Umdenken – Umbauen – Umplanen

Konvent der Baukultur ruft zum Handeln auf!

Das Aufzeigen von Wegen hin zu einer neuen Umbaukultur war das zentrale Thema auf dem diesjährigen Konvent der Baukultur in Potsdam. Ein weiterer Fokus lag auf dem Engagement für baukulturelle Bildung, das in der vom Konvent verabschiedeten Potsdamer Resolution zur baukulturellen Bildung mündete. Die Veranstaltung versteht sich als das zentrale Forum der Meinungsbildung innerhalb der Bundesstiftung Baukultur. Am 3. und 4. Mai 2022 trafen sich insgesamt etwa 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Sparten Architektur und Planung, Bauherrenschaft, Bauindus­trie, Bauausführende, Politik und Medien zu einem intensiven Wissens- und Meinungs­austausch.

Der Konvent startete mit einem sogenannten Basislager, das auch allen nicht Konvent-Berufenen offenstand. In fünf moderierten Foren zu den Themen Baukulturelle Bildung, Handwerkliche (Aus-)Bildung als Grundlage der Baukultur, Kundige Baustoffe und Lebenszyklen, Baukultur vor Ort – Initiativen bundesweit sowie Entwicklungsmanagement bot sich die Gelegenheit zum Wissenserwerb, zur Auseinandersetzung und zum Erfahrungsaustausch zu den derzeit relevantesten Fragen zukunftsfähigen Bauens. Da die Foren pa­rallel zueinander stattfanden, galt es, sich zu entscheiden. Entweder sich auf ein Thema einzulassen und neben Impulsen auch aktiv in die Diskussion einzusteigen oder sich von Forum zu Forum treiben zu lassen, um einen möglichst breiten Überblick über die verschiedenen Metiers zu erhalten. Zwei kurze Einblicke: Die baukulturelle Bildung ist ein zentraler Auftrag der Bundesstiftung Baukultur. In dem von Stephanie Reiterer (Vorstandsmitglied, Architektur und Schule LAG Bayern e.V. und bauwärts – Stadt Raum Bildung Kultur) moderierten Forum standen Entwicklungspotenziale aus verschiedenen Perspektiven zur Diskussion. In vier Impulsvorträgen von Xaver Egger (sehw architektur), Sinthujan Varatharajah (Politischer Geograph), Christine Heil (Institut Performative Praxis, Kunst und Bildung, Kunst­didaktik und Bildungswissenschaften, HBK Braunschweig) sowie Angelika Tischer (Freiberuflerin) mit Susanne Wagner (Innenarchitektin, Bau­ereignis Sütterlin Wagner) wurde Fragen nachgegangen, wie Kinder, Jugendliche und Erwachsene für ihre gebaute Umwelt sensibilisiert werden können, wie Räume für Bildung und Demokratie aussehen, wie sie genutzt werden und welche Instrumente und Bedingungen für das Gelingen der zu entwickelnden Prozesse erforderlich sind. Das Publikum war dabei aufgefordert, eigene Impulse und Fragen zu notieren, die am Nachmittag innerhalb des interaktiven Forums diskutiert wurden.

Reges Interesse erfuhr das von Boris Schade-Bünsow (Bauwelt) moderierte Forum „Kundige Baustoffe und Lebenszyklus“. Das Thema kristallisiert sich zunehmend als zentrale Aufgabe für alle am Bau beteiligten Akteur:innen heraus. Denn im Zuge einer neuen Umbaukultur, die auch die zu errichtenden Neubauten schon als Materiallager für zukünftige Umnutzungen und Umbauten versteht, kommt geeigneten Materialien, Bauweisen und Prozessen eine enorme Bedeutung zu, die bereits ab der Leistungsphase Null gedacht und geplant werden müssen. Die Vorträge von Chris­tine Lemaitre (DGNB) und Architekt Winfried Brenne gaben Anstoß für die anschließende Diskussionsrunde mit den Referent:innen. Abgerundet wurde das Vormittagsprogramm mit einem künstlerischen Impuls von Ute Reeh (Zentrum für Peripherie) zum Projekt „Brandenburgs Alhambra – Lärmschutzwand aus Lehm und Nebelin“. Am Nachmittag wurde es anhand konkreter Beispiele praxisnah. Heike Böhmer (Institut für Bauforschung) sensibilisierte für mögliche Fehlerquellen beim Einsatz von Baustoffen, Architekt Florian Nagler stellte seine Forschungsbauten in Bad Aibling sowie neuere Ansätze zum Einfach (Um-)Bauen vor und Izabela Fornalczyk (B&O Bau Bay-ern) lenkte den Blick auf die Bedürfnisse und  Ansprüche der kommenden Bauherren- und Nutzer:innen­zielgruppe. Anhand von Beispielen zeigte sie, wie aus ihrer Perspektive Wohnungsbau ökologischer, einfacher und schneller in der Herstellung, aber langlebiger zu realisieren ist. Die abschließende Diskussion setzte sich mit dem von der Bundesstiftung Baukultur vorgestellten „Konzept Lebenszyklus“ auseinander. Baukulturelle Kriterien zugunsten nachhaltigerer Bauweisen, wertigerer Baustoffe und einer höheren Architekturqualität bieten dabei eine Orientierung auf dem Weg zu lebenszyklusorientierten und wirtschaftlich erfolgreichen Bauweisen.

Am eigentlichen Tag des Konvents stand auf der Agenda zunächst die Wahl des neuen Bei- und Stiftungsrates. In den Stiftungsrat wurden von den Mitgliedern gewählt: Sabine Djahanschah, Andrea Gebhard, Norbert Herrmanns, Engelbert Lütke Daldrup und Werner Sobek. Die restlichen sieben Mitglieder des Stiftungsrats werden durch weitere Gremien ernannt, die Beiratsmitglieder bei der Stiftungsratssitzung am 1. Juni 2022 offiziell ernannt und bekanntgegeben.

In der Eröffnungsrede von Cansel Kiziltepe (Parlamentarische Staatsekretärin Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie Vorsitzende Stiftungsrat Bundesstiftung Baukultur) und dem Grußwort von Andrea Gebhard (Vorsitzende Beirat Bundesstiftung Baukultur) klang neben der Freude über die Zusammenkunft und den fruchtbaren Austausch vor allem der Wunsch an die momentanen Krisen als Chancen zu sehen, die wertvollen Empfehlungen des Konvents anzunehmen und besser heute als morgen auch ins Handeln zu kommen – und das auf allen Ebenen der Gebäude, Städte, Gemeinden und Landschaften. Reiner Nagel (Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur) ging in seinem anschließenden Vortrag rückblickend auf den Baukulturbericht 2020/21 „Öffentliche Räume“ ein und gab einen Ausblick auf den kommenden Baukulturbericht 2022/23 „Neue Umbaukultur“, der am 8. November 2022 in Berlin vorgestellt werden soll. Vor allem gelte es, die in den Städten noch vorhandene Potenziale im Bestand zu erkennen und nutzbar zu machen – graue Energie sozusagen in goldene Energie umzuwandeln – , sowie sich von allzu überzogenen Forderungen hinsichtlich der energetischen Sanierung zu verabschieden. Oft ließe sich mit 20 % Aufwand bereits 80 % der Probleme lösen, so Nagel.

Passend zum Tag der Erdüberlastung, der für Deutschland genau an jenem 4. Mai erreicht war, brachte Werner Sobek, die von Reiner Nagel bereits angerissenen Themen in seiner Keynote „Ausgehen muss man von dem, was ist“ in aller Klarheit nochmal auf den Punkt. Zentrale Aussagen waren: Wir haben aus wissenschaftlicher Sicht kein Energieproblem. Aus regenerativen Quellen steht Energie mehr als ausreichend zur Verfügung. Das essenzielle Problem liegt in der zu erwartenden Erderwärmung durch CO2-Ausstoß und ihrem Einfluss auf die weltweite Nahrungsmittelproduktion. Der einzige Ausweg hier führe über ein Begrenzen der Kontingente. Dem Bausektor mit seinem enormen Anteil an der CO2-Produktion komme hier eine zentrale Bedeutung zu. Holz als Allheilsbringer werde nicht funktionieren und es sei unabdingbar, mehr Material aus dem Bestand zu nutzen, um ein stärkeres Gleichgewicht zwischen primären und sekundären Baustoffen zu erreichen. Das Maß aller Dinge sei das Erhalten einer intakten Natur, ohne die es keine Grundlage für menschliches Leben mehr gebe. Und wer, wenn nicht wir, die Architekt:innen und Ingenieur:innen seien besser in der Lage, zur Lösung dieser Probleme beizutragen?↓

Welche Handlungsspielräume uns hierbei zur Verfügung stehen, wurde am Nachmittag an zehn Thementischen weiter intensiv diskutiert. Erste Botschaften lauteten:

Zukunft der Metropolen: bundesweiter Bodenpreis-Stop für mind. zehn Jahre

Stadt und Land: mehr „Baukultur-Coaching“ im ländlichen Raum

Innenstädte: Anpassungsfähigkeit der Innenstädte sichern als fortwährende Aufgabe

Lebenszyklus: Planung im Sinne des Lebenszyklus erfordert eine Optimierung von Material und Raum bereits in Phase Null

Baustoffe: Anpassung der Regularien und Normen für die Wiederverwendung von Baustoffen

Bestand und Erbe: Der Lebenszyklus eines Gebäudes endet nicht nach 100 Jahren, sondern wird durch Pflege und Ertüchtigung weiter fortgeschrieben

Bahnhöfe werden zum Fundament, um die steigende Nachfrage nach Mobilität bedienen zu können

Neue Mobilitätsräume: geeignete Netze und Räume optimieren und verdichten

Öffentliche Räume: Die Aufgaben der Weiterentwicklung öffentlicher Räume bleiben so vielfältig wie die öffentlichen Räume selbst

Bau- und Planungsrecht: Wird auch eine Umbauordnung, die Bestandsumbau belohnt. 

Die evaluierten Ergebnisse werden in die weitere Arbeit des Konvents an den Baukulturberichten einfließen. Die anschließende Podiumsdiskussion mit Vertretern der demokratischen Parteien machte deutlich: Die Botschaft ist angekommen, an einer neuen Umbaukultur führt kein Weg mehr vorbei! KR

www.bundesstiftung-baukultur.de
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