Gebäude 23.21, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
Sanierungen können so oder so gemacht werden. Am Düsseldorfer Universitätscampus ist es den PlanerInnen von RKW Architektur +, gemeinsam mit dem BLB NRW und der HHU gelungen, mit einer gehörigen Portion kenntnisreichem Pragmatismus, einer Prise kluger Gestaltung und ganz besonders dem Respekt
Mit der Entwicklung des „Marburger Bausystems“ reagierten ArchitektInnen in den 1960er-Jahren zunächst auf die Fachwerkidylle der dem System den Namen gebenden, alten Hochschulstadt. Insgesamt kann die Absicht, einen sehr rationellen Fertigungsgrad über Betonfertigteilmodule zu erreichen, auch dem Druck geschuldet sehen, dass in Deutschland, wie in den meisten europäischen Nachbarländern, in diesen späteren Nachkriegsjahren Hochschulen aus dem Boden schossen. In diesem Land kam allerdings noch hinzu, dass das Bauen auch als ein Akt der Neuerung verstanden wurde, als ein Bruch mit den Traditionen deutscher Bildungsbaukultur, die vom Kaiserreich ungebrochen ins sogenannte Dritte Reich gewachsen waren. Bei den Schulbauten wurde dieser Bruch nicht so derart umfassend angegangen; noch heute sitzen SchülerInnen in teils nur oberflächlich sanierten Häusern, deren Geschichte noch ein prügelndes Lehrpersonal kennt.
In Düsseldorf wurde eine der jüngsten Volluniversitäten des
ten Bauten, sämtlich vom Hochbauamt Düsseldorf geplant. Als Campus-Universität angelegt – in diesen Jahren wurde kaum etwas anderes als dieser Universitätstypus geplant – liegen die ersten Gebäude entlang einer Magistrale, einem breiten, gepflasterten Weg für Fußgänger und Radfahrer. Die Magistrale hat heute noch eine wesentliche Erschließungsfunktion, vor allem aber nimmt sie unterirdisch die zentrale technische Versorgung der einzelnen Fakultätsbauten auf.
Machbarkeitsstudie
Gestaltungskonzept
Bei der Möblierung durften die ArchitektInnen teils mit Hand anlegen, neben den schon genannten Tisch-Bank-Kombina
Sanierungsmaßnahmen
Silke Lange nennt drei große Aufgabenfelder dieser Kernsanierung: 1. Schadstoffsanierung, 2. Brandschutzertüchtigung und 3., das geforderte Raumprogramm so unterzubringen, dass das Haus auch in weiterer Zukunft angemessen nutzbar bleibt. Dazu kommt noch ein ganz wesentlicher Aspekt: der der Baustellenlogistik. Die gesamte Bauausführung fand bei laufendem Campusbetrieb statt, die Sicherheitsanforderungen sowie die notwendige Rücksichtnahme auf den Universitätsbetrieb waren entsprechend anspruchsvoll. Die Befahrung der Magistrale mit Schwerlasttransportern war wegen der unter dem Pflaster geführten technischen Infrastruktur sowie auch der aktiven Nutzung durch Fußgänger und Radfahrer ausgeschlossen. Hier musste für eigene Umleitungen und alternative Baustelleneinrichtungen Sorge getragen werden. Universitäts- und Baustellenverkehr wurden baulogistisch aus Sicherheitsgründen streng getrennt, auch wenn das manchmal mit etwas längeren Wegen einherging. Im Wesentlichen erfolgte die Baustellenabwicklung einseitig aus dem rückwärtigen Bereich. Das meiste Baumaterial wurde schließlich per Kran bzw. Lastenaufzug an die Verarbeitungsplätze gehoben.
200 ng/m³ zu unterschreiten. Hintergrund dieser Auslegung der Grenzwerte war eine strengere projektspezifische Aufgabenstellung, die den sichersten, zuverlässigen Schutz und damit auch Vertrauen und Akzeptanz der NutzerInnen in den Fokus stellte. PCB findet man gerade in öffentlichen Bauten der 1960er- bis 1970er-Jahre, belastet sind hier u. a. Dichtungsmassen, Akustik-Deckenplatten mit Flammschutzbeschichtungen, PCB-haltige Anstriche, immer wieder auch Kondensatorleckagen.
Bei der Planung der aufwändigen Schadstoffsanierung war schnell klar, dass nicht allein die eingebauten, belasteten Materialien oberhalb der Rohbaukonstruktion das Haus verlassen mussten, auch die Möblierung, sogar die Bücher wurden in andere Räume geschafft, wo sie einen monatelangen Auslüftungsprozess zu absolvieren hatten. Sämtliche Dinge, die nach der Kernsanierung wieder ins Gebäude zurückgeholt werden sollten, mussten sauber, also PCB-frei sein.
Saniert wurden nach dezidierter Erkundung und Beprobung auch beschädigte Bereiche der Betonkonstruktion an der Fassade, den Balkonen und im Innenraum. Abplatzungen, Risse, Undichtigkeiten und nachfolgende Korrosion der Bewehrung, die über die letzten 40 Jahre entstanden waren, wurden behoben und eine langfristige Erhaltung der Substanz sichergestellt.
Und natürlich die Fassade: Hier wurden die ehemals farbigen Holzfenster durch ein Fassadensystem aus Aluminium mit innenliegendem Blendschutz und außenliegenden Sonnenschutzlamellen ersetzt. Die Fensterelemente sichern flexibel die aus der Raumaufteilung folgenden Fassadenanschlussmöglichkeiten. Die maroden Geländer der schmalen, umlaufenden Balkone wurden gegen neue aus verzinktem Stahl getauscht. Jetzt allerdings dürfen diese Balkone nicht mehr betreten werden; ihre alte Funktion als Fluchtweg ist obsolet, RaucherInnen haben nun längere Wege zu gehen. Die Balkone, die ganz wesentlich auch eine gestalterische Funktion haben, werden nun zur Fassadenreinigung und für die Wartung der Gebäudehülle genutzt; ein durchaus erheblicher Einsparfaktor im Gebäudeunterhalt.
Beim Brandschutz gab es wenige, aber wichtige konstruktive Eingriffe. Hier sind vor allem zu nennen die beiden neuen Ausgangstreppen der Hörsäle 3 E/F direkt ins Freie, das neu am östlichen Kopf des mittleren Riegels angebaute Fluchttreppenhaus mit Aufzug für Liegendtransporte, ebenerdige Fluchttüren in den Seminarräumen und ein Brandschutzvorhang im zweigeschossigen, großvolumigen Foyer.
Überhaupt gab es, gerade weil man im Budgetrahmen bleiben wollte und geblieben war, regelmäßige Überprüfungen des Gesamtbudgets und verbunden mit den eng ineinander verzahnten Baustellenabläufen den konkreten Budgetabgleich zwischen Hochbau- und TGA-Gewerken. Eine fortlaufende „Abwägung“ im Bauprozess, wie Silke Lange kommentiert. Und sie verweist auf die kontinuierliche, straffe Objektüberwachung durch den BLB NRW, der auch die üblichen Risikopositionen „sehr gut gemanagt hat“ (Silke Lange).
Dass die Decken wieder abgehängt wurden, sei einmal dem Wunsch der Bauherrschaft und den Vorgaben der NutzerInnen, aber auch dem bestandsbedingten Ausbau und Verlauf der komplett neuen technischen Installationstrassen und der innenliegenden Wärmedämmung an Aussenwand, Flanken- und Deckenbereichen geschuldet. So Silke Lange auf die Frage, warum denn so wenig Untersicht auf die Konstruktion vorhanden sei. Es sei nach Variantenabwägungen auch im Sinne der PlanerInnen gewesen, den Raumeindruck „geordnet“ erscheinen zu lassen und eine gute Unterhaltung und Reinigung der Räume sicherzustellen. Außerdem dienen die abgehängten Decken der Einhaltung raumakustischer Anforderungen.
Fazit
„Über die Farbwahl können wir streiten“, so Silke Lange mit Blick auf die hell leuchtenden Wand- und Bodensegmente im Foyer und anderswo, „aber wir wollten unsere an sich gewählte, klassische Haltung zu Hell/Dunkel durch eine Akzentfarbe brechen, die hier eine Art von Energieraum und einen bisher fehlenden Mittelpunkt für die geisteswissenschaftlichen Institute schaffen.“ Streiten, vielleicht eher diskutieren, kann man über eine Menge bei einem derart umfassenden Projekt mit seinen tausend Detailpunkten, die es zu bearbeiten galt. Und nicht zu vergessen: Auch wurde der Standort selbst, also die Außenanlagen, von den PlanerInnen so bearbeitet, dass sich das Haus – so könnte man es sagen – auch wohlfühlt; was auch dazu führt, dass sich seine NutzerInnen gut fühlen. Das wiederum ist für das gute Altern eines jeden Gebäudes unabdingbar wichtig.
Projektdaten
Objekt: Sanierung Gebäude 23.21 der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Standort: Düsseldorf, Universitätsstraße
Typologie: Hochschule
Bauherr: BLB NRW, NL Düsseldorf, www.blb.nrw.de
Nutzer: HHU-Düsseldorf / Philosophische Fakultät
Architektur/Generalplanung: RKW Architektur +, Düsseldorf,
www.rkw.plus/de
MitarbeiterInnen (Team): Silke Lange, Thomas Zimmer, Stefan Magino, Ameed Alahdab, Julia Kolz, Uemmue Uenal, Han-Sol Cho, Michael Lommes, Philipp Gerhard, Leonard Lenk, Meike Tunnissen, Beate Risse, Ilja Sucker
Bauleitung: Objektüberwachung/LPH 8 RKW Architektur +, Düsseldorf
Bauzeit: 08/2017 – 05/2021
Nettonutzfläche gesamt:
ca. 15 490 m²
Nutzfläche: ca. 10 150 m²
Technikfläche: ca. 1 660 m²
Verkehrsfläche: ca. 3 680 m²
Brutto-Grundfläche: ca. 21 850 m²
Baukosten (nach DIN 276):
Gesamt KG 200 –600, brutto; ca. 41 Mio. €
FachplanerInnen
TragwerksplanerInnen: R&P RUFFERT Ingenieurgesellschaft mbH,
TGA-PlanerInnen: HTW, Hetzel, Tor-Westen + Partner Ingenieurgesellschaft mbH & Co. KG, Düsseldorf, www.htw-ingenieure.de
Wärmeschutz und AkustikplanerInnen: ISRW Dr.-Ing. Klapdor GmbH, Düsseldorf, www.isrw-klapdor.de
LandschaftsarchitektInnen: Raitz von Frentz und Tilosen Partnerschaft mbB, Krefeld-Linn,
www.landschaftsplanungen.de
Brandschutzsachverständige: Görtzen Stolbrink & Partner mbB, Kalkar, www.goertzen-ingenieure.de
Schadstoffsachverständige: SBR Sachverständigenbüro Reifer, Meerbusch
Baulogistik: REICHEL Ingenieurgesellschaft für Projektmanagement mbH, Erkrath, www.reichel-pm.de
Sicherheit- und Gesundheitsschutz:
Ingenieurgesellschaft Schlüter & Tegeler, Aachen, www.schlueteg.de
Prüfstatik: Ing.-Büro Gehlen, Düsseldorf, www.gehlen-ing.de
Projektsteuerung: Kempen Krause Ingenieure GmbH, Aachen,
www.kempenkrause.de
Energie
Primärenergiebedarf: 116,3 kWh/m²a nach GEG v. 08/2020
Energiekonzept:
Dach: EPS / Mineralwolle-Gefälledämmung, min. 100 mm (an Tiefpunkten) / min. 200 mm (im Mittel); Außenwand: Schaumglas-Innendämmung, 60 – 80 mm; Fenster: Pfosten-Riegel-Fassade / Fens-ter, Aluminium, > 85 mm, 2-Scheiben-Isolier-/Sonnenschutzverglasung
U-Wert Gebäudehülle:
Außenwand/Stütze = 0,58 W/(m²K)
Fassadenpaneel = 0,15 W/(m²K)
Bodenplatte = 2,37 W/(m²K)
Dach = 0,19 W/(m²K)
Fenster = 1,30 W/(m²K)
Verglasung = 1,00 W/(m²K)
Gtotal (mit Sonnenschutz) =
0,08 W/(m²K)
Haustechnik:
Lüftungsanlage in Hörsälen/ Seminarräumen mit Wärmerückgewinnung
Hersteller
Fenster: Wicona (Hydro Building Systems Germany GmbH), www.wicona.com
Fassade: Pohl Metal Systems GmbH, www.pohl-facades.com
Boden: Chemotechnik Abstatt GmbH, www.chemotechnik.de
Dämmung: Deutsche Foamglas GmbH, www.foamglas.com
Sonnenschutz: Warema Renkhoff SE, www.warema.de
Sonnenschutz/Blendschutz: Multifilm Sonnen- und Blendschutz GmbH,
www.multifilm.de
Türen / Toren: Schörghuber Spezialtüren KG (Holztüren),
www.schoerghuber.de; Wicona (Alu-Rahmentüren); Hörmann KG (Stahltüren), www.hoermann.de
RWA-Anlage: Lamilux Heinrich Strunz Holding GmbH & Co KG, www.lamilux.de
Teppich: Project Carpet,
www.object-carpet.com
Linoleum: Forbo Flooring GmbH,
www.forbo.com
Sanitär: Schäfer Trennwandsysteme GmbH,
www.schaefer-trennwandsysteme.de
Trockenbau: Knauf Gips KG,
www.knauf.com
Außenbeleuchtung: BEGA Gantenbrink-Leuchten KG, www.bega.com
Software / CAD / BIM: Autodesk AutoCAD 2019, www.autodesk.de