Im Hafen gemauert

„Elbkant“, Wohnen in derHafenCity, Hamburg

Die HafenCity in Hamburg steht für nobles Bauen, insbesondere aber auch für eine rasante bauliche Entwicklung, die das Sich-Entwickeln-Müssen einer ganzen Stadt zunächst einmal abgehängt hat. Mit dem „Elbkant“ auf dem Baakenhafen haben 6a architects den Versuch unternommen, Historisches mit Gegenwärtigem in Bezug zu setzen und spielten dabei im engsten Rahmen einer Masterplanung sehr fein mit Volumengliederung, Formenzitaten und

Farbigkeit im Mauerwerk.

Die Zahlen deuten auf das Gigantische und sie sind für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich: 157 ha ehemaliges Hafen- und Industrieareal werden seit dem Ende der 1990er-Jahre südlich der Hamburger City umgekrempelt. Teile von Hafenbecken werden zugeschüttet, Anlagen und Hallen abgerissen, Baugrund bebaubar gemacht und Hafendekor neu platziert: Schiffe, Kräne, Anleger. Auf den ehemaligen Hafenflächen wird gebaut wie im Rausch, die Hamburger City-Fläche um 40 % vergrößert. Ob diese Baugeschwindigkeit dem neuen Stadtviertel gestalterisch gut tut? Ob dieses Aus-einem-Guss-Sein nicht auch Monotonie erzeugt und Gestaltentwickler ausbremst?

Vornehmlich Büroflächen werden realisiert, knapp dahinter Wohnungen. 1 500 Einheiten sollen es etwa werden, sämtlich in Mehrgeschossern untergebracht. Davon sind Teile mietpreisgefördert, andere lassen dem Luxuswohnen ihren Raum. Von West (Elbphilharmonie) nach Ost wurde die HafenCity entwickelt, nun ist man mit dem Baakenhafen im Osten mit rund 2 100 Wohneinheiten fast am Ende des Projekts angekommen. Nach dem städtebaulichen Entwurf von APB Architekten soll hier „ein grünes, sozial gemischtes Wohn- und Freizeitquartier mit einem differenzierten, intensiv öffentlich geförderten Wohnangebot für Familien, Studenten, Senioren und pflegebedürftige Menschen“ (HafenCity GmbH) entstehen. In 2022 wird es wohl komplett sein.

Die Architekturen auf dem Baakenhafen – für die Baufelder gab es eigene Architektenwettbewerbe, die allerdings extrem engen Vorgaben zu folgen hatten – sind maximal sieben Geschosse hoch und haben alle das eine: eine mehr oder weniger helle, erdfarbene Außenhaut, sei sie aus Klinker, wie bei den meisten Gebäuden der HafenCity, sei sie eine Putzschicht. Nun ja, alle Bauten dann doch nicht, auf Baufeld 92 a/b stehen zwei Häuser, die alles andere, aber nicht hell freundlich unscheinbar sind.

Wettbewerb / Städtebau

Rund 15 Baufelder waren mittels Wettbewerben zu gestalten, auf einigen, allerdings zusammenhängenden, gab es mehrere Büros, die die Realisierung für sich entschieden. Das hier vorgestellte Projekt „Elbkant“ auf dem Baufeld 92 a/b ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, der Ende 2015 juriert wurde und den 6a architects, London, mit einem Entwurf für die zwei Bauteile gewann, der so ganz anders daherkommt als die Nachbarn. Die beiden Siebengeschosser stehen am Südrand des ehemaligen Hafenbeckens und damit am Nordrand des Baufeldes. Der östliche Teil bildet im Grundriss ein S, der westliche hat einen annähernd quadratischen Grundriss. Dieser Turm steht mit seinem Gegenüber auf der Kante zum Promenaden-ufer, aber soweit entfernt, dass sich zwischen den beiden ein geschützter Platz zum Hafenbecken hin öffnet. Physisch verbunden sind beide Bauteile durch eine zweigeschossige Tiefgarage im Sockel hinter rotem Klinker. Die Tiefgarage hat, wie viele andere überdurchschnittliche Dinge auch, die Mietpreise der 64 Wohnungen nicht gerade nach unten gedrückt.

Generalunter- und -übernehmer in einem ist die Ditting Zwölfte GmbH & Co KG, über die dann auch das Hamburger Büro Schenk Fleischhaker Architekten ins Spiel kam, das die Ausführungsplanung machte und dessen Projektleiter, Peter Focke, uns – neben den Londonern – für Gespräche vor Ort am Objekt zur Verfügung stand.

Mauerwerk

Tatsächlich sind die beiden hinter dunklem Klinker versteckten Wohnungsbauten gemauert. Ab dem zwei Geschosse hohen Ortbetonsockel (Läden, Galerie, Gastro o.  ä.) ist die Struktur eine gemauerte. Doch weniger diese innen wie außen versteckten Mauerwerksarbeiten sind hier das Thema, als der dunkle Klinker, der hier in zwei Farben und (ursprünglich unterschiedlichen) Verbänden in der äußeren Schale zur Anwendung kam. 6a architects haben mit diesen Steinen ein Thema vorangetrieben, das sie seit dem Projekt „Raven Row“ (London, 2009) immer wieder in ihren Projekten aufprobieren und in ständig sich wandelndem Zugriff variieren: die Karbonisierung von Holz oder anderen Materialien, die sich dafür eigenen.

Ganz sicher hätten Tom Emerson und Stephanie Macdonald und ihr Team die Ziegel sämtlich noch per Hand feuerbehandelt, hätte sie dafür Zeit gehabt. So griffen sie auf ein Normalformat der Firma Vandersanden zurück: für das Erd- und Zwischengeschoss auf den anthrazit glänzenden Ziegel „Potsdam“, für die anschließenden Obergeschosse auf den schwarz-braunen „Gunnar“, beide Varianten mit schwarzen Mörtelfugen.

Allerdings erlaubt auch ein „Normalformat“ Toleranzen, was kritisch wird, wenn die Architekten den Sockel anders vorgesehen hatten als den Schaft. Denn während unten irregulärer und darüber Läuferverband geplant war, musste das revidiert werden: Die leicht zu kurzen Ziegel für die Oberschosse erlaubten das geplante Reguläre nicht, auch hier wurde der Verband irregulär wild. Ob das optisch zum Tragen kommt? Vielleicht wäre die gewünschte Differenzierung von Sockel zu Schaft noch klarer zum Ausdruck gekommen, doch bereits der Unterschied der Farbigkeit und vor allem der unterschiedlichen Reflektion (unten silbrig hell, oben matt schokoladenbraun) sichert die Entwurfsabsicht, das Noblere auf einen soliden Sockel zu stellen.

Die Schalenlast vor der Wärmedämmung wird geschossweise über Konsolanker abgetragen. Der Anspruch, die Fugen mit vorgefärbtem Mörtel flächenbündig zu halten (grob abgebürs-tet), konnte durchgesetzt werden. Die Oberflächen haben damit die gewünschte Homogenität, die das feine Gestaltungsspiel auf der Oberfläche noch deutlicher herauskommen lässt. So springen die Fenster in den drei oberen Geschossebene um gut 10 cm nach vorne, werden nach oben hin kontinuierlich  breiter und die Fassade zeigt Blindflächen, wo Fensteröffnungen in der Systematik erwartbar wären, im Innenraum aber keinen Sinn machen. Das Sich-Öffnen der Fassade nach oben hin ist klares gestalterisches Mittel: Während zum Straßenraum unten Intimität im Urbanen gewährleis­tet werden soll, soll oben das Ausblicken-Können vorrangiges Ziel sein.

Die den Mauerwerksverbund ebenfalls gliedernden, hochrechteckigen Fenster sollen den BewohnerInnen der HafenCity trotz Außenlärms erlauben, auch bei offenem Fenster zu schlafen. Der „Hamburger Leitfaden Lärm in der Bauleitplanung 2010“ beschreibt ein Schallschutzkonzept, das darauf ausgerichtet ist, dass während der Nachtzeit ein Innenraumpegel von 30 dB(A) in Schlafräumen bei gekipptem Fenster nicht überschritten werden darf. Die Fenster, die eigentlich reine Schlitze sind, finden sich jetzt als Blindfenster dort, wo sie Teil eines Gesamtmusters in der Ansicht sind, aber, wie schon bei den großen Fensterflächen auch, als wirkliche Fenster nicht hingehören. Die Lüftungsschlitze sind in den Blind-
varianten mit dem Klinker des Sockels ausgefüllt. Hier verbinden die Architekten dezent wie wirksam zugleich Sockel und Schaft.

Auffällig sind noch die Fensterstürze. Hier wurden die Klinkerriemchen in der Schalung mit dem Beton vergossen und als Fertigteil mit dann senkrecht stehendem Format eingebaut. Bei den Stützen auf den Ecken der Loggien wurde in gleicher  Weise gehandelt. Dass dieses Verfahren bei den Loggienstützen in den beiden oberen Geschossen ausgesetzt wurde und hier ein durchgefärbtes Betonfertigteil gezeigt wird, ist eine Reaktion auf die in der Ansicht schmaler werdenden Stützen, die oben – optisch betrachtet – nicht mehr zu mauern sind.

Nicht durchsetzen konnten sich die Architekten mit ihrem  Wunsch – man muss es Versuch nennen –, die in den Fassadenflächen notwendigen Dilatationsfugen in Mäanderfugen zu verstecken. Mit Blick auf die dunkle Farbe des Klinkers (stärkere Aufheizung) und offenbar wenig guten Erfahrungen mit dieser Thematik seitens des Generalunternehmens wurden doch senkrechte Dehnfugen eingesetzt, wenn möglich im Anschluss an vorhandene, konstruktiv bedingte Vertikallinien.

Fazit

Schaut man auf die rigiden Vorgaben für die einzelnen Baufelder, ist mit dem „Elbkant“ ein feiner und vielschichter Ort entstanden, der sowohl über seine Präsenz im Umraum wie auch in den Details seiner Hüllenplanung überzeugt. Der Verweis von 6a architects auf die Hafenatmosphäre, die ihr Neubau widerspiegeln soll, ist gelungen. Bullaugen und kräftige, dunkel glänzende (Teer) Bauteile, Sockel und Schaft als Anlegepoller mit Betonfundament, all das schreibt die Geschichte des Hafenbeckens aus dem 19. Jahrhundert sehr dezent in unserer Zeit fort. Und 6a verweisen nachdrücklich darauf, dass sie mit all diesen Gestaltungsdingen die Geschichte und Geschichten des Georgian Style Londons nach Hamburg transportieren wollten. Auch weil (hätten Sie es gewusst?) London wie Hamburg eine Hansestadtvergangenheit hat. Dass die Idee, den Sockel auf Straßenniveau mit Platten aus Gußeisen zu verkleiden, aus technischen Gründen scheiterte, ist bedauerlich. Dieser starke, tastbar erfahrbare Rammschutz hätte das Bindeglied sein können zwischen dem ehemals Rauen einer Hafenarbeitswelt und der edlen Wohnanlage heute. Jetzt sieht man stattdessen einen durchgefärbten, vorgehängten Sichtbetonsockel. Auch ist es bedauerlich, dass die Architekten ihre Idee vom „sash window“ genannten Schiebefenster im Erdgeschoss nicht haben durchsetzen können. Es hätte leicht die Atmosphäre erzeugt, die man sonst rein planerisch nur schwer erzeugen kann. Dass das „Elbkant“ insgesamt aber ein „ziemlich gerades Projekt“ geworden ist, wie Projektleiter Peter Focke zufrieden betonte, ist wohl dem Willen aller Beteiligten zu verdanken, trotz ­allen Kompromissen am Ende doch das Meiste ­herauszuholen. Be. K.

Baudaten

Objekt: ELBKANT, HafenCity Hamburg Baufeld 92 a/b

Standort: Baakenallee 23/25

Typologie: Neubau zweier Wohn- und Geschäftshäuser auf gemeinsamer Tiefgarage

Bauherr: Ditting Zwölfte GmbH & Co KG, Rendsburg, www.ditting-bau.de

Architektur: Entwurf: 6a architects, London, mit Tom Emerson, Stephanie Macdonald, Karolina Sznajder, Takeshi Hayatsu, David Schmidt, Korbinian Kainz, Owen Watson, Edorta Larizgoitia, Jongwon Na, Franz Brunnert

Ausführung: Schenk Fleischhaker Architekten Hamburg, mit Stefan Fleischhaker, Peter Focke, Christian Carsten s, Clara Marie Landwehr, Malte Striedelmeyer, Oksana Ornfeld, Kristina Buchholz, Lisa-Marie Harders u. a., www.schenk-fleischhaker.de

Generalunternehmer / Bauleitung: Richard Ditting GmbH & Co. KG

Bauzeit: 05 2018–08 2020

Fachplaner

Tragwerksplaner: KFP Ingenieure GmbH, Buxtehude, www.kfp-ingenieure.de

TGA-Planer: energie & technik GmbH, Sittensen, www.energieundtechnik.net

Akustikplaner: Akustikberatung Jacobi, Hamburg

Landschaftsarchitekt: Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Berlin, atelier-loidl.de

Energieplaner: KAplus – Ingenieurbüro Vollert, Eckernförde, www.kaplus.de

Brandschutzplaner: KFP Ingenieure GmbH, Buxtehude

Projektdaten

Grundstücksgröße: 1 905 m²

Grundflächenzahl: 0,5

Nutzfläche gesamt: ca 4 910 m², davon Wohnfläche ca. 4 200 m², Gewerbe ca. 710 m²

Brutto-Grundfläche: ca. 11 000 m²

Brutto-Rauminhalt: ca. 37 000 m³

Energiekonzept

Primärenergiebedarf:

Wohnen KFW 55

BT A: 12,49 kWh/m²a nach EnEV 2014

BT B: 11,55 kWh/m²a nach EnEV 2014

Nicht Wohnen:

BT A: 55,2 kWh/m²a nach EnEV 2014

BT B: 70,3 kWh/m²a nach EnEV 2014

Umweltzeichen der HafenCity Standard Gold

Endenergiebedarf:

Wohnen KFW 55

BT A: 61,8 kWh/m²a nach EnEV 2014

BT B: 57,7 kWh/m²a nach EnEV 2014

Gebäudehülle

Umkehrdach, 24 cm WU-Beton, 34 cm XPS-Dämmung WLS 042, Dachbegrünung intensiv/extensiv

Außenwand Verblendschale 11,5 cm Verblender, 2 cm Fingerspalt 10 cm EPS WLS 021 bzw. 16 cm

Mineralwolle WLS 032

Kunststofffenster, Dreifach-Isolierverglasung ­­

Uw gemittelt max. 0,80 W/(m²K),

Boden 10 cm Wärmedämmung WLG 040, 25 – 30 cm Betondecke, 6 cm Wärmedämmung WLG 035, Trittschalldämmung WLG 040, Estrich, Bodenbelag (Parkett, Fliesen)

U-Wert Außenwand = 0,18 W/(m²K)

U-Wert Dach = 0,12 W/(m²K)

Uw-Wert Fenster = 0,8 W/(m²K)

Ug-Wert Verglasung = 0,5 W/(m²K)

Luftwechselrate n50 = 0,55/h

Hersteller

Vorgehängter Sichtbetonsockel: Fa. Heuchert,

www.heuchert-bau.com

Ziegel Warftwand, Erd- und Zwischengeschoss, Obergeschosse: Vandersanden,

www.vandersanden.com

Ziegelfertigteile: Fa. Camino, camino.de

Fenster Wohnen/Gewerbe: Schüco,

www.schueco.com

Die Architekten setzen mit ihrem kraftvollen Konzept ein beispielhaftes Zeichen dafür, dass guter Wohnungsbau auch unter wirtschaftlichem Druck gelingen kann. In der feinsinnigen architektonischen Schichtung und Gliederung offenbart sich das poetische Ausdrucksvermögen von tragender Struktur und inhaltlicher Funktion

⇥Heftpartner Axel Frühauf, meck architekten

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