(H)ausgepackt und fertig
System 3 – ein vorfabriziertes Haus

Manch einer reist nicht einmal mit einem Koffer, andere
hingegen packen gleich ihr ganzes Haus ein. Zum Beispiel das System 3 der Architekten Oskar Leo Kaufmann und Albert Rüf.

Kennen Sie den Mythos des Stadtnomaden, der seine Habseligkeiten in einen Koffer verstaut und von Stadt zu Stadt zieht? Ihm reicht ein Familienfoto, um sich heimisch zu fühlen. Beneidenswert, denn für viele Menschen sind Räume nicht austauschbar und sie hängen an den Lieblingsplätzen in ihrem Haus. Architekten verwenden Gedanken und Zeit für die Planung individueller Lebensräume, die seinem Bewohner zur Heimat werden. Doch verkommt die Immobilie durch die Mobilität seiner Bewohner zum temporären Obdach?

Damit das nicht so ist, entwarfen die Vorarlberger Architekten Oskar Leo Kaufmann und Albert Rüf ein mobiles Haus, das System 3. Es kann seinem Bewohner an jeden Ort folgen, weil es in zwei Container passt und schnell auf- wie abgebaut ist.

Das System 3 ist ein Baukastensystem, das aus zwei riegelförmigen Einheiten besteht: serving unit und naked space. Auf die Fläche von 1,92 x 11,52 m integriert die serving unit die komplette Infrastruktur des Hauses: Treppe, Küche und Bad, samt Wärme-, Wasser- und Stromversorgung. Sie erreicht komplett vorgefertigt und in einem Container verstaut die Baustelle. Unter dem naked space verstehen die Architekten einen variabel nutzbaren Raum. Platz- und damit kostensparend reisen die Geschoss- und Wandplatten des naked space als einzelne, flache Holztafeln.

Am Bauort fügen Handwerker diese zusammen und schaffen einen Raum, der direkt an die serving unit andockt und eine erweiternde Fläche für den Essbereich, zum Wohnen, zum Schlafen oder für andere Nutzungen bietet. Der Bewohner kann das 52,5 m² große Grundmodul mit beiden Einheiten beliebig vertikal und horizontal erweitern. Für jeden Bauplatz wird das System anders zusammengefügt, so dass verschiedene Module zu neuen Nachbarschaften oder gar zu einer modularen Stadt im Stil der Metabolisten wachsen können.

Die eigentliche Arbeit geschieht im Vorfeld bei der Produktion des Hauses in einer Zimmerei. Eine CNC-Fräse schneidet millimetergenau nach den digitalen Plänen der Architekten Öffnungen in die Brettschichtholztafeln. Dann versiegeln Handwerker die Holzpaneele manuell mit klarem Bootslack und setzen Fenstergläser mit Panoramaformat und dünnen Rahmen fassadenbündig ein. So wächst Stück für Stück das System 3 in der Werkstatt, mit edelstählernem Sanitär- und Küchenmobiliar und einläufiger Treppe. Auch individuelle Grundrisse und Fassaden können die Architekten kostengünstig und zeitsparend umsetzen. Dazu möchten sie das System energetisch optimieren: Mit einer guten Wärmedämmung und einer
dickeren Schichtung der massiven Holztafeln zielen sie auf einen Null-Energie-Standard.

Einmal montiert ist das System 3 bezugsfertig. Und weil es im Detail so elegant und asketisch anmutet, mit ebenen Holzoberflächen, kleinen Lichtöffnungen und scheinbar schwebender Küchenzeile, erinnert es den Betrachter an das architekturverwöhnte Vorarlberg, der Heimat des Hauses. Im New Yorker Museum of Modern Art war dieser Prototyp Teil der Ausstellung „Home Delivery: Fabricating the Modern Dwelling“ (2008) und begeisterte mit seiner einfachen und mobilen Holzarchitektur die Besucher. Wohl auch, weil es den umzugsaktiven Amerikanern das Kofferpacken erspart. Rosa Grewe, Darmstadt

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