Die Zukunft heißt Smart City
Herausforderungen an das Bauen der Zukunft

Die gesellschaftliche Entwicklung hängt von der volkswirtschaftlichen Entwicklung ab. In Deutschland ist traditionell die Baubranche eine der wesentlichen Säulen der Volkswirtschaft. Zukünftig werden neben dem wirtschaftlichen Faktor weitere Themen wie Umweltschutz, Energie- und Rohstoffeffizienz Bedeutung erlangen. Denn je nach Studie werden für Gebäudeerrichtung und -betrieb 30 bis 40 % der Energieressourcen verbraucht. Das prog­nostizierte weltweite Bevölkerungswachstum in Verbindung mit der begrenzten För­derung fossiler Energieträger sowie von anderen Bodenschätzen, führt zu einem zunehmenden Kampf um diese Rohstoffe. Selbst wenn bewaffnete Konflikte ausbleiben, wird dieser Kampf an den Rohstoffbörsen geführt. Stei­gende Preise sind die Folge. Somit wird die Frage, wie wir künftig unsere Gebäude planen, errichten und betreiben, aber auch wie wir sie sanieren, umnutzen und recyceln, zu einer der wesentlichen Herausforderungen unserer Zukunft.

Die effiziente Nutzung von Energie wird nicht nur für die Baubranche zur Notwendigkeit. Letztendlich müssen Energieverbrauch und wirtschaftliches Wachstum entkoppelt werden. Gerade im Bauwesen stecken viele ungenutzte Energieeinsparpotentiale. Diese zu nutzen bietet auch eine große Chance für den Wissens- und Wirtschaftsstandort Deutschland und eröffnet unseren nachfolgenden Generationen zusätzliche Perspektiven. Noch haben deutsche Produkte und Aktivitäten im Bereich des umweltgerechten Bauens eine Führungsposition inne. Für den dauerhaften Erfolg durch einen Forschungsvorsprung ist es erforderlich, kontinuierlich die Grundlagen­ergebnisse in marktgängige und funktionssichere Produkte und Systeme umzusetzen. Kosteneffizienz durch Energieeffizienz wird zur treibenden Kraft im 21. Jahrhundert.

Doch neben der Kosten- und Energieeffi­zienz werden auch schon heute soziokulturelle Qualitäten im Bauwesen eingefordert. Dies umfasst beispielsweise die Gesundheit und Behaglichkeit der Nutzer von Gebäuden. Die integrale Bewertung dieser drei Faktoren wird unter dem Begriff des Nachhaltigen Bauens zusammengefasst. Bei dieser Be­wertung wird nicht nur die Gebäudenutzung betrachtet, sondern die gesamte Gebäude­lebensdauer von der Baustoff- und Gebäudeherstellung bis zum Abriss und der folgenden Entsorgung. Hier sind die Entwicklungspoten­tiale noch groß: Besonders bei der Einführung einer Kreislaufwirtschaft steht das Bauwesen noch am Anfang, denn bisher exis-

tieren keine durchgängigen Planungsmethoden zum recyclinggerechten Konstruieren.

Die Bewertung aller Lebenszyklusphasen eines Gebäudes ergibt für die im Vergleich zu anderen Branchen eher konservative Bauwirtschaft weitere Möglichkeiten. Erst auf diese Weise können verschiedene bauliche Konzepte verglichen werden. Welche Lösung ist kosten- und energieeffizienter: der Einsatz von Klimatechnik zur Gebäudekühlung oder eine angepasste Architektur zur Vermeidung von technischen Hilfsmitteln wie Klimaanlagen? Die Gesamtkosten und Nutzungsqualitäten werden zunehmend wichtiger als die bisherigen Kriterien Lage und Kaltmiete.

Während sich im Neubau die Grundsätze nachhaltigen Bauens vergleichsweise leicht realisieren lassen, bietet der Altbau­bestand größere Herausforderungen zur Reduktion ökologischer Belastungen von Emissionen ins Grundwasser bis in die Atmosphäre. Besonders durch die lange Lebensdauer von Gebäuden wird der überwiegende Teil unseres Baubestandes noch über mehrere Jahrzehnte zu nutzen sein. Im Zuge seiner zukunftsfähigen Ertüchtigung werden bislang technische und bauphysikalische Maßnahmen weitgehend getrennt betrachtet. Dies führt dazu, dass beispielsweise das energetische Potential einer Sanierung oft nur unzureichend ausgeschöpft wird. Sanierungskonzepte, die neben der Gebäudehülle auch die Nutzungsprozesse im Gebäude berücksichtigen, tragen zu deutlichen Effizienzsteigerungen bei.

Systemintegration und Vernetzung

Erst die Gebäudeleittechnik ermöglicht die Verknüpfung zwischen eingesetzten Anlagen und Gebäudekomponenten mit bauphysikalischen Gebäudeeigenschaften und nutzungsorientierten Gebäudebetrieb. Hinzu kommt, dass die Gebäude zukünftig flexibler auf die fluktuierende Energie­bereitstellung durch erneuerbare Energien reagieren müssen. Nicht nur durch die Anbin­dung elektrischer Energiespeicher in Form von Elektromobilen oder Batterien im Gebäude, sondern auch durch thermi­sche Speichermassen können Gebäude zur Entlastung des Stromnetzes beitragen. Hierfür fehlen aber noch geeignete Verrechnungssysteme, um diese neue Art der Energiedienstleistung honorieren zu können.

Durch die zunehmende Integration von IuK-Technologien in unsere Gebäude ändert sich auch das Bild baubezogener Arbeitsplätze. Das vermeintliche „Low-Tech-Gewerbe“ entwickelt sich zunehmend zu einer „High-Tech-Branche“. Der Baubereich setzt schon heute vielfältige Innovation um, auch wenn diese dem Nutzer häufig nicht offenkundig werden. Die Technologisierung des Bauens wird sich durch die Systemintegration der Einzelkomponenten (Heizungsanlage, Verschattung, nutzungsgeführte Klimatisierung, weiße Ware…) weiter beschleunigen.

Schon längst ist der planerische Fokus nicht auf einzelne Gebäude begrenzt. Vielmehr wird die Wechselwirkung in Stadtquartieren und dessen Bezug zum Umland betrachtet. Dabei prägen sich weltweit unterschiedliche Trends aus. Während vor allem in Asien und Südamerika der deutlichste Bevölkerungszuwachs und somit ein konti­nuierlicher Stadtneubau stattfindet, ist die Verstädterung in Europa weitgehend abgeschlossen. In Deutschland werden neben den klein­eren Städten nur die Metropolregionen weiteren Zuwachs erleben. In einigen Teilen Deutschlands, vor allem in den ostdeutschen Ländern, wird eine Abnahme der Bevölkerung prognostiziert. Entsprechend der de­mografischen und wirtschaftlichen Veränderungen sind auch die Konzepte der jeweil­igen Stadtentwicklung anzupassen. So müssen unsere urbanen Zentren, häufig dem Mittelalter entsprungen, erhalten, energetisch ertüchtigt, mit entsprechenden Ver- und Ent­sorgungsstrukturen ausgestattet und die Verkehrs­flüsse gesichert werden. Bei zu­neh­menden Verdichtungsprozessen ist den Nebenwirkun­gen, z. B. Lärm und Wärmeinseln, bauphysikalisch zu begegnen, wäh­rend in anderen Regionen durch Rückbau die Lebensqualität trotz Schrumpfung zu sichern ist.

Die fortschreitende Verstädterung findet vor allem außerhalb der OECD-Staaten statt. Im Jahr 2025 werden etwa 61 % der Weltbevölkerung in Städten leben – derzeit sind es rund die Hälfte. So entsteht beispielsweise in China in kürzester Zeit Wohnraum für Millionen von Menschen „auf der grünen Wiese“. Die Zukunftsfragen, die wir uns heute stellen, sind die Fragestellung der derzeitigen Boomregionen (Brasilien, Indien, China) von Morgen. Diese reichen von individueller Mobilität und Logistik, gesicherter Energieversorgung bei steigendem Bedarf bis hin zu einer hohen Dichte einer alternden Bevölkerung. Somit wird zukünftig auch außerhalb von Europa die Zukunft in einer nachhaltigen Bauweise liegen. Einige Länder haben dies schon erkannt und vermengen die klimatisch angepassten historischen Bauweisen mit modernen Technologien. In Verbindung mit der Nut­zung erneuerbarer Energien, modernen Bauprodukten und neuen Verkehrskonzepten entsteht ein neues nachhaltiges und zukunfts­weisendes Stadtmodell. Besonders die Erforschung traditioneller, dem lokalen Klima angepasste Bauweise bietet eine wichtige Basis für eine nachhaltige Architektur.

Die Alterung der Gesellschaft ist in den klassischen Wirtschaftsnationen Europas, Nordamerika und Japans schon heute eine große Herausforderung. Für Deutschland wird prognostiziert, dass sich der Anteil derjenigen, die 80 Jahre oder älter werden, ver­dreifachen wird. Neben einer barrierefreien Architektur besteht die Aufgabe, durch Technikeinsatz das selbstbestimmte Leben für älteren Menschen in der eigenen Wohnumgebung möglichst lange zu ermöglichen. In diesem Sektor sind schon heute viele Einzellösungen in der Erprobung bzw. am Markt erhältlich. Diesen hier entstehenden und sich rasant entwickelnden Markt zusammenzuführen und darüber hinaus mit den oben erwäh­nten Potentialen, die eine intelligente Gebäudesteuerung für die Energieeffizienz bietet, zu verknüpfen, ist ein Forschungs- und Entwicklungsfeld für die kommenden Jahre.

Aus den hier nur grob umrissenen Zukunftsentwicklungen wird ersichtlich, dass die Komplexität im Bauwesen zugenommen hat und auch weiterhin zunehmen wird. Dies betrifft nicht nur den Planungsprozess, sondern auch die während der Bautätigkeit ablaufenden Prozesse. Auf der Ebene der Bauprodukte und Systemkomponenten ist durch die industrielle Vorfertigung schon heute eine hohe Qualität erreicht. Standardisierte Prozesse und schadenverzeihende Bauausführungen können helfen, die erforderliche Qualität auch auf der Baustelle zu sichern.

Umso bedeutender wird es jedoch, das notwendige Wissen in die Planungsbüros und auf die Baustelle zu bringen, um das dauerhafte Funktionieren des Gesamtsystems Gebäude sicherzustellen. Ein entscheidender Ansatzpunkt hierfür ist eine entsprechende Qualifikation aller am Bau Beteiligten. Besonders der Trend zur ganzheitlichen Bewertung des Bauens führt dazu, dass Fachplaner und Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen interdisziplinär zusammen arbeiten. Inzwischen sind auch Informatiker, Mikroelektroniker und Gerontotechniker an der Konzeption zukünftiger Wohn- und Arbeitswelten beteiligt und längst arbeiten Psychologen mit, wenn es darum geht, die Wirkungen unterschiedlicher Raumumgebungen zu beurteilen.

Herausforderungen für die Städte der Zukunft

Die planerische Entwicklung findet in Kommunen, Städten und Stadtregionen verstärkt unter wechselseitiger Beeinflussung statt. Besonders der notwendige Umbau der Energieversorgung wird für die ganzheitliche und systemische Betrachtung von Städten als zentralem Lebensraum essenziell. Die besondere Herausforderung sind flexible Strategien, um auf Veränderungen reagieren zu können.

Im Folgenden erfolgt eine Übersicht der relevanten Perspektiven, die die Zukunft unserer Gesellschaft prägen:

– Urbanisierung: International und regional sehr unterschiedliche Entwicklungen, in Europa wird nur in den Metropolregionen ein weiterer Zuwachs stattfinden. Weltweit wird sich der Bedarf von Stadtraum durch die Verschiebung des Stadt-Land-Gefälles zusammen mit dem Gesamtbevölkerungswachstum auf 9,2 Mrd. im Jahr 2050 in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln.

– Ressourcenverbrauch: Limitierte Ressourcen begrenzen eine auf Wachstum ausgelegte Marktwirtschaft und Siedlungspolitik. In Deutschland steht der momentane Flächenverbrauch steht mit 94 ha/Tag für Siedlungs- und Verkehrsflächen im direk-

ten Widerspruch zur rückläufigen Bevölkerungszahl.

– Demografie: Die in Deutschland seit 2003 rückläufige Bevölkerungsentwicklung wird auch in Zukunft weiter abnehmen, hinzu kommt steigendes Durchschnitts­alter. Die Auswirkungen sind vielfältig und beeinflussen auch das Bauwesen. Dies zwingt zu einer Umstrukturierung der bisherigen Siedlungslandschaft und bedarf neuer Regulierungs- und Versorgungskonzepte.

– Strukturwandel: Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise und die Überschuldung der Städte und Kommunen in Deutschland weisen auf einen Wandel des Wertschöpfungssystems hin. Investitionen für den zukunftsfähigen Ausbau städtischer Systeme und Infrastrukturen können nicht dauerhaft durch Kredite gesichert werden.

– Klimawandel: Städte erzeugen ca. 80 % aller CO2-Emissionen und sind gleichzeitig Problemverursacher und Lösungsansatz auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Ausnahmen gibt es in stark urbanisierten Ländern, in denen Großstädte deutlich geringere CO2-Bilanzen pro Einwohner aufweisen als ihr Umland bzw. als die Gesamtnation.

– Energiewende: Die geplante Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien hat wesentlichen Einfluss auf deutsche Städte und Kommunen. Die verstärkte Dezentralisierung der Energieerzeugung wird maßgeblich in urbanen Räumen und Regionen stattfinden.

– Mobilität: Auch wenn E-Mobiles noch einen großen Entwicklungsbedarf bis zum Massenmarkt haben, werden sie einen großen Einfluss auf unserer Stadträume und urbanen Verkehrssysteme haben. Durch den Wandel der Energieversorgungsstrukturen zum Energieträger Strom bietet das elektrisch angetriebene Automobil die Chance, die nachhaltige Stadtentwicklung um den Bereich der nachhaltigen Mobilität zu erweitern.

– Bürgerbeteiligung: Politik kann ohne Bürgerbeteiligung dauerhaft nicht funktionieren. Gerade die historisch gewachsenen und gesetzlich geregelten Planungsmechanismen für Großprojekte im urbanen Raum zeigen, dass sie heute nicht mehr gesellschaftsfähig sind bzw. eher technologieorientiert als bedarfsorientiert verfolgt werden. Um zu einer zukunftsfähigen Konsensbildung der Bevölkerung beizutragen, sind neue Partizipationsprozesse und Beteiligungsverfahren notwendig.

– IuK: Wohl keine technologische Entwicklung prägte unsere Gesellschaft im letzten Jahrzehnt mehr als Mobiltelefone und mobiles Internet. Erst die zunehmende räumliche und zeitliche Vernetzung von Information ermöglichen „Smart Cities“. Derzeitige Pilotprojekte erforschen erst ansatzweise die Potentiale dieser Entwicklung.

Fazit

Gerade beim Einbezug unserer Städte mit sehr geringem jährlichen Umbaugrad (< 1 %/Jahr) ist erkennbar, dass eine einschichtige Entwicklung der Themenkomplexe nicht zielführend ist. Ein Paradigmenwechsel ist nötig, um die gesellschaftlichen Entwicklungen als Gesamtsystem zu begreifen und ganzheitliche Planungs- und Entwicklungsinstrumente zu entwickeln und verstetigen.

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