Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Berlin
Bestandsgebäude erhalten. Und ergänzen
Der Bestand – die ehemaligen Werkstätten (Kostüme, Kulissen etc.) und der etwa gleichhohe, rektangulär anschließende Bürotrakt – wurden um zwei Baukörper ergänzt. Einmal um den Bühnenturm und eine eingeschosshohe Kiste hinter weißem Lochblech, in der die Caféteria untergebracht ist. Das diese beiden Hinzufügungen verbindende Entrée ist der Rest des sich eigentlich bis zur heutigen Haupteingangsfassade ziehenden Werkstättenbaus, der hier oberhalb der Originaldecke im Entrée um eine Fensterachse gekürzt wurde. Entrée und Caféteria dienen als Lobby, in welcher in den Pausen oder nach einer Aufführung die Gäste das Theaterbesucherübliche tun.
Der 24 m hochragende Bühnenturm mit zwei Bühnen ist mit einer durchlässigen Holzbretterfassade ziemlich roh verkleidet. Bei Dämmerung/Dunkelheit leuchten die Bühnenumgänge diffus nach draußen und zeigen, dass das Haus innen drin sehr lebendig ist. Bei der Caféteria wirkt die öffenbare Lochblechverkleidung vergleichbar.
Das Unspezifische öffnet Möglichkeiten. Die „Wasserlinie“
Den Bestand empfanden die Architekten als „relativ unspezifisch“. Was sie dazu verleitete „loszulassen. Also nicht zu versuchen, seinen eigenen Gestaltungswillen auszuleben, sondern sich führen zu lassen.“(Roland Duda) Aber bevor das Sich-dem-Bestand-Überlassen passieren konnte, gab es Schwierigkeiten mit dem Raumprogramm: Die Bibliothek, die ursprünglich im Turm untergebracht war, musste in den Werkstattbau verlegt werden, der Turm wäre baurechtlich zu hoch geworden. Also wurde von den Bestandsflächen, auf denen Übungsräume, Probebühnen und Werkstätten vorgesehen waren, ein Teil für die Bücher eingeplant. Was die ohnehin kleinen und damit für Improvisationen freien Flächen weiter reduzierte (Kissenlager an den Enden der langen Flure oder ein improvisierter Ruhe- und Rückzugsraum veranschaulichen dieses Problem). Die Bibliothek besitzt – dem Zufall zum Trotz, dem sich die Planer ja ausgesetzt haben – durchaus Feinsinnigkeit, wie überhaupt das Meiste reinstes Architektenwerk geworden ist.
Sie werden vergeblich warten müssen, denn der Bestandsbau ist nur bis zu einer Höhe von 2,30 m auf der Oberfläche „verfeinert“, wenn man mit Glas ausgefachte Pfostenriegelkonstruktionen (Aluminium oder Holz) und vor allem Kreidetafelanstriche als Verfeinerungen ansehen möchte. Oberhalb dieser von den Architekten genannten „Wasserline“ – die im Schiffsbau genau umgekehrt funktioniert – ist der Bestandsbau lediglich „besenrein“ in der Oberfläche gesichert. Und man kann sowohl die Handwerker, aber auch den Bauherrn verstehen, wenn hier Widerstände zu überwinden waren. Widerstände allerdings, die über Fragen von Gewährleistung hinaus auch das ästhetische Empfinden herausfordern. Vielleicht hat am Ende den Bauherrn überzeugt, dass mit dieser Haltung des Loslassens und Annehmens auch eine Menge Geld eingespart werden kann, im Bauprozess selbst wie auch bei zukünftigen Umbauten, der Unterhaltung, Reparaturen etc.
Auf dem Gang durchs Haus trafen wir auf Holger Zebu Kluth, seit 2017 Rektor der HfS Ernst Busch. Dieser meinte, in Anspielung auf das unfertig wirkende Fertige innen, dass er, wenn draußen erst einmal die letzten Bodenarbeiten abgeschlossen und die Dauerbaustelle rund um die HfS Ernst Busch abgeschlossen ist, unbedingt mit Fragen danach rechne, wann denn nun auch die Baustelle innen zu einem Abschluss käme. Den StudentInnen, die den Bau sehr selbstverständlich und durchaus besitzergreifend beleben, ist das keine Frage. Zufriedenheit scheint aus allen Gesichtern. Vielleicht hätte man sich noch mehr Rückzug, mehr informelle Flächen gewünscht, aber die sind dem Bibliotheksbedarf geopfert worden.
Fazit
Die HfS Ernst Busch ist seit einem Jahr in Betrieb und scheint so langsam anzukommen. Ob sich die Wohnnachbarschaft, die Hotelgäste und -betreiber, die Büronutzer an den Neuen schon gewöhnt haben? Wahrscheinlich. Der Neubau, der sich allein mit seinem holzverkleideten Turm an die Stadt zu wenden scheint und in dem je Semester allein 25 StudentInnen – aus rund 1 000 BewerberInnen! – das Sprechen, Tanzen, die Kommunikation und den Ausdruck lernen, ist wie eine Insel der Glückseligen (ich habe tatsächlich selten so viele freundliche Menschen an einer Hochschule getroffen!). Roland Duda: „Das war eine Rückseite hier und die ist offenbar prädestiniert dafür, dass man sich hier seine ganz eigene Welt schaffen kann.“ „Wodurch alles sehr schön nach innen konzentriert ist?“ „Ja!“ (Roland Duda) Allerdings: Noch ist das Außengelände Baustelle, die ersten Kontaktaufnahmen mit der Umwelt geschehen auf den schmalen Betonstreifen vor den Werkstätten im Erdgeschoss, die als schmale Balkone Blumenkisten, Stühle und Tische mit kleinen Hinweisen auf Gebrauch wie Flaschen oder Aschenbecher das Nachdraußengehen zumindest andeuten. Was mehr kommen wird? In jedem Fall eine lebendig laute Nachbarschaft!⇥Be. K.
Bei diesem Projekt überzeugt besonders der Umgang mit den einstigen Opernwerkstätten. Teils völlig unbehandelte und damit radikal ehrliche Einbauten ergänzen gekonnt den Bestand und bieten eine anregende Atmosphäre für die Schauspielschule. Hier ist konsequent aus dem Vorhandenen für den Nutzer weiterentwickelt worden. Stark.«⇥DBZ Heftpaten NKBAK
Baudaten
Objekt: Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch
Standort: Zinnowitzer Str. 11,
10115 Berlin
Typologie: Bildungsbauten
Bauherr: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin
Nutzer: HfS Ernst Busch
Architekten: O&O Baukunst, Wien/Berlin, Roland Duda, Geschäftsführender Gesellschafter O&O Baukunst, Berlin, www.ortner-ortner.com
Art der Beauftragung: Eingeladener Wettbewerb 2011
(Wettbewerbsteam Manfred Ortner, Tobias Ahlers, Frank Illing)
Team: Pascal Dworak, Bernd Gotthardt, Frank Illing, Markus Lemcke, Markus Müller, Nora Noack, Lars Riebschläger, Nino Schiddel, Jessica Seidel, Magdalena Schwalke-Sauer
Projektleitung: Tobias Ahlers
Leistungsphase 2 – 5, teilweise 6 – 8 / Künstlerische Oberleitung
Bauzeit: August 2014 – Oktober 2018
Fachplaner
Tragwerksplaner: fd-ingenieure, Berlin, www.fd-ingenieure.de
Akustikplaner: Müller BBM, Berlin, www.muellerbbm.de
Landschaftsarchitekt: Lesniak Landschaftsarchitekten, Potsdam, www.lesniak-li.de
Fachplaner Bauphysik: IAF Ingenieure, Berlin, www.iaf-ingenieure.de
Brandschutzplaner: bbp consult, Berlin, www.baucon.de
mit O&O Baukunst
Bühnentechnik: Kunkel Consulting International GmbH, Bürstadt,
www.kunkel-consulting.com
Projektdaten
(Bestandsgebäude 1943 / fertiggestellt 1951)
Grundstücksgröße: 7 622 m²
Grundflächenzahl: 0,5
Geschossflächenzahl: 2,12
Nutzfläche gesamt: 8 900 m²
Technikfläche: 767 m²
Verkehrsfläche: 1 934 m²
Brutto-Grundfläche: 16 200 m²
Brutto-Rauminhalt: 78 135 m³
Baukosten (nach DIN 276)
KG 300 (netto): 16,9 Mio. €
KG 400 (netto): 7,6 Mio. €
Gesamt KG 200 bis 700 (netto): 44,65 Mio. € (offizielle Zahl aus der Senatsverwaltung)
Energiebedarf
Altbau
Primärenergiebedarf:
106,6 kWh/m²a nach EnEV 2009
Endenergiebedarf:
142,8 kWh/m²a nach EnEV 2009
Neubau
Primärenergiebedarf:
249 kWh/m²a nach EnEV 2009
Endenergiebedarf:
324,2 kWh/m²a nach EnEV 2009
Energiekonzept
MW-Wände, 36,5 – 49 cm, WDVS 160 – 180 mm
Dach: Warmdach, Gefälledämmung d = 200 mm i. M.
Fenster: 3-Scheiben-Isolierglasfenster
Boden: Gedämmte Bodenplatte
Gebäudehülle
U-Wert Außenwand = 0,172 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte = 0,168 W/(m²K)
U-Wert Dach = 0,163 W/(m²K)
Uw-Wert Fenster = 1,0 W/(m²K)
Ug-Wert Verglasung = 0,4 W/(m²K)
Haustechnik
Hersteller
Dachdämmung: Paul Bauder GmbH & Co. KG, www.bauder.de
WDVS Fassade: HASIT, www.hasit.de
Sonnenschutz: WAREMA Renkhoff SE, www.warema.de
Türen/Tore: HÖRMANN KG,
Trockenbau: Saint-Gobain Rigips GmbH, www.rigips.de, Knauf Gips KG, www.knauf.de
Holzdielen/Parkett Bühnenboden: Ahlers & Lamprecht, www.ahlersundlambrecht.de