Große Klappe für den
Hamburger Hafen
Neubau der Rethebrücke

Mit dem Neubau der Rethebrücke wird zum einen Ersatz für die 1934 gebaute Hubbrücke im Hamburger Hafen geschaffen, zum anderen wird die Situation für die Verkehrswege Straße, Schiene und Schifffahrt deutlich verbessert.

Die Verbesserung für die Schifffahrt liegt in der durch die neuen Klappbrücken von 44 m auf 64 m vergrößerten Fahrrinnenbreite. Bei den Voruntersuchungen wurden Alternativen für die Verkehrsführung ebenso betrachtet wie verschiedene  Varianten für die Ingenieurbauwerke. Von besonderer Bedeutung war dabei auch die Aufrechterhaltung des Verkehrs während der Baumaßnahmen sowie die Einbindung des Brückenkörpers in die Umgebung, was in gestalterischer Hinsicht durch die Mitwirkung von Prof. B. Winking Architekten erreicht wurde. 

Die von der Ingenieurgemeinschaft Grassl/Sellhorn geplante Rethebrücke liegt westlich der vorhandenen Hubbrücke. Das Bauwerk setzt sich zusammen aus den beweglichen Brücken und den daran anschließenden Vorlandbrücken im Süden. Straße und Hafenbahn erhalten getrennte Überbauten, die je Achse auf gemeinsamen Unterbauten aufgelagert werden. Auf dem Nordufer der Rethe wird zwischen der vorhandenen Rethe-Hubbrücke und der geplanten Klappbrücke ein Betriebsgebäude erstellt. Dieses Betriebsgebäude dient der Aufnahme der elektrotechnischen Einrichtungen für die Versorgung der Brückenanlage und der Unterbringung der Sozialräume für das Betriebspersonal. Gesteuert werden die Klappbrücken von dem Steuerstand auf der Südseite. Der Zugang liegt auf der Südseite des Treppenturmes in Höhe der Fahrbahn der Vorlandbrücke. Der Treppenturm entwickelt sich aus dem Klappenpfeiler heraus und bildet mit ihm einen markanten, skulpturalen Körper. Turm und Treppenanlage sind als Stahlbetonkonstruk­tion geplant und tragen den leichten, aus Stahl und Glas konstruierten Steuerstand. Die Oberkante des Steuerstandes liegt etwa 16 m über der Fahrbahn.


Tragkonstruktion

Die Straßen- und die Bahnbrücke werden jeweils als zweiflügelige Klappbrücke mit unten­liegendem Gegengewicht ausgeführt. Der Rück­arm der Klappbrücken wird nicht befahren, er liegt unter den Fahrbahnplatten des Klappenpfeilers. Die Hauptstützweite der Klapp­­brücken in der Verkehrslage beträgt zwischen den Drehlagern 104,2 m. Die Hauptträger wer­den im Bereich der Klappenspitze als Kastenträger ausgebildet. Ca. 15 m hinter der Klappenspitze weitet sich der Kastenträger zu einem Fachwerkträger auf. Bis auf die Diagonalen ist der Hauptträger als dichtverschweißter Hohlkasten vorgesehen, mit einer konstanten Breite von 1 m. Die Konstruktionshöhe weitet sich von der Klappenspitze mit ca. 2 m bis zum Hochpunkt der Konstruktion auf ca. 12 m auf.

Die Fahrbahnplatten im Bereich der Klappenpfeiler werden als Verbundbrücken mit einbetonierten Stahlträgern ausgebildet. ­Unterhalb dieser WIB(Walzträger-in-Beton)-Konstruktion ist jeweils zwischen den Hauptträgern ein Gegengewicht angeordnet. Hier ist die Möglichkeit zur Anordnung von Tariergewichten vorgesehen, auf die Anordnung von Tarier­gewichten an der Klappenspitze wurde aus konstruktiven Gründen verzichtet. Das Konstruktionsgewicht je Klappe beträgt einschließlich Gegengewicht ca. 1100 t. Die Konstruktionsunterkante der Klappbrücken liegt im geschlos­senen Zustand wie bisher bei ca. NN + 6,15 m. In geöffneter Stellung ist die Durchfahrtshöhe unbegrenzt.  

 Die Querschnittsbreiten wurden anhand der Anforderungen von Straße und Hafenbahn festgelegt. Die Gesamtbreite der Straßenbrücke zwischen den Geländern beträgt ca.14 m, die der Bahnbrücke 10,2 m. Der Querschnitt der Straßenbrücke ist geschlossen (als orthotrope Platte) und der Querschnitt der Bahnbrücke offen ausgebildet. Die einzelnen Klappen werden jeweils auf zwei Drehlagern gelagert, die neben den Hauptträgern auf einem Lagerbock angeordnet sind. Die Dreh­lager bilden das Drehgelenk der Brücken­klappen. Sie ermöglichen neben der Schwenk­bewegung der Klappe auch leichte Kippbewegungen quer zur Drehachse zum Ausgleich
von Verformungen, Verschiebungen und Bauabweichungen.


Klappenpfeiler

Die Auflagerung der Klappbrücken erfolgt auf den so genannten Klappenpfeilern, die als Stahlbetonkonstruktionen ausgebildet werden. Die Außenabmessungen der Klappenpfeiler betragen ca. 25 – 26 m in Brückenlängsrichtung und ca. 31 m in Brückenquerrichtung. Die Vorderansicht der Klappenpfeiler ist im oberen Bereich geneigt (17°). Sie liegt rechtwinklig zur Brückenachse. Die Oberkante der Klappenpfeiler liegt bei ca. NN + 7,70 m. Die Klappenpfeiler sind begehbar. Der Zugang in den nördlichen Klappenpfeiler erfolgt über das Betriebsgebäude. Ähnlich ist es beim südlichen Klappenpfeiler, wo der Zugang über den Treppenturm des Steuerstandes erfolgt. Innerhalb der Klappenpfeiler sind zwischen den beiden Überbauten die Betriebsräume geplant. Zwischen den beiden Klappenpfeilern sind zur Überführung von Versorgungs- und Steuerleitungen zwei Dükerrohre (Ø 500 mm) erforderlich. Die Herstellung erfolgt in geschlossener Bauweise (HDD-Verfahren), da die Schifffahrt nur so gering wie möglich beeinflusst werden darf. Zum Ausgleich von Bautoleranzen und späteren Baugrundverformungen der Klappenpfeiler ist im Übergangs­bereich ein Pass- und Ausbaustück angeordnet. Die Klappenpfeiler erhalten entsprechend des anstehenden Baugrundes eine Tiefgründung auf Verpresspfählen. Diese werden zunächst im Bauzustand als Auftriebssicherung für die Unterwasserbetonsohle (UW-Sohle) und im Endzustand als Tiefgründungselement verwendet. Zusätzlich ist für die Klappenpfeiler eine Rückverankerung aus Verpresspfählen vorgesehen, um ein Wandern der Pfeiler zu verhindern.

Fingerverriegelung

Bei einer Klappbrücke wird zwischen dem System in der Hochlage (oder Endlage beim Öffnen/Schließen der Klappbrücke) und dem System in der Verkehrslage (geschlossener Zustand) unterschieden. In Hochlage wirkt das Haupttragwerk als Kragträger, der durch das Drehlager und die Antriebszylinder bzw. die Rückarmverriegelung gehalten wird. Der Abstand zwischen Drehlager und Klappenspitze beträgt bei der Rethebrücke 52 m, zwischen Drehlager und Rückarmverriegelung sind es ca. 15 m. In der Verkehrslage ergibt sich ein Durchlaufsystem über drei Felder. Durch die konstruktive Ausbildung der Haupt­trägerspitzen als „Finger“ können Momente und Querkräfte in der Brückenmitte von den Hauptträgern übertragen werden, indem sich die Finger gegenseitig auf den Hauptträgern abstützen. Man spricht von der so genannten Fingerverriegelung. Ab einem Drehwinkel von 15 ° kommt es zu einer geometrischen Überschneidung der Finger, wobei ein ausreichender Abstand in Querrichtung zueinander gewährleistet ist. Damit sich die Lagerpunkte der Fingerriegelung treffen, muss grundsätzlich ein Gleichlauf beider Klappen ausgesteuert werden, die Klappenspitzen müssen sich beim Schließvorgang immer an der gleichen Stelle befinden. Zur Überprüfung dieses Gleich­laufs wird ein Zwischenhalt der Brückenklappen vorgesehen. Abweichun­gen können durch Toleranzen aus der Steuerung und aus Bauwerksverformungen (z.B. Temperaturverformungen des Tragwerks oder Verformungen aus Baugrundbewegungen) entstehen. Die Finger und Lager sind geometrisch so ausgebildet, dass diese Toleranzen aufgenommen werden können. Vernachlässigt man die Bauwerksverformungen, so berühren sich die Finger entsprechend später. An die Fingerkonstruktion der Klappenspitze sind Lager zur Übertragung der Vertikallasten und seitliche Führungs­lager zur Zentrierung der Klappenspitzen vorgesehen. Die Lagerteile sind konstruktiv so ausgebildet, dass sie insbesondere beim Schließen der Klappen auch unter Berücksichtigung von Bauwerksverformungen und Steuerungstoleranzen aufeinander gleiten. Da die seitlichen Führungslager zur Zentrierung der Klappenspitzen dienen, darf das Spiel je Führungslager maximal nur 1 mm betragen.


Antrieb

Für das Bewegen der einzelnen Brückenklappen sind jeweils zwei elektromotorisch an­getriebene Verstellpumpen mit integrierter Steuerölpumpe und Proportional-Verstellung geplant. Diese Technik ermöglicht in Verbindung mit der frei programmierbaren Steuerung eine optimale Anpassung des Fördervolumens der Hydraulikpumpen an die zu erwartenden Drücke über den Bewegungsweg der Antriebszylinder. Grundsätzlich werden beide Hubzylinder einer Klappe von zwei Pumpen angetrieben. Die Bewegungszeit des Öffnungsvorganges beträgt ca. 260 Sekunden. Beim Schließen der Brückenklappen ist die Bewegungszeit durch den synchronisationsbeding­ten Zwischenhalt und die darauf folgende Schleichfahrt entsprechend länger. Einschließ­lich der Verriegelungsvorgänge wurde für den Schließvorgang der Brücke eine Zeit von ca. 485 Sekunden errechnet.

Nach Fertigstellung und Inbetriebnahme der neuen Rethebrücke ist der Rückbau der vorhandenen Rethe-Hubbrücke vorgesehen, das heißt, die vorhandene Stahlkonstruktion wird einschließlich der Gründungselemente und der Spundwandschürzen entsprechend der neuen Uferlinie bzw. Fahrrinnenausbildung zurückgebaut. Die Gesamtfertigstellung mit Rückbau- und Gleisbaumaßnahmen ist für Ende 2013 geplant.

Eine ausführliche Version des Beitrages zur Rethebrücke mit weiteren Grafiken und Zeichnungen finden Sie hier:

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