Digitale Schadensaufnahme

Die Klassifizierung von Schäden an Natursteinen ist komplex und häufig ungenau – was bei der Planung der Kosten für eine Sanierung ein Problem ist. Nun arbeitet ein ­Forschungsverbund an der Digitalisierung der Prozesse, um so mehr Klarheit und Planungssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen

Im Rahmen des Forschungsprojekts BIM-SIS wird derzeit der Prozess der Schadensaufnahme und -sanierung an Natursteinfassaden digitalisiert bzw. bimifiziert – im Zuge dessen soll eine ganzheitliche Lösung zur Prozess- und Kostenoptimierung entwickelt werden. Das erklärte Ziel des auf drei Jahre angelegten Projektes ist die Realisierung eines neuartigen, integrativen und weitestgehend automatisierten Schadensidentifikationssystems für Natursteinfassaden. Ein weiterer Baustein ist die Schadensklassifikation und die Generierung von Sanierungsvorschlägen mit einer daraus abgeleiteten Kostenbeschreibung.

Das Konsortium unter der Leitung des Ingenieurbüros Tragwerk Software aus Dresden, der Technischen Universität Dresden, dem Institut für ­Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie dem Architekturbüro 3L aus Menden, erarbeitet interdisziplinär eine umfassende Lösung, die sich bereits in der Testphase befindet.

Das Akronym BIM-SIS steht für Building Information Modeling – Schadens Identifikations System. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert dieses Projekt im Rahmen des Programms „KMU-innovativ: IKT“. Indem Fotos von Schäden mit einer Datenbank abgeglichen werden soll es künftig möglich sein, die Schadensart zu identifizieren und zu klassifizieren.

Heterogene Schadensbilder

Zu den alltäglichen Anforderungen an eine Sanierungsmaßnahme bei Bauwerken aus Naturstein zählen sowohl die Berücksichtigung von ­Aspekten des Denkmalschutzes als auch die Differenzierung unterschiedlicher Materialien und Schadensbilder. Diese komplexe Ausgangslage erzeugt häufig einen unverhältnismäßig hohen Planungsaufwand für AuftraggeberInnen wie AuftragnehmerInnen. Deshalb ist eine qualifizierte Steuerung der Kosten und des terminlichen Ablaufs in vielen Fällen nahezu unmöglich; Bauzeitverzögerungen und Nachträge zur ursprünglichen Kostenplanung sind die Folge.

Dank der Vorbereitung und Durchführung von Bauprojekten mithilfe von Building Information Modelling (BIM) soll es nun möglich werden, auch den speziellen Anforderungen an einem vollständig digitalisierten Prozess der Natursteinsanierung gerecht zu werden.

Denn die Planung von Sanierungsprojekten steckt bislang in einem Dilemma: Während die Kosten für die konventionelle Schadensermittlung steigen, je genauer sie den Ist-Zustand abbildet, nehmen die Unsicherheiten für das Sanierungskonzept und die Kostenplanung überproportional zu, je unschärfer diese ausfällt.

Ziel ist es daher, die Voraussetzungen für das Erstellen differenzierter Sanierungskonzepte zu schaffen, bei denen sich der Aufwand im Rahmen hält. Sie sollen den AuftraggebernInnen die Planung ihres Projekts erleichtern und das bereits vor Vertragsschluss oder in einer sehr frühen Phase der Kostenkalkulation. Zentral hierfür ist ein aussagekräftiges BIM-Modell.

Die im Forschungsprojekt entwickelte BIM-SIS Plattform ermöglicht die Erstellung von verschiedenen Schadens- und Sanierungsszenarien auf der Grundlage eines nutzbaren, standardisierten Datenbestandes, der sich aus erfolgreich abgeschlossenen Projekten speist. So wird das aus abgeschlossenen Sanierungsfällen gewonnene, umfangreiche Wissen über Schäden archiviert und zur Grundlage einer gesicherten Einschätzung des zu erwartenden Schadens- und Sanierungsumfangs.

Einfaches Risikomanagement

Der wissenschaftliche Ansatz verfolgt hier eine einfache Strategie zur Qualitätsabsicherung: Die Ungenauigkeit bei der Einschätzung des Schadensausmaßes wird durch ein einfaches Risikomanagement mithilfe von Konfidenzintervallen quantifiziert. Das heißt, auf Basis der Eingangsdaten wird für den individuellen Schaden ein Minimal- und ein Maximalausmaß berechnet, für die jeweils ein Sanierungskonzept mit passenden Angeboten entworfen werden. Dieser Prozess erfolgt hochautomatisiert, um die Kosten für alle an der Planung und Entscheidung Beteiligten überschaubar zu halten.

Der Unterhalt von Objekten, insbesondere von historischen Gebäuden mit Natursteinfassaden, erfordert in der Praxis kontinuierliche Instandhaltungs-, Reparatur- und Sanierungsarbeiten. Dadurch entsteht der stete Bedarf, die notwendigen Maßnahmen zeitlich zu koordinieren und planbar zu budgetieren. Hierbei gilt es auch, kurzfristige Sicherungsmaßnahmen sowie anstehende Teil- und Totalsanierungen – unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen und praktischen Aspekten – in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen.

Diesen Anforderungen muss sich auch ein vollständig digitalisierter Natursteinsanierungsprozess stellen. Deshalb sollen sämtliche Arbeitsprozesse mithilfe von Building Information Modeling (BIM) projektiert, geplant, durchgeführt und abgerechnet werden. BIM-SIS wird daher als adaptives Schadenserkennungssystem für Naturstein entwickelt, das es ermöglicht, verschiedene Natursteinschäden, die mit unterschiedlichen Informationssystemen und Verfahren erfasst wurden, virtuell zu einem ganzheitlichen Schadensmodell zusammenzuführen. Dieses Modell dient dazu, die Schäden integrativ, detailliert und unterstützt von wissensbasierten Methoden zu bewerten und eine einheitliche sowie kostenstabile Sanierungsstrategie zu entwickeln.

Die digitale Zustandserfassung von Bestandsgebäuden und Denkmälern wird seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Schwerpunkten weiterentwickelt. Gut bekannt sind die rasanten Entwicklungen auf dem Sektor des Scannings von Geometriemodellen. Hinzu kommen automatisierte Messungen von Schadensentwicklungen, meist über einen Projektzeitraum, sowie die Verortungen von Befunden in Raumbüchern. Ein wesentliches Nadelöhr ist aber häufig die spätere Nutzung sowie die Weiterverarbeitung dieser Daten zu Sanierungskonzepten, Maßnahmenplänen und zur Kostenermittlung. Genau an diesen Punkten erreicht BIM-SIS durch Nutzung der BIM Grundlagen und der Verknüpfung bereits vorliegender Informationen wesentliche Fortschritte. Zentral hierfür sind nicht zuletzt die zahlreichen Schnittstellen, die in die Software integriert sind und so den Einstieg in das System erleichtern.

Systematik übertragbar

Vor dem Hintergrund, dass die BIM-Modulation kontinuierlich weiterentwickelt wird und die AnwenderInnen immer leichter BIM basierte Gebäudemodelle generieren und nutzen können, schafft BIM-SIS die Grundlage, Sanierungsfälle in einem durchgängigen Ansatz zu bearbeiten. Dies betrifft sowohl die Gewinnung grundlegender Informa­tionen als auch die Erstellung von Sanierungs­varianten, welche die Faktoren Kosten und Zeit berücksichtigen und in ein sinnvolles Verhältnis setzen. Zwar liegt der Fokus des Projekts auf Objekte aus Naturstein, jedoch kann die Systematik problemlos auf andere Anwendungsfälle und Schadenssysteme übertragen werden. Vorraussetzung hierfür ist lediglich, dass die materialspezifischen Schäden gut evaluiert und klassifiziert sind. Aktuell wird das BIM-SIS an Natursteinfassaden von drei Demonstrationsvorhaben validiert. So sollen Erkenntnisse zur Verbesserung der Anwenderplattform gewonnen und die unmittelbare Anwendbarkeit bestätigt werden. Zu diesem Zweck wurden präzise und verknüpfte BIM-Modelle auf Basis der Standardelemente IfcWall und IfcBuildingElementProxy erstellt.

Die Anwendung dieses Standards ist für alle weiteren Verarbeitungsschritte bei der Nutzung der BIM-SIS Plattform zwingend erforderlich und es erscheint wichtig, eine Vereinfachung für die Anwender zu entwickeln, um den Gebäudebestand und die damit verbundenen Aufgaben zu digitalisieren. Künftige Vorhaben, die eine Prozess­optimierung verfolgen, werden auch deshalb leichter umsetzbar sein, weil digitale Informationen zu Gebäuden in größerer Zahl standardisiert zur Verfügung stehen werden.

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