Horizontalen gedacht, Grundrisse oft monate- und jahrelang geplant, verworfen, geprüft und optimiert, um dann übereinander gestapelt zu werden. Die Optik der Häuser spiegelt das dann auch oft wieder.

Mit dieser Erfahrung, haben wir uns als Büro der zweiten Generation Krankenhausplaner von Anfang an bemüht, uns so zu organisieren, dass wir Zeit für die Architektur unserer Häuser gewinnen. Wir haben die Medizintechnik aus unserer Arbeit „outgesourced“, um mehr Zeit zu haben, uns in
öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerben verschiedener architektonischer Aufgabenstellungen zu messen und Standpunkte für den Krankenhausbau zu formulieren. Das alles meint nicht, dass wir Funktionalität oder Komplexität dieser Häuser zu Gunsten der Architektur ignorieren, vielmehr beziehen wir diese ein in die Idee, die wir brauchen, um zur Architektur des jeweiligen Hauses zu gelangen. Wir nehmen uns die Zeit, um über Typologien nachzudenken, die uns einerseits helfen, die Funktionalität zu bändigen, andererseits zu Strukturen führen, die uns bei städtebaulichen wie architektonischen Fragestellungen helfen.

Wir müssen den Ansprüchen unserer Auftraggeber ebenso Rechnung tragen, wie auch der Öffentlichkeit und wir müssen uns die Frage stellen: Welchen Wert stellt diese Bauaufgabe gesellschaftlich dar? Und leider stellen wir immer wieder fest, dass der Krankenhausbau architektonisch keinen besonderen Stellenwert einnimmt, absolut erstaunlich, weil diese Projekte eine nicht unerhebliche Prägnanz im Stadtbild haben und nicht selten die größten Baumaßnahmen einer Gemeinde oder sogar eines Bundeslandes innerhalb einer Dekade darstellen.

Wir stellen auch häufig fest, dass das Thema Architektur von Seiten unserer Auftraggeber aus dem Gesundheitswesen nicht die erste Stelle auf deren Prioritätenliste hat. Architektur wird von dort häufig nicht wirklich abgefragt oder gar hinterfragt. Dass wir Architektur mitliefern, wird einfach erwartet. Dann muss geklärt werden: Was können wir hier entwickeln? Was fordert die Öffentlichkeit? Was erwartet der Bauherr? Und alles drei unterscheidet sich nicht selten immens vonein­ander und von anderen Bauaufgaben.

Ein Krankenhaus, das ist eigentlich eine richtig coole Bauaufgabe, so empfinden wir das, eine Aufgabe, die einen total fordert und mit unglaublich vielen Menschen zusammenbringt.“

Was ist eigentlich Qualität?

„Den Anspruch, den wir an die Architektur und Qualität unserer Häuser haben, bedeutet auch, dass wir alle von unserer Idee überzeugen und mitzunehmen wollen. Das schaffen wir nicht immer. Aber wir versuchen auszuloten, wie weit wir mit unseren Ansprüchen gehen können, wo und welche Abstriche wir machen müssen.

Da wir mit unserem Architekturbüro auch Unternehmer sind, tragen wir die architektonische Verantwortung für unsere Projekte, aber auch für 130 Mitarbeiter. So werden wir immer für unseren Anspruch kämpfen, mit so viel Herzblut wie möglich, aber auch mit unternehmerischem Weitblick. Uns ist wichtig zu wissen, dass wir unsere Chancen nicht vertan haben.

Wir können ein Haus immer so planen, dass es als richtig empfunden und wahrgenommen wird, dass in dieser betriebsamen „Maschine“ Krankenhaus auf Grund korrekter Strukturen Wege verkürzt und Arbeitsprozesse erleichtert werden. Das lässt sich erarbeiten, egal, ob man wenig oder viel Geld für Architektur ausgeben darf. Wir wollen Häuser schaffen, die nicht nur gut funktionieren, sondern auch gut kommunizieren. Wir wünschen uns deshalb Bauherren, die einfach mehr von uns möchten, die sich mit ihren Häusern identifizieren und sie als Marke präsentieren wollen.“

Was muss ein Krankenhaus leisten?

„Wir mögen das Wort Gesundheitszentrum nicht, das Wort Krankenhaus vielleicht auch nicht, aber ein Krankenhaus, und das, was wir historisch mit diesem Wort verbinden, das übernimmt städtebauliche und gemeinnützige Funktionen im besten Sinne. Viele unserer Häuser beinhalten und übernehmen soziale Leistungen, sei es in der Helios Klinik Gotha, wo das Restaurant im exotisch begrünten Innenhof selbst von Externen gerne besucht wird, sei es am Universitätsklinikum Leipzig, wo man mit seinen Kindern am Krankenhausboulevard entlangschlendert, um dann in der Eingangshalle „Lurch“, der riesigen Spielzeugechse, einen Besuch abzustatten oder im Klinikum Offenbach, wo eine farbenfrohe Welt auch nicht Deutsch Sprechenden oder Lesenden Orientierung bietet.

Das Krankenhaus hat sich über seine ursächliche Aufgabe, Gesundheit wieder herzustellen, mit viel mehr Funktionen und Aufgaben angereichert. Unabhängig von dem unternehmerischen Ansatz eines Hauses haben wir als Architekten die Aufgabe, einen Vorschlag zu machen und alle Beteiligten für eine Idee zu begeistern. Ganz ehrlich, die Architektur spielt dabei eine Rolle, aber macht nicht den Erfolg eines Hauses aus. So ein Haus muss extrem effizient und wirtschaftlich sein. Deshalb wollen wir bei der Planung eine so starke Urkonzeption anlegen, dass uns auf dem weiteren Weg die architektonische Idee nicht verloren geht“.

Die guten Bauherren

„Wir können unsere Bauherren meist gut einschätzen und sie sind in ihren Ansprüchen alle nicht weit voneinander entfernt. Wenn es gelingt, eine persönliche Beziehung aufzubauen, dann kann das zu einem wirklich guten Ergebnis führen. Was wir brauchen sind Partner, die mit ihrer Berufsauffassung der unseren nahe sind. Das sind vor allem die Pflegekräfte, Ärzte oder auch Chefärzte, die vor Ort arbeiten und ihre persönlichen und die allgemeinen Bedürfnisse eines solchen Hauses genau kennen. Wir haben viele Instrumente entwickelt, um unter all diesen
unterschiedlichen Ansprüchen den Überblick zu behalten, zu moderieren, und die Disziplin während der Planung beizubehalten. Da spielt unsere Erfahrung schon eine wesentliche Rolle. Es ist ein große Aufgabe, Bauherren zu verstehen, zu binden und von und mit architektonischem Anspruch zu überzeugen. Aber es ist ein positives Spannungsfeld, in dem wir uns befinden und das wir für unsere Arbeit brauchen“.

Was macht ein Krankenhaus erfolgreich?

„Wie bewertet man den Erfolg eines Projektes und wie kann man Bauherren so mitnehmen, dass es ein erfolgreiches Projekt wird? Wir diskutieren darüber, wie viel Bewegungsspielraum wir bei der Planung wirklich haben und warum die Qualität bei so vielen Projekten fehlt. Unabhängig vom finanziellen Rahmen kann man eine Aufgabe gut oder weniger gut lösen. Wir reden über die Struktur des Krankenhauses, seine Logik, über Systematik und über Typologien. Hier geht es um nachhaltige Aspekte. Es gilt, die Arbeitsabläufe funktional zu lösen. Wir extrahieren die Funktionalitäten, wir quantifizieren und fügen sie neu zusammen oder erhalten sie. Unabhängig von der Funktionalität überlegen wir, was könnte da eigent­lich für eine Gesamtgebäudemasse funktionieren. Parallel zerlegt man das Haus in Untereinheiten und weiß genau, was unter welcher Kubatur am besten funktionieren wird.

Über die Typologien hinaus haben wir uns auch schon mit der Überlegung und Übung beschäftigt, ob man nicht die Idealform eines Krankenhauses entwickeln und zigmal realisieren kann. Wir sind allerdings immer zu dem Schluss gekommen, das dies nicht wünschenswert sein kann, weil die Adaption an den Ort fehlen oder zu kurz kommen würde, vom Anspruch  der Markenbildung über den häuslichen Phänotyp ganz abgesehen. Was wir außerdem ablehnen, ist eine gesetzte Form, die sich nur aus einer schnellen Idee oder aus einem Zwang heraus entwickelt. Man muss verstehen und nachvollziehen können, warum ein Krankenhaus einer bestimmten Typologie und Kubatur unterliegt.
Ansprüche und Prozesse, Zuordnungen und Funktionalitäten haben sich im Krankenhaus immer wieder und in den letzten Jahren nochmals stark verändert. OPs werden technisch immer differenzierter, Verdichtung, die Kompaktheit und kurze Wege stehen im Vordergrund. Die Tendenz geht zu einer Konzentration der Funktionen. Ganz wichtig ist die räumliche Wahrnehmung in der Eingangshalle, in den Fluren und den Patientenzimmern. Unser Ansinnen dabei ist, sympathische räumliche Wirkungen durch Farbe, durch Licht und durch Oberflächen zu erzeugen. Wichtig ist, ein Haus ständig im Kopf zu durchlaufen und zu fragen, kommen alle hier zurecht?, funktioniert das so wie wir es wollen? Nach 10 Jahren eines unserer Häuser nochmals zu besuchen ist besonders interessant. Dabei stellen wir fest, je schöner das Haus, je wertiger es angelegt wurde und je näher das Haus den Menschen durch seine Schönheit und treffsichere Anlage zugewandt ist, desto mehr bemühen sich die Menschen um ihr Haus und um seinen Erhalt“.

Universitätsklinikum Leipzig

Für die Neubauten am Universitätsklinikum Leipzig Zentrum für Frauen- und Kindermedizin und Zentrum für Konservative Medizin sowie Notfallzentrum standen als Gesamtbudget 167 Millionen Euro zur Verfügung. Trotz der Höhe der Summe ist sie dennoch vergleichsweise bescheiden, denn sie musste auf 42 000 m² Nutzfläche entlang der Liebigstraße verteilt werden.

Dem Bestandsensemble fehlten das Zentrum und ein öffentlicher Raum, der der Bedeutung des Klinikums innerhalb der Stadt angemessen gewesen wäre. Um der Neuanlage eine Identität zu geben, war deshalb die Ausgestaltung einer Mitte, sowie die Idee, die Straße zum Campus werden zu lassen, den heutigen Gesundheitsboulevard zu entwickeln, maßgeblich. Heute besitzt das Universitätsklinikum einem großzügigen, verkehrsberuhigten, innerstädtischen Raum und das revitalisierte historische Gebäude der „Alten Chirurgie“ dient ihm als Eingang.

Klinikum Offenbach

Der 6-geschossige, kammförmige Neubau des Klinikums Offenbach wurde auf minimal verfügbarem Raum zwischen bestehenden Klinikgebäuden errichtet. Insbesondere das prägnante Farb- und Materialkonzept verleiht dem Haus sein neues, unverwechselbares Image. Die in vielerlei Rottönen schimmernde Fassade, ein individuell für das Haus entwickeltes Wegeleitsystem und das Konzept der Kopplung von natürlichen und künstlichen Lichtquellen sorgen in dem 724-Bettenhaus für außergewöhnliche Effekte und eine gute Orientierung. Über die gesamte Längsseite des Neubaus erstreckt sich die großzügige, gläserne Halle - neben ihrer Funktion als Empfangs-, Aufenthalts- und Erschließungsbereich zugleich eine belebte, öffentliche Ladenzone. In den Pflegeebenen wurde das sogenannte „Floating-Prinzip“ realisiert, also die bedarfsweise Zuordnung der Patientenzimmer zu dem einen oder anderen Pflegestützpunkt, um flexibel auf das jeweilige Patientenaufkommen reagieren zu können. Eine Besonderheit war hier, das Budget für Leitsystem und Kunst zusammenlegen, um ein Orientierungssystem zu 69 Zielen, aus graphischen Mustern und leuchtenden Farben zu realisieren. Künstler: Prof. Uebele aus Stuttgart.

HELIOS Kreiskrankenhaus Gotha

Das Kreiskrankenhaus in Gotha-Sundhausen verfügt über 326 Betten und 22 tagesklinische Plätze.  Das Haus unterliegt dem Entwurf einer übersichtlichen, über eine zentrale Ringstruktur stark verdichteten Krankenhausanlage, die sich in alle vier Himmelsrichtungen öffnet. Prägend für die Atmosphäre in diesem Haus ist eine hohe Transparenz, hochwertige Materialien und vor allem der zentrale, exotisch begrünte Innenhof mit seinen Wasserspielen. Der Innenbereich kann öffentlich
genutzt werden ohne dass der Krankenhausbetrieb gestört wird.

Gesundheitszentrum Tübingen

Das Gesundheitszentrum steht im Kontext eines heterogenen baulichen Umfeldes. Die von dieser Situation ausgehenden Ansprüche sollten vom Neubau reflektiert, respektiert und gewürdigt werden. Ein selbstbewusster Gebäudecharakter, umsichtig in seine Umgebung einfügt, war daher Leitbild der Planung. Es galt den bestehenden Gebäuden sowie dem zeitgleich ausgeführten Elternhaus der Ronald-McDonald’s-Stiftung von BRT und weiterer Ideen der baulichen Zielplanung möglichst uneingeschränkte Freiräume zu erhalten. Daher gliedert sich das Gebäudevolumen des Neubaus grundsätzlich in zwei Bauteile – eine flächige Landschaftsplatte und einen 7-geschossigen Turmbau. Die Topographie des Ortes erlaubt die Einbindung des eingeschossigen Flachbaus in die vorgefundene Geländestruktur. Die Fassade des Neubaus ist von einem unregelmäßigen Muster verschieden großer, unterschiedlich gestalteter quadratischer Fensteröffnungen geprägt, die sich in der Innenansicht zu Rahmen bildlich gefasster Landschaft entwickeln. Das Haus auf dem Schnarrenberg macht sich bewusst wichtig und will auch mit der skulpturalen Wirkung der Bilderrahmen seine Bedeutung signalisieren.

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