Expertenrunde: Digitale Workflows und Remote-Arbeit mit blocher partners und Allplan

Unbestritten, durch die Corona-Pandemie haben sich für uns alle die Arbeitsweisen verändert, sind digitaler, vielleicht einfacher und schneller, vielleicht auch komplexer und unpersönlicher geworden. Uns hat daher interessiert: Wie kommuniziert ein großes Architekturbüro mit verschiedenen Standorten und unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkten; wie kommen die Teams zusammen, tauschen sich aus und arbeiten gemeinsam und übergreifend an einer Fülle von Projekten? Und welche Rolle spielen die digitalen Tools innerhalb der Planungsprozesse? Welche Anforderungen haben ArchitektInnen heute, vor welchen Herausforderungen stehen sie in Zukunft und wie kann die Industrie sie dabei unterstützen? Zu dieser Diskussion trafen wir uns im Rahmen der DBZ-Expertenrunde am 22. November 2021 im Büro von blocher partners in Stuttgart. ↓

230 Menschen mit 24 Nationalitäten arbeiten an vier Standorten in 15 verschiedenen Disziplinen an den Projekten von blocher partners in Architektur, Innenarchitektur, Kommunikation und Produktdesign. „Interdisziplinäres Arbeiten gehört seit der Gründung 1989 durch Dieter und Jutta Blocher zur Kernkompetenz unseres Büros. Die Bauaufgaben sind vielfältig mit einer starken Expertise im Bereich Handel, die über Jutta Blocher, die aus einer Handelsfamilie stammt, schon von Anfang an in das Unternehmen eingebracht wurde“, berichtet uns Anja Pangerl zu Beginn des Gesprächs. So sei man stetig gewachsen und habe Netzwerk und Expertise ausgeweitet. Über Matthias Both und Benjamin Blocher habe zudem das Thema Urban Design an Fahrt aufgenommen. Die Transformation der großen Städte sei in vollem Gange und wiederum komme dem Handel eine besondere Bedeutung zu, da hier zum einen die Vernetzung von digitalen und analogen Vertriebswegen, zum anderen eine neue Mischung mit anderen Funktionen wie Wohnen oder Büro für einen architektonischen Umbruch sorge. Gelernt habe man auf jeden Fall einiges aus dem Handel, auch für die anderen Geschäftsfelder, in denen das Büro tätig ist. „Vieles lässt sich jedenfalls von einem Maßstab auf andere übertragen und bildet oftmals die Basis in der Kommunikation mit der jeweiligen Zielgruppe“, erklärt Angela Kreutz. In diesem Kontext komme auch dem Bereich der Design Strategie eine besondere Bedeutung zu, da hier, sozusagen auf einer Meta-ebene, noch stärker maßstabsübergreifend gearbeitet werde als in den anderen Disziplinen. Wie das genau aussieht, wollten wir von Erik Schimkat wissen. „Ganz wichtig ist die Bündelung des vorhandenen Know-hows zu Anfang eines Projekts. Nicht nur das unserer internen Experten, sondern vor allem das Wissen unserer Bauherren und der Nutzer, das sich erstmal seinen Weg nach außen bahnen muss. Daraus lässt sich ableiten, wie eine bessere Zieldefinition erreicht wird, was wiederum zu einem deutlich effizienteren Projektverlauf führt, und welche Stakeholder für das Projekt benötigt werden.“ Die fachlichen Kompetenzen entscheiden oft über die Lokalisierung eines Projekts. Sprich: Ein Projekt in Berlin muss nicht unbedingt vom Berliner Büro übernommen werden, wenn die Aufgabe eine Zusammensetzung des Teams erfordert, die an einem der anderen Standorte besser abzubilden ist. Gleichzeitig gibt es bei blocher partners Projekte, die über mehrere Standorte verteilt umgesetzt werden, beispielsweise wenn Holzbau-Kompetenz gefragt ist. Durch die inzwischen mögliche Remotearbeit ist das nicht nur denkbar, sondern viel einfacher machbar geworden – das gilt ebenso für externe Partner. „Wenn wir im Rahmen der Design Strategie erkennen, dass einem Projekt Sonderdisziplinen guttun würden, etwa ein Historiker, dann kann dieser von extern mit ins Team eingebunden werden“, ergänzt Matthias Both. Wichtig sei die Definition eines gemeinsamen Ziels und das Festlegen des bestmöglichen Wegs dorthin. Der Teamleitung kommt daher die Aufgabe zu, die Rollen im Team klar zu verteilen und die Abläufe gut zu strukturieren. Auch ein schnelles und ehrliches Feedback sei von enormer Bedeutung, um schnell reagieren zu können und im Prozess zügig voranzukommen. „So entsteht eine große Dynamik im Unternehmen, die gerade von neuen Mitarbeitern positiv wahrgenommen wird“, sagt Anja Pangerl.

Für uns stellt sich die Frage, wie wichtig der Standort überhaupt noch ist – braucht es wirklich das Büro vor Ort? Benjamin Blocher ist sich sicher, dass die regionale Verwurzelung durchaus noch eine wichtige Rolle spiele. Nicht nur der persönliche Kontakt mit dem Auftraggeber sei hierbei entscheidend, sondern ebenso, nahe am Geschehen zu sein, um das Umfeld, in dem man häufiger baut zu verstehen. Das ließe sich durch Videokonferenzen nicht ersetzen und spiele insbesondere für den Standort in Indien eine wesentliche Rolle, wo zudem kulturelle Unterschiede zum Tragen kommen. Diese Diversität beeinflusse im Gegenzug den Austausch mit den Standorten in Deutschland positiv. Man betrachte die einzelnen Standorte nicht als Satelliten, sondern immer als Teile eines großen Ganzen. „Und tatsächlich ist uns der persönliche Besuch der Standorte vor Ort wichtig. Soweit möglich, wird das wahrgenommen, ergänzt natürlich durch Videokonferenzen. Das hat im Alltäglichen vieles vereinfacht und führt darüber hinaus zu einem besonderen Mehrwert der analogen Treffen“, so Benjamin Blocher. Erik Schimkat ergänzt: „Um die Kommunikation lebendig zu halten, haben wir aktive Formate ins Leben gerufen, wie z. B. unser „Werkstattgespräch“. Hier transportieren wir projektunabhängige Themen und laden externe wie interne Mitarbeiter zu einer anschließenden Diskussion ein. Mit den „Lunchtalks“ bieten wir ein digitales Format für einen projektübergreifenden Austausch an. Und vor Corona gab es dreimal im Jahr ein Treffen für alle Mitarbeiter hier in Stuttgart. Denn sicher reisen einige Mitarbeiter viel, aber eben nicht alle. Daher ist es uns wichtig, die Menschen regelmäßig zusammenzuführen.“ Als kommunikatives „Basisrauschen“ unterhält das Büro außerdem ein Intranet mit täglichen News und Informationen für alle MitarbeiterInnen. Auch Erfolge, wie z. B. ein Wettbewerbsgewinn, werden hier gefeiert. Das alles sei kein Zwang, sondern ein Angebot und die Möglichkeit, den KollegInnen auf anderen Ebenen zu begegnen, macht Angela Kreutz deutlich. Denn so viele digitale Formate es geben möge, die bestmögliche Kommunika­tion findet einfach zwischen den Tischen im Büro statt, ergänzt Benjamin Blocher. Trotzdem hat die Corona-Pandemie bei blocher partners zu einem enormen Schub im Digitalen geführt. Abgesehen davon, dass es innerhalb von drei Tagen möglich war, den MitarbeiterInnen das Arbeiten von zuhause aus zu ermöglichen, wurden viele neue Tools, wie z. B. digitale Whiteboards, ausprobiert. Von MitarbeiterInnenseite wurde hier einiges an Input gegeben, so dass man vor allem testen, vergleichen und eine Auswahl treffen musste. Widerstände gegenüber diesen Tools oder Programmen waren im Team nicht zu spüren. Was den PartnerInnen darüber hinaus positiv auffiel, ist ein verändertes Verhältnis zum Bauherrn. Erik Schimkat sagt: „Es entwickelte sich ein größeres Nähebedürfnis zum Prozess, dass durch die co-kreativen Methoden befriedigt werden konnte – der Bauherr ist dadurch viel aktiver und kontinuierlicher in den Prozess eingebunden.“

Im weiteren Gespräch wollten wir wissen, wie das Büro auf der technisch-operativen Ebene arbeitet, welche Herausforderungen der Projektalltag birgt und wie Industriepartner, wie beispielsweise Allplan, in die integralen Prozesse eingebunden werden. Gearbeitet wird bei blocher partners mit einer Vielfalt von Programmen. Für die BIM-Anwendungen kommen neben dem führenden System Allplan auch Revit und Archicad zum Einsatz. Dazu werden im frühen Entwurfsstadium Rhino, Grasshopper oder Sketch-Up eingesetzt. Bei der regelbasierten Qualitätsprüfung hilft Solibri und wichtige AVA-Programme fehlen ebenfalls nicht. In Zukunft werden weitere BIM2Site-Lösungen für die Baustelle dazukommen. Je nach Projektart und -phase setze sich so die digitale Infrastruktur zusammen, auch auf Programmwünsche des Bauherrn ließe sich reagieren, stellt Matthias Both ­heraus. Als derzeit größte Herausforderung macht er jedoch das Changemanagement für die MitarbeiterInnen aus. „Angestoßen durch BIM verändern sich die Arbeitsprozesse – aus Zeichnen wird Modellieren. Die Kommunikationswege drehen sich vermehrt um Daten- und Informationsmanagement mit der zentralen Frage, wem welche Daten gehörten und wie diese untereinander ausgetauscht werden können. Hinzu kommen neue Rollen im Planungsprozess und die nach wie vor relevante Frage nach der Abbildung der BIM-Planungsmethode in der HOAI.“ Das große Potential liege vor allem im konkreteren Austausch in Echtzeit, etwa zu Planungsdetails, Kollisionen oder
Kosten. So könnten Entscheidungen schneller getroffen und Anpassungen mit den Beteiligten leichter umgesetzt werden. Stefan Kaufmann bekräftigte den Ansatz, Bauwerke als Struktur von einzelnen Objekten zu verstehen, die digital an unterschiedlichen Orten mit unterschiedlicher Informationstiefe auftauchen können, so in CAD-Systemen, in ERP- oder Fertigungssystemen. Zur Strukturierung der Daten gehe es zunehmend um die Strukturierung der Sprache der Softwaresys­teme, die diese Daten untereinander synchronisieren können. Die Datenqualität spiele dabei eine entscheidende Rolle, um die digitalen Zwillinge der Bauwerke in Zukunft, mit heute vielleicht noch nicht bekannten Systemen, nutzen zu können. Zum Beispiel beim Einsatz von Simulationen über den gesamten Bauwerkszyklus hinweg. Hierin sieht Matthias Both auch Vorteile für die Gestaltung. Durch die Echtzeitmodellierungen könnten Ideen in ihrer Konsequenz deutlich besser überprüft und mit dem Ziel des Entwurfs abgeglichen werden. Um bei der Vielzahl von Programmen up to date zu bleiben, setzt das Büro auf die interne Expertise einzelner MitarbeiterInnen, die den anderen dann wieder zugänglich gemacht wird. Wichtig sei es, flexibel und lernbereit zu bleiben. Stefan Kaufmann hat beobachtet, dass der Einsatz digitaler Werkzeuge immer weniger als zusätzlicher Aufwand betrachtet werde, sondern als effizientes Arbeitswerkzeug, durch das sich nicht nur die Qualität der Projekte verbessern lasse, sondern auch die Kommunikation mit dem Bauherrn. Die Geschwindigkeit, mit der die digitale Transformation voranschreite, verstärke jedoch den Druck auf die Unternehmen, noch schneller und innovativer zu sein. Etwa die Forderung nach stärkerer KI-Nutzung in der Planung, bedeute eine komplett neue Methode der Softwareentwicklung. „Ein riesiger Schritt“, sagt Stefan Kaufmann, „doch erste Projekte und Ergebnisse sind schon vorhanden. Uns hilft hier vor allem die Zusammenarbeit mit Universitäten, aber auch der Austausch mit Unternehmen aus der Automobilindustrie, die bei der Nutzung von KI einen deutlichen Schritt voraus sind.“ In aktuellen Planungsprozessen gewinne vor allem die Weiterführung der Datenmodelle, etwa der Abgleich von Scans auf der Baustelle mit den Planungsmodellen an Bedeutung, um valide Datensätze für den Betrieb des Gebäudes zu erhalten, und der digitale Austausch zwischen PlanerInnen und Verwaltungen nehme ebenfalls langsam an Fahrt auf, etwa um Partizipationsprozesse besser steuern zu können, weiß Stefan Kaufmann. Zum Abschluss unserer Diskussion streifen wir noch das Thema Materialpass und Baustoffkreisläufe, das von allen Beteiligten als für die Zukunft des Bauens besonders relevant eingestuft wird und auch Auswirkungen auf das Berufsbild der ArchitektInnen haben wird. Von PlanerInnen wird in Zukunft stärker als heute erwartet, Umweltauswirkungen und Stoffkreisläufe über den gesamten Lebenszyklus der Bauwerke zu optimieren. Sich dieser Verantwortung zu stellen, sei eine großartige Aufgabe, fasst Matthias Both zusammen und Stefan Kaufmann ergänzt: das Verhältnis von Planen und Bauen werde sich verändern. Durch die voranschreitende Vorfertigung und Automatisierung gelte es, den klassischen Planungs- und Bauprozess mit verteilten Aufgaben effizienter zu machen, um diesen Marktverschiebungen gegenüber resilient zu bleiben.

www.blocherpartners.com, www.allplan.com

TeilnehmerInnen blocher partners

Benjamin Blocher ist Architekt und bearbeitet vor allem die Hochbauprojekte des Büros, vom Städtebau bis zur Schnittstelle Architektur/Innenarchitektur.

Matthias Both ist Architekt und betreut Projekte durch alle HOAI-Phasen, insbesondere in den ersten Leistungsphasen Projektentwicklung und Wettbewerbe.

Angela Kreutz ist Sozialwissenschaftlerin und ausgebildete Redakteurin. Als PR-Profi  verantwortet sie die strategische Unternehmenskommunikation und ergänzt darüber hinaus die Expertisen des Architekturbüros um Objektmarketing und Public Relations.

Anja Pangerl ist Architektin und Innenarchitektin. Sie arbeitet transdisziplinär mit allen KollegInnen aus der Runde zusammen.

Erik Schimkat hat Innenarchitektur und Conceptual Design/Design Research studiert und verantwortet den Bereich Design Strategie und Consulting.

Teilnehmer Allplan: Stefan Kaufmann hat Architektur studiert und ist über sein Interesse an digitalen Planungs- und Fertigungsprozessen zu Allplan gekommen. Dort arbeitet er seit über drei Jahren als Produktmanager BIM & neue Technologien.

Moderation: Katja Reich, Chefredakteurin DBZ

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