Exemplarisch geglückt
Plus-Energiehaus in Pressbaum/AT

Hein Troy Architekten planten das „ModelHome 2020“ von Velux Österreich. Das exemplarische Holzhaus ist ganzheitlich nachhaltig. Dank Wärmepumpe und Photovoltaik am Dach produziert es mehr Energie als es verbraucht. Außerdem hat es extrem viel Tageslicht, ein Raumklima zum Wohlfühlen, überzeugende Architektur und eine vorbildliche CO2-Bilanz.

Das Wohnglück der ÖsterreicherInnen liegt im Einfamilienhaus. Weltweit verbrauchen Gebäude etwa 40 % der Energie. Als Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit errichtet Velux sechs zukunftsweisend ressourcenschonende „ModelHomes 2020“ in England, Frankreich, Dänemark, Deutschland und Österreich. Velux-Österreich koppelte den nationalen Hang zum Einfamilienhaus mit der Förderung junger Architektur: Man lud neun innovative Büros zum Wettbewerb für ein visionäres „ModelHome 2020“.
Es sollte mindestens 15 º Dachneigung und ein gutes Raumklima haben, wenig Energie brauchen und sehr hell sein. Gefordert war ein Tageslichtquotient von 5  % in jedem Punkt der Aufenthaltsräume. Das ist mehr als der fünffache Normwert (0,9 %), spart Strom und tut der Seele gut: in sonnigen Räumen lebt sie auf.

Symbiose aus Architektur und Ökologie

Das Grundstück in Pressbaum ist typisch österreichisch und legte den Planern die Latte hoch: der schattige Hang fällt von der Zufahrt im Nordwesten bis zum Wäldchen im Südosten stark ab. Die lange Sonnenseite im Südwesten wird vom Nachbarn beschattet, die schönste Aussicht ist im Nordosten: Dort liegt der Wienerwaldsee hinter einer Hecke. Hier viel Licht in ein energieeffizientes Haus zu locken, war extrem schwer. Aus den Komponenten von energiesparsamer Oberflächenminimierung, hohem Tageslichtanteil und maximaler Raumqualität entwickelten die Architekten Hein-Troy einen unorthodoxen Baukörper, der optimal auf Ort und Vorgaben reagiert. „Ein Passivhaus minimiert vor allem den Heizwärmebedarf. Die CO2-neutrale Planung ist ganzheitlich: Wir haben auch den Energieverbrauch bei der Herstellung, beim Transport, der Verarbeitung und im Betrieb einbezogen“, sagt Juri Troy. „Der Heizenergiebedarf unseres Hauses liegt etwas über Passivstandard, die positiven Energieerträge machen das aber wett.“
Nichts an diesem Haus, das Ressourcenschonung und Energieeffizienz mit maximaler Raum- und Lebensqualität verbindet, ist zufällig. Markantestes Merkmal ist das speziell ausgeformte Dach, das sich im Südwesten knapp über Brüstungshöhe aus dem Wohnraum stülpt und so die Schrägverglasung in drei atmosphärische Lichttrichter verwandelt. Sie holen die Sonne herein und erzeugen einen fast sakralen, hellen Raum. Der unattraktive Blick auf den Nachbarn wird ausgeklammert, stattdessen winkt der Himmel. Jalousien spenden Schatten, mit den Schiebetüren der Kastenwand sind die Fenster komplett zu schließen. Dann rückt die Öffnung im Südwesten, die das Wäldchen zum natürlichen Tableau adelt, ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Noch ganzheitlicher erlebt man den Blick auf den Wienerwaldsee: In der mit Schrank insgesamt 160 cm tiefen Wand im Nordosten gibt es eine Nische zum Lesen, Liegen und Entspannen. In das Sitzfenster ist auch ein Rollo integriert, das per Beamer zum Heimkino wird.
„Der Hang war ein großes Thema“, sagt Juri Troy. „Wir wollten zwei Ebenen direkt an das Gelände anbinden. Außerdem sollte es geschützte Freibereiche geben, die Teil des Wohnens werden.“ Das Haus ist etwa 6,80 m breit und fast 20 m lang: zwischen Küche und Wohnraum ist ein Terrassentrapez eingeschnitten, auch der Keller am hinteren Ende mündet ins Freie: Seine Glasfassade öffnet sich im Südosten zur Loggia am Wald. Der lichte Raum mit autonomem Zugang hat viel Potential. Derzeit ist er im Sog der kontrollierten Zu- und Entlüftung zum Wäschetrocknen optimiert, de facto ließe er sich auch zur Bleibe für einen Jugendlichen, einen Senior oder als Büro/Studio aufrüsten. Der Keller ist aus Slagstar ÖkoBeton, bei dessen Produktion durch die Verwendung von Hüttensand 80-90 % weniger CO2 anfällt. Darüber ist das Haus aus Holz: die Wände wurden in Pfosten-Riegel-Konstruktion von der Vorarlberger Zimmerei Kaspar Greber in der Werkstatt vorgefertigt, per Bahn transportiert und in drei Tagen vor Ort aufgestellt. „Alte Häuser in den Alpen haben massive Sockel aus Stein und sind oben aus Holz“ sagt Juri Troy, der die Tradition studierte. Deshalb sind die Fichtenlatten der Fassade bandgesägt und aus Riftholz. Das ist besonders wetterfest. Auch alle Böden, Decken, Wände und Möbel sind aus Holz präzise gefertigt. Die Bauzeit war trotzdem rekordverdächtig: von Mai bis Oktober 2010. Der Eingang liegt an der Schmalseite von Grundstück und Haus bei der Zufahrt im Nordwesten: durch das Küchenfenster hat man Straße und Ankömmlinge im Blick, der Tisch steht an der eingeschnittenen Terrasse, die auch die Südsonne in die Küche strömen lässt und die Mitte des Hauses erhellt. Das Projekt wurde wissenschaftlich vom IBO (Institut für Baubiologie und -ökologie) und der Donauuniversität Krems begleitet. Dabei prüfte man im Lichtlabor und an Computersimulationen, wie sich Nachbarbauten und Wald auf die Besonnung auswirkten. Als sich zeigte, dass noch nicht genug Licht einfiel, planten die Architekten ein Fenster mehr in die südwestliche Außenwand: Seine Brüstung geht in eine weiße Bank über, die dank aufklappbarer Sitzfläche auch Extra-Stauraum bietet.
Alles Holz im Innenraum wurde mit weiß pigmentiertem Öl lasiert: Das wirkt als UV-Schutz und Diffusor für das einfallende Licht. Die Statik kommt vom Büro Merz Kley Partner. Alle Außenwände sind tragend, die Decken aus Massivholz, auch die Treppe mit den lichtdurchlässigen Stufen und weiß geölten, vertikalen Stehern trägt mit und zelebriert in ihrer Transparenz den Wechsel zwischen den Ebenen. Wie eine Skulptur wird sie von den Dachflächenfenstern in Licht getaucht. Sie lassen die Morgensonne auch auf den Schlafflur strömen. Ein Oberlichtband leitet sie in die Zimmer weiter. 13 Menschen brauchte es, um die 2,10 x 2,10 m große Scheibe aus Dreifachisolierglas am Ende des Flurs einzusetzen: dafür sieht das Wäldchen von hier oben phänomenal gut aus. Die weiß lasierten Laibungen der Dachflächenfenster fungieren in den Kinderzimmern als ideale Arbeitsplätze. Dazwischen sind sechs Solarkollektoren am Dach montiert, die das Wasser wärmen: um optimal effiziente Sonneneinträge zu erreichen, hat es 45º Neigung. Das Dach über dem Elternschlafzimmer ist nur mit 25º geneigt: auf ihm liegen nur die Photovoltaikpaneele zur Stromerzeugung.

Durch und durch ökologisch.

Das IBO prüfte alle Materialien auf ihren CO2-Gehalt. UV-beständige, schwarze Winddichtung, Zellulosedämmung, formaldehydfreie OSB-Beplankung, Schafwolle zwischen der Lattung, statt eines Estrichs kamen hochverdichtete Gipsplatten aus Zellulosefasern zum Einsatz. Am Boden liegt Eichenparkett, in den Nassräumen zeigt Recycling seine ästhetische Seite: sie sind mit Graniti Fiandre Fliesen verkleidet. Es gibt kontrollierte Be- und Entlüftung, wobei die Frischluft durch einen Wärmetauscher von der Brauchluft erwärmt wird. Optional kann man in der warmen Jahreszeit auch die Fenster öffnen: dann strömt die kühle Luft über die Kellertreppe herein, steigt mit dem Kamineffekt auf und kann durch die Dachflächenfenster entweichen. Im Winter gibt es Fußbodenheizung.
Die CO2-Emissionen liegen bei 10,3 kg CO2/m² im Jahr, dafür kompensiert der Strom aus der Photovoltaik mit 9,0 kg CO2/m², steuert das Warmwasser der Solarthermie 0,6 kg CO2/m² bei und gibt das Holz 0,9 kg CO2/m² ab. Insgesamt ein leichtes Plus von 10,5 kg CO2/m² pro Jahr. Nun wird das „ModelHome 2020“ verkauft. 850 000 € soll es kosten, Grundstück, Ausstattung und Möbel inklusive - und das Gefühl, in einem Haus zu leben, das nach 30 Jahren keinen ökologischen Fußabdruck mehr hinterlässt. Isabella Marboe,Wien

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