Gebäudesimulation einmal anders
Nachträgliche Untersuchun­gen
zu einem Leitungsbruch

Zusammenfassung

Im Rahmen der Regulierung eines Wasserschadens infolge einer eingefrorenen Wasserleitung bestand Uneinigkeit zwischen den Beteiligten hinsichtlich der Verantwortlichkeiten. Zur Rekonstruktion des Schadenshergangs wurden instationäre Berechnungen auf Grundlage realer Klimadaten vorgenommen. In diesem Zusammenhang wurde letztlich die Temperatur des Wassers in der Leitung bzw. der Phasenübergang des Wassers zu Eis rechnerisch nachvollzogen. Anhand der Berechnungen ergaben sich deutliche Hinweise im Hinblick auf den Schadenszeitpunkt sowie insbesondere auf die Argumentation der Beteiligten.

Sachverhalt

In einem Einfamilienhaus wurde während des Winters ein Wasserschaden entdeckt. Im Abseitenraum einer Dachschräge war eine Wasserleitung eingefroren und geplatzt. Das Haus war zu dieser Zeit nicht ständig bewohnt.

Der Umstand des Wasserschadens infolge einer durch Frostwirkung gesprengten Wasserleitung an sich war zwischen dem Eigentümer und der Versicherung unstreitig. Hinsichtlich mehrerer Punkte herrschte jedoch im Rahmen der Regulierung des Schadens Uneinigkeit. Strittig waren folgende Punkte:

– War die Dämmung der Wasserleitung vor Eintritt des Wasserschadens infolge einer geringfügigen Undichtigkeit bereits durchfeuchtet mit der Folge einer deutlich geringeren Dämmwirkung?
– Inwieweit war das Gebäude zum Zeitpunkt des Wasserschadens beheizt?
– Wann ist der Wasserschaden aufgetreten?

Der Eigentümer argumentierte, dass infolge einer kleinen Leckstelle die Dämmung der Wasserleitung bereits vorab durchfeuchtet gewesen sei. Die Leckstelle sei an dem ­zwischenzeitlich ausgetauschten Leitungsstück ersichtlich gewesen. Das Gebäude sei darüber hinaus ausreichend beheizt gewesen und es sei regelmäßig eine Kontrolle erfolgt.

Die Versicherung argumentierte, das Gebäude sei nicht ausreichend beheizt gewesen und es seien auch nicht in ausreichend engen Zeitintervallen Kontrollen erfolgt. Dadurch habe sich ein über das übliche Maß hinaus gehendes Schadensbild eingestellt.

Im Auftrag eines Gerichts sollten zur Klärung des Sachverhalts nummerische Berechnungen vorgenommen und hinsichtlich der strittigen Punkte alternative Varianten betrachtet werden.

Feststellungen

Im Rahmen eines Ortstermins wurden die im Hinblick auf die vorzunehmenden nummerischen Berechnungen erforderlichen Feststellungen getroffen. Aufgrund einer vom Ge­bäude aus nicht gegebenen Zugänglichkeit des Abseitenraums wurde dieser von der Dach­fläche aus eingesehen, indem einige Dachziegel entfernt wurden. Auf Bild 1 ist das Steildach an der untersuchten Stelle zu sehen. Bild 2 zeigt die Traufe bzw. den Dachüberstand.

Der Abseitenraum wies einen etwa dreiecks­förmigen Querschnitt auf und wurde begrenzt durch die Abseitenwand zum Dachgeschoss, durch die Holzbalkendecke sowie durch das Steildach. Außerdem bildete eine Mauerwerkswand den Abschluss zum angrenzen­den Bereich des Dachüberstands.

Die Abseitenwand zum Dachgeschoss wur­de durch Gipskartonplatten gebildet. Eine Dämmung dieser Wand war im untersuchten Bereich des Abseitenraums nicht (mehr) vorhanden. Der entsprechende Bereich war jedoch nach dem Schadensfall mehrfach ge­öffnet und überarbeitet worden. Es bestand Unklarheit, inwieweit die Abseitenwand zum Zeitpunkt des Schadensfalls gedämmt war. Bild 3 zeigt die vorgefundene Situation.

Im Bereich des Steildachs befanden sich Sparren mit einer Lattung, auf welche die Dachziegel aufgelegt waren. Die Sparren­zwi­schenräume waren im untersuchten Bereich nicht gedämmt und es war keine Unterdeckbahn vorhanden. Zwischen dem Abseitenraum und dem angrenzenden Dachüberstand befand sich eine Mauerwerkswand aus Vollziegeln mit einer Mörtelschicht beim Wandkopf. Der angrenzende Bereich des Dachüberstands wies nach unten einen Abschluss durch Rabitz auf (Bild 4; vergl. auch Bild 2)

Der untersuchte Bereich des Abseitenraums sowie des Dachüberstands ist in Bild 5 skizzenhaft dargestellt. Die im Abseitenraum vorhandenen Installationen wurden hierbei unberücksichtigt gelassen.

In dem an die Abseite angrenzenden Bad waren der Boden, die Wände und partiell die Dachschräge mit Fliesen belegt. Es wurden im Bad keine visuell erkennbaren Schadensbilder vorgefunden. Insbesondere waren im Bereich der Abseitenwand keine Hinweise auf eine Schimmelpilzbildung vorhanden.

Bewertung

Als Grundlage der nummerischen Berechnun­gen wurden vom Deutschen Wetterdienst die benötigten Daten der dem Gebäude nächstgelegenen Station abgefragt. Diese Daten umfassen die Temperatur und die relative Feuchte der Luft, die Windgeschwindigkeit sowie die Global- und Diffusstrahlung der Sonne als stündliche Werte für den relevan­ten Zeitraum. Auf Bild 6 ist ersichtlich, dass die Temperatur der Außenluft mehrfach für längere Zeiträume unter dem Gefrierpunkt lag. Die Frostperioden variierten hinsichtlich Intensität und Länge, wobei der relevante Zeitraum keine außergewöhnliche Kälteperiode darstellt.

Für die Berechnungen wurde die Software TRNSYS [1] verwendet, die für Aufgabenstellungen aus dem Bereich der Gebäude- und Anlagensimulation weit verbreitet ist. Es wur­de hiermit die Temperatur der Luft im Abseiten­raum in stündlichen Zeitschritten instationär berechnet, wobei alle relevanten Randbedingungen wie zum Beispiel die Temperaturen der Außenluft und der angrenzenden Räume sowie die Direkt- und Diffusstrahlung der Sonne berücksichtigt wurden. Der Luftraum im Bereich des Dachüberstands wurde in die Berechnung mit einbezogen; das heißt, es wurde für diesen Raum ebenfalls die Lufttem­peratur berechnet, wobei die Koppelung mit dem angrenzenden Abseitenraum berücksich­tigt wurde.

Die Temperatur des Wassers in der Leitung wurde in Abhängigkeit der berechneten Temperatur der Luft im Abseitenraum bestimmt. Bei Unterschreitung des Gefrierpunktes wird dabei die Schmelzwärme des Wassers relevant, die – bei konstanter Temperatur von 0 °C – dem Wasser im Rahmen des Phasenübergangs zu Eis entzogen wird.

Die Wärmedurchgangskoeffizienten der Bauteile wurden anhand der vor Ort getroffenen Feststellungen rechnerisch abgeschätzt. Für die Dämmung der Wasserleitung wurden dabei unterschiedliche Varianten berechnet; hierdurch wurde untersucht, inwieweit sich eine Durchfeuchtung dieser Dämmung infolge einer bereits vorhanden gewesenen Undichtigkeit rechnerisch auswirkt.

Hinsichtlich der Temperatur der Raumluft im Gebäude war seitens des Gerichts die Untersuchung zweier Varianten vorgegeben worden; es wurden alternativ Werte von 16 °C und von 20 °C angesetzt.

Da die vorgefundene Konstruktion des Steildachs keine Unterdeckbahn aufwies, ist davon auszugehen, dass zwischen der Außen­luft und dem Abseitenraum bzw. dem Bereich des Dachüberstands ein Luftwechsel stattfand. Im Rahmen der Berechnungen wurde in dieser Hinsicht jeweils von einem Luftwechsel von 0,1 1/h ausgegangen.

Zur Erlangung einer Unabhängigkeit der Berechnung von den willkürlichen Anfangsbedingungen wurde ein ausreichender zeitlicher Vorlauf angesetzt. Der Zeitpunkt der Entdeckung des Schadens fällt auf die Stunde 1617 (vgl. die Bilder 7 bis 11). In den Ergebnisdiagrammen ist jeweils der Vorlauf bis zum Erreichen des eingeschwungenen Zustands nicht dargestellt; deshalb beginnen diese Diagramme mit der Stunde 744.

In den Diagrammen ist jeweils in roter Farbe der Verlauf der Lufttemperatur im ­Abseitenraum dargestellt. Zusätzlich ist in ­blauer Farbe die berechnete Temperatur des Wassers in der Rohrleitung wiedergegeben. Bei vollständigem Phasenübergang des Wassers zu Eis wird diese Temperatur in den Diagrammen auf -1 °C gesetzt.

Bei Ansatz einer Temperatur der Raumluft von 16 °C entsprechen die minimalen Lufttemperaturen im Bereich der Abseite nahezu den minimalen Temperaturen der Außenluft; daran zeigt sich, dass der Einfluss des Luftwechsels hier nicht wesentlich ist. Die Temperatur des Wassers in der Leitung sinkt auf den Gefrierpunkt und es findet jeweils eine Eisbildung statt. Im Fall einer trockenen Rohr­dämmung erfolgt jedoch kein kompletter Phasenübergang (Bild 7). Bei vollständig durchfeuchteter Rohrdämmung gefriert das Wasser komplett zu Eis; der Auftauvorgang beginnt ab der Stunde 1644 (Bild 8), also rechnerisch mehr als einen Tag nach dem Zeitpunkt der Entdeckung des Schadens.

Die Varianten in den Bildern 9 und 10 basieren auf dem Ansatz einer Temperatur der Raumluft von 20 °C. Aufgrund der höheren Temperatur-Randbedingung findet hier lediglich bei durchnässter Rohrdämmung (Bild 10) ein vollständiger Phasenübergang des Wassers zu Eis statt. Der rechnerische Beginn des Auftauens fällt hier auf die Stunde 1623 und deckt sich damit vergleichsweise gut mit dem Zeitpunkt der Entdeckung des Schadens.

Aufgrund der Unsicherheit hinsichtlich der Dämmung wurde eine weitere Variante berechnet, bei der die Abseitenwand ungedämmt ist. In diesem Fall beginnt bei einer Temperatur der Raumluft von 16 °C und einer durchnässten Rohrdämmung das Wasser in der Leitung zu gefrieren; ein vollständiger Phasenübergang zu Eis findet jedoch nicht statt (Bild 11). Der Tauvorgang setzt rechnerisch ab der Stunde 1599 ein, 18 Stunden vor der Entdeckung des Schadens. Diese Variante wurde lediglich der Vollständigkeit halber betrachtet. Sie ist als wenig wahrscheinlich anzusehen, da im Fall einer ungedämmten Wand im Bad regelmäßig eine intensive Tauwasserbildung und zeitweise eine Eisbildung auf der Wandoberfläche stattgefunden hätte. Hierzu lagen jedoch keine entsprechenden Hinweise vor.

Aus den Ergebnissen der Berechnungen kann eine eindeutige und sichere Beantwortung der eingangs gestellten Fragen nicht ­abgeleitet werden. Jedoch geben die Berechnungen deutliche Hinweise:

– Ein vollständiger Phasenübergang des Wassers in der Leitung zu Eis findet rechnerisch nur statt, sofern die Dämmung der Leitung infolge einer Durchnässung eine wesentlich erhöhte Wärmeleitfähigkeit aufweist. Insofern ist die Argumentation, dass infolge einer Undichtigkeit die Dämmung der Wasserleitung bereits vorab durchfeuchtet gewesen sei, plausibel.
– Die Temperatur der Raumluft hat zwar eine Auswirkung auf den zeitlichen Verlauf der Eisbildung in der Wasserleitung. Jedoch ist es letztlich unerheblich, ob das Gebäude auf 16 °C oder auf 20 °C beheizt war.
– Innerhalb des ausgewerteten Zeitraums von über einem Monat vor der Entdeckung des Schadens liegt die Lufttemperatur im Bereich der Abseite rechnerisch häufig unterhalb des Gefrierpunkts. Ein vollständiger Phasenübergang des Wassers in der Leitung zu Eis findet rechnerisch jedoch lediglich innerhalb weniger Tage vor der Entdeckung des Schadens statt. Insofern wurde der Schaden wahrscheinlich innerhalb einer Zeitspanne weniger Stunden bis zu maximal etwa fünf Tagen nach dessen Auftreten bemerkt.

Eine genauere Festlegung des Zeitpunkts, an dem der Wasserschaden auftrat, ist auch auf Grundlage der durchgeführten Berechnungen nicht möglich. Dies begründet sich damit, dass der Schmelzvorgang des Eises deutlich beschleunigt wird, sobald Wasser aus der geborstenen Leitung austritt und die Leitung somit vom Wasser durchströmt wird. Zusammenfassend stützen die Ergebnisse der Berechnungen sowie die vorgenommenen Bewertungen jedoch die Argumentation des Eigentümers.

Instandsetzung

Im Rahmen der Instandsetzung ist es zweckmäßig, die Dämmebene im Bereich der ­Abseite in die Dachschräge zu ­legen. Der Abseitenraum wird damit in das beheizte Gebäudevolumen einbezogen. ­Diese Empfehlung leitet sich aus der DIN 4108-2 [2] ab. Dort wird auf die Gefahr des Einfrierens von Wasser- und Heiz­leitun­gen hingewiesen.

Sofern Eigentümer von Bestandsgebäuden aufwändige Maßnahmen scheuen und z. B. gedämmte Leitungen im Bereich einer nicht im beheizten Gebäudevolumen befindlichen Abseite belassen wollen, muss eine ausdrückliche Warnung hinsichtlich der Gefahr des Einfrierens erfolgen bzw. muss eine Begleitheizung angeordnet werden

Der vorliegende Fall zeigt deutlich, dass auch Konstruktionen gefährdet sind, die jahrelang problemlos funktioniert haben. Dies gilt ­insbesondere dann, wenn infolge eines Leerstands nicht regelmäßig Wasser verbraucht wird.

 
Literatur
[1] Transsolar Energietechnik GmbH: TRNSYS – A Tran­sient System Simulation Program, Solar Energy Laboratory, University of Wisconsin-Madison, Version 15
[2] DIN 4108-2: Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden – Mindestanforderungen an den Wärmeschutz, Ausgabe 07/2003

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