Einig und zugleich geschieden
Frankfurter Europaviertel soll neuen Eingang bekommen

Her mit den Plänen, aufgerafft ihr Bagger und Kräne, her mit den Entscheidungen, ihr Stadtverordnete. So ähnlich dürften die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) und der Dezernent für Planung und Bauen Edwin Schwarz (CDU) gedacht haben, als sie im Frühjahr auf der MIPIM voller Vorfreude Großes für den Frankfurter Herbst 2008 voraussagten. Das Europaviertel soll endlich seinen repräsentativen und spektakulären Eingang bekommen. Diesen werden das Einkaufs- und Kongresszentrum „Skyline Plaza“, vielen noch als Urban Entertainment Center in unguter Erinnerung (Jourdan + Müller), und ein Büroturm, der „Turm 185“, bilden (Christoph Mäckler).

So konzentrierten sich Ende September drei Ereignisse, die zusammen den großen Auftakt im Europaviertel und eine strahlende Oberbürgermeisterin ergaben: der Spatenstich des Bauvorhabens „Turm 185“, der Beschluss zum Bau der Skyline Plaza durch die Stadtverordneten und der Beschluss zur verbindlichen Festsetzung des Zentrenkonzeptes zum Schutz des bestehenden Frankfurter Einzelhandels. Fast könnte man es als ein Septembermärchen bezeichnen, nach elf Jahren Streit um die urbane Unterhaltung, nach fünf Jahren Zentrenuntersuchung und jahrelanger Suche nach einem Betreiber und der passenden Nutzung. Mit der Idee für ein Kongresszentrum konnten die Investoren die Messe Frankfurt als Betreiber locken. Alles ist gut, was trübt also den Frankfurter Rauscher?

Was das Städtebauliche angeht, sind sich alle einig. Etwas Großes muss her, ein Auftakt, ein Highlight. Nur was tun, wenn 125 000 m² (ohne die zwei Hochhäuser) gefüllt werden sollen? Bei der Nutzung scheiden sich die Einkaufsgeister, denn Streitpunkt ist das geplante Einkaufzentrum mit seinen rund 33 000 m² Einzelhandelsfläche. Der Landesverband des Hessischen Einzelhandels e. V. ist seit Anfang der Planungen der wohl stärkste Gegner des Skyline Plaza-Einkaufszentrums und fürchtet um den Umsatz in den benachbarten Stadtteilzentren. „Einzelhandelsflächen in der Region und in den Stadtteilen werden an Wert verlieren. Rund 600 000 m² neue Einzelhandelsflächen sind derzeit in der Region in Planung, 130 000 m² werden aber nur benötigt nach einem Gutachten der GMA (das Zentrenkonzept der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung, Köln)“, sagt Frank Albrecht, Präsident des Verbandes. Die Befürworter der Plaza hingegen erwarten einen zusätzlichen Einzelhandelsbedarf durch die Nutzer des Kongresszentrums, prognostiziert sind das rund 3000 Besucher täglich, die messemüde shoppen sollen.

„Das Projekt als solches wird schwer zu vermieten sein, denn ein Kongresszentrum ist kein Magnet für Einkäufer“, kritisiert Al-brecht. Auf Antrag der CDU setzten die Stadtverordneten jenes Zentrenkonzept aus dem Jahr 2003 als verbindlich fest, ein Zugeständnis an die Händler, denn neue Einzelhandelsflächen sieht das Konzept nicht vor. Das könnte beruhigen, doch eine dem Konzept nun beigefügte Ausnahmeregelung sichert den Bau bereits geplanter Projekte, auch die „Skyline Plaza“. Ein Antrag der SPD, das Zentrenkonzept unter Berücksichtigung der neuen Flächenentwicklungen zu überarbeiten und geplante Projekte anzupassen oder zu hinterfragen, wurde abgelehnt, einige Tagesordnungspunkte vor dem Beschluss für die „Skyline Plaza“. Zu groß ist die Freude über einen (stadt- und landeigenen) Betreiber. Wenn nicht jetzt, wann denn dann?

Ein verbindlicher Vertrag zwischen der Messe Frankfurt und den Investoren über die Nutzung ist bisher nicht unterschrieben. Mit rund 330 Mio. € für den Bau rechnen die ECE und der Vivico Real Estate, seit Dezember 2007 ein Unternehmen der durch die Finanzkrise angeschlagenen, österreichischen DA Immo AG. So ist das Projekt politisch zwar beschlossen, man mag es aber erst richtig glauben, wenn Bagger und Kräne anrücken. Erst einmal müssen sie her, schnell, die Verträge, die Pläne, aber wer mag schon die Vorfreude verderben? Rosa Grewe, Darmstadt

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