Heftpate Joachim H. Faust, Düsseldorf:
„Bauen im Bestand steigert auch den Mehrwert“

Schützen, bewahren, wiederherstellen oder auch komplett erneuern. Bauen im Bestand bedeutet „fit machen“ für eine weitere, möglichst lange Zeitspanne, man könnte auch von einer „Lebensverlängerung“ sprechen. Die eigentliche Nachhaltigkeit von Bauen im Bestand liegt allerdings nicht nur in der energieeffizienten Modernisierung, sondern darin, den baukulturellen Bestand zu nutzen und für aktuelle und zukünftige Anforderungen zu erneuern.

Zugleich zwingen uns die Vorgaben des Bestandes bestehende Gebäudestrukturen zu überdenken, weiterzuentwickeln und zu verbessern. Je nach Zielsetzung kann dabei ein völlig neues Projekt entstehen. Und so ist Bauen im Bestand eine besondere Herausforderung, deren erfolgreiche Lösung in vielerlei Hinsicht auf langjähriger Erfahrung beruht. Wir bei HPP unterscheiden dabei die drei folgenden Kategorien:

1. Erneuerung von denkmalgeschützten Objekten,
2. Sanierung von Bestandsgebäuden unter Erhalt der Grundstruktur der Gebäude,
3. Revitalisierung mit dem Ziel eines vollkommen neuen Erscheinungsbildes, zum Teil einhergehend mit einer Nutzungsänderung (Konversion).

Allen drei Planungstätigkeiten liegt das Verständnis des bestehenden Bauwerks zu Grunde. Insbesondere die ursprüngliche Architekturaussage ist zu analysieren, um deren Qualitäten und Bezüge zum örtlichen Umfeld zu verstehen. Im Fall der Denkmalpflege sind die historische Bedeutung der Architektur, des Materials, der Farben und der Funktion sowie die Konsequenzen nachträglicher Veränderungen entsprechend zu durchdringen; hierbei unterstützt die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Denkmalpflege und deren besondere Kenntnis des Objekts und seiner Geschichte. Nur mit dem Verständnis für den Bestand lassen sich Optionen entdecken, die für die Erneuerung optimal genutzt werden können.

Bezogen auf Kategorie zwei, die Sanierung von Bestandsgebäuden ohne Nutzungsänderung, sind neben den energetischen und technischen Aufgaben, Chancen in der architektonischen Aufwertung zu nutzen. Der Einsatz moderner Materialien kann relativ leicht die Architekturaussage neu ausrichten. Chancen sind auch in der heutigen Haustechnik zu finden: Moderne Konzepte benötigen geringere Flächen. So können zusätzliche Nutzflächen gewonnen werden, wie im Fall des Düsseldorfer Dreischeibenhauses: Drei von Technik befreite Etagen werden heute als Büroflächen genutzt.

Bezogen auf Kategorie drei, die Revitalisierung bzw. Konversion, also die vollständige Erneuerung eines Bestandsgebäudes mit dem Ziel der Schaffung einer neuen Identität, ist vermeintlich noch die einfachste Aufgabe. Hier öffnen sich Chancen beim Rückbau des Bestandes auf die Rohbaukonstruktion.  So lassen sich durch Veränderungen des Rohbaus – unter Wegnahme bzw. Hinzugabe von Bauwerksflächen - andere Gebäudeformen kreieren. Ein Baukörper lässt sich so entsprechend der Zielvorstellungen neu gliedern, um, wie im Fall der ehemaligen Lufthansa-Zentrale in Köln, besser belichtete Arbeitsräume und attraktivere Mietflächen zu schaffen.

Wiederum völlig unabhängig von den vorhergehenden Kategorien: Entscheidend für die revitalisierte Immobilie ist der gesteigerte Mehrwert. Dies gelingt durch die Steigerung der Nutzungsvariabilität, die optimierte Flächenausnutzung, die Reduzierung der Gebäudeunterhaltungskosten, die Nachhaltigkeit der Fassade und der technischen Systeme im Sinne reduzierter Betriebskosten, durch die Steigerung der ästhetischen und baugeschichtlichen Werte der Immobilie und ggf. auch durch einen Identitätswechsel.

Letztlich unabhängig von der Vorgehensweise, basiert unser Plädoyer für Bauen im Bestand darauf, dass wir die Qualitäten des vorhandenen Bauwerks erkennen und die „überzeitliche“ Werthaltigkeit der Immobilie herstellen.

Der Heftpate

Joachim H. Faust, geboren 1954 in Mainz, studierte von 1974 bis 1981 an der TU Berlin, der RWTH Aachen und an der Texas A&M University in den USA. Anfang der 80er Jahre war Faust als Design Architect für SOM und KPF in Houston und New York tätig. 1987 kehrte er nach Deutschland zurück und übernahm die Leitung des HPP-Büros in Frankfurt am Main. Seit 1997 führt Faust in Düsseldorf die HPP-Gruppe als geschäftsführender Gesellschafter.

Faust ist förderndes Mitglied der DASL (Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung), 2013 wurde er in die Reformkommission „Bau von Großprojekten“ der Bundesregierung berufen.

www.hpp.com

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