Im Gespräch: Marek Suchochi, Industry Engagement Lead bei Autodesk

Stimmungsbarometer Digitalisierung in Deutschland / im europäischen Umfeld
Im Gespräch: Marek Suchochi, Industry Engagement Lead bei Autodesk


DBZ: Es wird aktuell viel über die Digitalisierung des Bauwesens gesprochen und geschrieben. Woran arbeiten Sie in diesem Bereich?

Marek Suchochi: Das Bauwesen war weltweit lange einer der am wenigsten digitalisierten Industriezweige. Aktuell herrscht allerdings ein großer Innovationsdruck innerhalb der Branche: Europäische Unternehmen stehen unter starkem Wettbewerbsdruck, Technologien so schnell wie nie zuvor einführen zu müssen.
Autodesk war von Anfang an der Initiative Planen Bauen 4.0 beteiligt und unterstützt die Empfehlungen an die deutsche Bauwirtschaft. Die Einführung von einheitlichen Methoden und Praktiken ist entscheidend, um zu verhindern, dass Teile der Branche im Wettlauf um die Digitalisierung zurückbleiben. Es ist wenig zielführend, wenn nur einige wenige, vielleicht größere und leistungsstärkere Unternehmen die Vorreiterrolle übernehmen und dadurch kleinere lokale oder spezialisierte Firmen, die kritische Teile des Gesamtsystems darstellen, verloren gingen oder geschädigt würden.
Darüber hinaus ist Autodesk aktiv an der Entwicklung neuer Standards für BIM und deren Implementierung in Softwarelösungen beteiligt. Dazu gehören die Informationsmanagementnormen ISO 19650 und die IFC-Schemata von buildingSMART, insbesondere für die Infrastruktur. Solche Standards sorgen für konsistente Arbeitsabläufe innerhalb von Projekten und Betriebsanlagen und verbessern den Austausch und die Koordination von Architektur- und Ingenieurdaten während der Projektentwicklung.
Kürzlich haben wir auf unserer Hauptveranstaltung, der Autodesk University, neue Produkte für Projektmanagement, Quantifizierung und Entwurfskoordination in der Autodesk Construction Cloud angekündigt. Die Construction Cloud ist eine einheitliche Plattform, die durch gemeinsame Datenumgebungen die Zusammenarbeit maximiert und umfassende datengestützte Einblicke bietet. Des Weiteren werden Projektteams beim Aufbau und der Umsetzung besserer Teamstrukturen unterstützt. Die neuen Produkte - Autodesk Build, Autodesk Quantify und Autodesk BIM Collaborate - ermöglichen es Generalunternehmen, den verschiedenen Gewerken, Konstrukteuren und Eigentümern, bessere Geschäftsergebnisse zu erzielen. Bauteams erhalten eine umfassende Plattform für das Baumanagement mit allen Daten an einem zentralen Ort, um die Zusammenarbeit zu vereinfachen, Projektänderungen proaktiv zu antizipieren und datengesteuerte Anleitungen für organisatorische Verbesserungen bereitzustellen.
 
DBZ: Zukunftsfähig Bauen ist eine Herausforderung für alle Beteiligten. Was sind nach Ihrer Meinung die größten Herausforderungen für die Digitalisierung des Bauwesens und ist die Pandemie Beschleuniger oder Bremsschuh für Ihre persönliche Arbeit (im Bezug auf die Digitalisierung)?

Marek Suchochi: Es kommen einige Herausforderungen auf uns zu: Im Jahr 2050 werden rund zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben. Unter heutigen Bedingungen gäbe es dann nicht genug Wohnraum, auf den die Menschen zurückgreifen könnten. Die Chancen der Digitalisierung, dieses Problem zu lösen, können nicht genutzt werden, wenn nur Teile der Branche digitale Workflows nutzen. Einzelne Fallbeispiele oder Case Studies reichen nicht aus, da ganze Projektteams, komplette Organisationen und sogar ganze Industriezweige digitale Workflows und Technologien einsetzen müssen.
Die Art und Weise, wie wir heute Verträge und Zusammenarbeit gestalten, ist eher darauf ausgerichtet, den jeweils eigenen Bereich in seiner Verantwortlichkeit klar abzugrenzen und zu schützen, als dass sie Zusammenarbeit forcieren. Digitale Arbeitsabläufe sind demgegenüber von Natur aus kollaborativ. Entsprechend können und müssen geschäftliche Beziehungen angepasst werden, um die Chancen der digitalen Transformation zu nutzen.
Bei der Entscheidung, welcher Projektansatz gewählt werden soll, werden häufig die Anschaffungskosten herangezogen. Digitale Technologien wie BIM können bei Projekten mit Anfangskosten und erhöhtem Zeitaufwand verbunden sein, bringen aber später in der Bau- und Betriebsphase enorme Vorteile hinsichtlich Kosten, Zeitaufwand und Qualität. Für eine erfolgreiche digitale Transformation ist es aber vor allem essentiell alle beteiligten Personen abzuholen:  Besonders herausfordernd ist dabei der Umgang mit älteren Belegschaften, die oft weniger bereit sind, sich auf neue Technologien einzulassen und dennoch in Führungs- und Entscheidungspositionen sitzen. Sie müssen ermutigt und befähigt werden, die Vorteile des technischen Wandels zu nutzen, Neues zu wagen und innovatives Potential zu nutzen. Eine solche Herausforderung für die Branche lag und liegt etwa in der Corona-Pandemie, die in den letzten Monaten die Flexibilität und Belastbarkeit der Architektur-, Ingenieur- und Bauindustrie gefordert hat.
Während wir in den nächsten Jahren mit einem Rückgang des kommerziellen Bauwesens rechnen, werden weltweit andere Teile des Sektors zunehmen. Viele lokale und nationale Regierungen haben sich zu Investitionen im Infrastrukturbereich verpflichtet. Wir müssen prüfen, wie wir Bauteams auch während der Pandemie auf der Baustelle belassen können, während sie gleichzeitig sicher sind und auf Distanz bleiben. Hier spielt die Technologie eine tragende Rolle: In vielen Fällen können die Teams dank Kollaborationstools, Cloud-basierter Software und natürlich auch der Bereitschaft, sich auf neue Rahmenbedingen einzulassen, die früher unvorstellbar waren, aus der Ferne arbeiten. In diesen beispiellosen Zeiten besteht ein größerer Bedarf an Projektkontinuität und Flexibilität der Teams. Tatsächlich haben wir festgestellt, dass sich die Zahl der Abonnenten von BIM 360 Design, unserer Kollaborationssoftware für die AEC-Branche, in Europa im ersten Quartal etwa verdoppelt hat. Die Rate der neuen Projekterstellung in BIM 360 Design ist zwischen Mitte Februar und April, als sich das Arbeiten vom Büro nach Hause verlagerte, weltweit um etwa 350 Prozent gestiegen.

DBZ: Die Digitalisierung des Bauens bedingt umfassende Umwälzungen und die Neuorganisation von Büros- und Arbeitsprozessen. Welche Unterstützung wünschen Sie sich, um die bei Ihnen anstehenden Aufgaben zu meistern?

Marek Suchochi: 72 Prozent aller Bauunternehmen weltweit sehen in der digitalen Transformation die Schlüsselpriorität, um dringend erforderliche Änderungen ihrer Prozesse, Geschäftsmodelle und/oder Ökosysteme voranzutreiben. Diese Zahl ist repräsentativ und beruht auf dem IDC-InfoBrief zum Thema „Digital Transformation: The Future of Connected Construction“, der von Autodesk Mitte des Jahres 2020 beauftragt wurde. Wir haben dabei insgesamt 835 großen Bauunternehmen in Europa, Asien sowie Nord- und Südamerika befragt.  Digitale Tools können Unternehmen dabei helfen, innovative Ansätze zu verfolgen, sei es die Offsite-Fertigung während der Bauphase oder intelligente Gebäudetechnik für das Facility Management.
Die größte Hürde auf dem Weg zur Digitalisierung ist für 46 Prozent der befragten Unternehmen  das Fehlen einer strategischen und taktischen Roadmap für die Implementierung von Technologieinvestitionen – mit anderen Worten, zu wissen, welche Bereiche prioritär zu behandeln sind. Die Implementierung digitaler Workflows im gesamten Unternehmen stellt 29 Prozent der Unternehmen vor Herausforderungen
Autodesk kann aufgrund seiner eigenen Erfahrung Kunden bei der Umstellung auf digitale Workflows und Abläufe helfen. Wir haben als Unternehmen in neue Systeme und Prozesse investiert, die die Art und Weise, wie Mitarbeiter und Kunden interagieren und Geschäfte abwickeln, revolutioniert haben. Die Erfahrungen aus dieser Transformation können Kunden und der Industrie helfen, dies ebenfalls zu tun und die wichtigsten Maßnahmen zu identifizieren, die erforderlich sind, um von traditionellen manuellen (analogen) Prozessen zu effizienteren digitalen Alternativen überzugehen.




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