Im Gespräch: Prof. Moritz Fleischmann, Professor für Data-Driven Design & Production
an der PBSA / ZDD der Hochschule Düsseldorf


DBZ: Es wird aktuell viel über die Digitalisierung des Bauwesens gesprochen und geschrieben. Woran arbeiten Sie in diesem Bereich?

Moritz Fleischmann: Für unser Architekturbüro Kresings Architektur sind die aktuellen Hauptthemen Cloud und Hybrid-Cloud: Wir virtualisieren momentan unsere Hardware, unsere Server, Telefonanlagen – sprich die gesamte Infrastruktur. Das wurde sicherlich nochmals gepusht durch die Corona-Pandemie. Denn man ist schlicht nicht mehr so stark auf die Infrastruktur im Büro angewiesen. Grundsätzlich lässt sich zur Digitalisierung sagen, dass wir recht fortgeschritten sind. Die technische Performance und die Hardware werden bei uns stetig optimiert. Die dahinter liegenden Prozesse in der Planung sind damit jedoch keineswegs automatisch optimal gelöst, also z.B. die Kostenplanung und -ermittlung aus dem Gebäudemodell. Dies bedarf klarer Prozesse & Verantwortlichkeiten. Ein sinnvoller Schritt ist die Minimierung von Schnittstellen. Dazu gehört vor allem, die Daten in Zukunft dicht zueinander zu bringen, zu strukturieren und intelligent zu vernetzen. Unsere Zukunft soll ein zentral verwaltetes, von überall zugängliches, performantes Arbeitsumfeld bieten. Dafür schauen wir nicht erst jetzt nach Lösungen, welche Prozesse und Daten sich im zentralen Rechenzentrum sinnvoll kombinieren lassen und wie wir uns im Büro von Servern, Festplatten & lärmenden Rechnern „befreien“.

DBZ: Zukunftsfähig Bauen ist eine Herausforderung für alle Beteiligten. Was sind nach Ihrer Meinung die größten Herausforderungen für die Digitalisierung des Bauwesens und ist die Pandemie Beschleuniger oder Bremsschuh für Ihre persönliche Arbeit (in Bezug auf die Digitalisierung)?

Moritz Fleischmann: Die größte Herausforderung für uns alle ist der Klimawandel. Und zwar sowohl für das Bauwesen als global gesehen. Im Kontext der Digitalisierung gesprochen heißt das: Sie bietet einerseits die größten Chancen und Potenziale. Das umfassende Feedback, das uns Rechner ermöglichen – es lässt sich nicht mehr auf vielen Blättern Papier und mit handgezeichneten Strichen visualisieren. Dann gibt es die zahllosen Optionen, die uns digitale Planungsmethoden bieten. Wir müssen parallel jedoch im Blick behalten, wie energieintensiv die damit verbundenen Designprozesse sind. Es gab vor kurzem einen sehr guten Artikel der Harvard University zur Energiebilanz von Rechenzentren in den USA. Deren Jahres-Energieverbrauch ist höher, als der Energieverbrauch in der gesamten Bundesrepublik im Laufe eines Jahres. Solche Fakten im Hinterkopf behaltend, sollte sich ein Architekt in Zukunft also nicht mehr als „Technologie-Nerd“, „Bauphysiker“ oder „Architektur-Gestalter“ positionieren, sondern seine Arbeit endlich ganzheitlich begreifen.

Corona bringt die technischen Möglichkeiten, die wir heute haben, in die Geschäftsführungsebenen der Unternehmen. Das war und ist ein wichtiger Lerneffekt für alle. Jetzt erst werden Möglichkeiten genutzt, die schon längst da sind. Das macht die Arbeit leichter. Zeitgleich vergrößert die Pandemie den Footprint unserer Arbeit: Die Rechenzentren, Datenknoten, laufen buchstäblich „heiß“ – und zwar weltweit. Das ist eine logische Entwicklung, denn wir sitzen alle viel mehr in virtuellen Meetings, tauschen mehr Daten aus. Hier müssen wir Strategien entwickeln, denn das ist ein kritisch zu sehender Nebeneffekt der Digitalisierung. Dennoch gibt es viel Positives: Wir reisen weniger, der CO2-Ausstoß ist 2020 dramatisch gesunken. Wir fliegen deutlich weniger, verbringen weniger Zeit in Verkehrsmitteln und bewegen uns gleichzeitig mehr draußen in der Natur.

An den Hochschulen und Universitäten ist die Situation eine andere. Der Campus, die Gebäude, sind ein halböffentlicher Raum. Hier haben wir mit anderen Menschenmengen zu tun, als im Büro oder auf den Baustellen. Und zeitglich mit vielen aber kürzeren Berührungszeiten und -punkten. Durch die fehlende Präsenz vor Ort, von uns und den Studierenden, wissen wir aktuell weniger darüber, was jeder für sich priorisiert und wo er seine Schwerpunkte setzt. Das ist ein schwieriges Thema für uns, die jungen Leute und eine ganze Generation, weil räumliche Nähe und ein persönlicher, menschlicher Support fehlen. Wir haben die Präsenzveranstaltungen alle komplett heruntergefahren – eine Herausforderung für die Studierenden.

Die Hochschule verfügt über ein eigenes Rechenzentrum. Dort arbeiten wir mit virtuellen Maschinen und können auf homogene Infrastrukturen zurückgreifen. Für uns als Lehrende ist das neu und ebenso für die Studierenden, die am Anfang ihres Berufslebens stehen. Es ist eine neue Realität und eine große Chance. Wir können andere Lösungen entwickeln, neue Strukturen denken. Die Möglichkeiten und die Technologien sind vorhanden.

Es gibt auf unserem Campus einen real und virtuell geführten Diskurs, der viele Fragen aufwirft. Was ist, wenn der Status Quo die neue Realität wird? Was bedeutet es, wenn die Studierenden nun von überall lernen können und wie funktioniert die Zusammenarbeit in anderen, unbekannten Teamstrukturen? Dann kommt hinzu: Es werden mit den ergänzenden digitalen Optionen neue Player auftauchen, die Lehre über große räumliche Entfernungen ermöglichen können. Wir müssen als Hochschule darauf reagieren, dass wir unsere Leute weiterhin überall erreichen. Es ist ja so: Jeder kann irgendwo auf der Welt am eigenen Rechner sitzen, kann im Seminar hinschauen oder auch weghören. Unsere Generation glaubt fest daran, dass das nur überbrückungsweise so bleibt, mit der dezentralen Arbeit etc. Wir stellen aber an der Hochschule fest, das dies in der Lehre an vielen Punkten besser funktioniert, als zuvor. Und werden darauf reagieren.

DBZ: Die Digitalisierung des Bauens bedingt umfassende Umwälzungen und die Neuorganisation von Büro- und Arbeitsprozessen. Welche Unterstützung wünschen Sie sich, um die bei Ihnen anstehenden Aufgaben zu meistern?

Moritz Fleischmann: Ich meine, wir haben fast alles, was wir brauchen. Um es ganz simpel zu formulieren: Viele Kollegen aus Forschung und Lehre und in den Architekturbüros wissen, dass es diverse Fördermöglichkeiten auf Bundes- und Länderebene gibt. Das Problem ist oft die fehlende Zeit, sich in der breiten Förderlandschaft auszukennen, die passenden Töpfe zu finden und die Anträge korrekt zu stellen. Das ist etwas, was man in der Zukunft sicher vereinfachen könnte. Aber nochmals: Wir haben in Deutschland umfangreiche Forschungs- und Förderungsprogramme. Das sieht in anderen Ländern deutlich schlechter aus.

Architekten müssen sich mehr mit den Chancen und Potenzialen der Digitalisierung auseinandersetzen, sich hineinvertiefen. Sonst wird auch das BIM Management für die Bauherren zukünftig nicht von Ihnen, sondern von Projektsteuerern bedient. In vielen Büros wird CAD heute immer noch als technischer Ersatz der Zeichenmaschine gesehen. Diese stiefmütterliche Betrachtung verkennt die vielfältigen realen Mehrwerte computergestützter Prozesse, die man z.B. durch BIM schaffen kann. In anderen Branchen ist dieses Technik-Verständnis längst angekommen. Es hat in den Büros seit den 90er Jahren aus technologischer Sicht kaum Wandel gegeben. Diese Zeit architektonischer Technik-Lethargie halte ich für nicht mehr zeitgemäß, insbesondere vor dem Hintergrund der enormen Herausforderungen, derer sich Architekten dringend stellen müssen: Klimawandel, Nachhaltigkeit, Effizienz (Wegfall der HOAI, BIM etc.) und sich wandelnde Arbeitsplätze sind nur einige Stichpunkte, die jeden Entscheider wachmachen sollten.

Das Gespräch mit Moritz Fleischmann führte Tim Westphal für die DBZ.


Kontakt: www.linkedin.com/in/mflei


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