Deutscher Architekturpreis 2015 an Sauerbruch Hutton
www.bbr.bund.de, sauerbruchhutton.de, DBZ.de

Planungs- und Baukultur soll er widerspiegeln, der Deutsche Architekturpreis. Und – davon ist Bundesministerin Barbara Hendricks als Verantwortliche des Staatspreises überzeugt – er steht auch für die Themen Nachhaltigkeit und damit Zukunftsfähigkeit. Womit man anfangen könnte, die Auszeichnung des Kölner Projekts kritisch zu sehen. Erstmal.

Gewonnen hat den Deutschen Architekturpreis 2015 das Berliner Büro Sauerbruch Hutton mit dem Neubau der Immanuelkirche und des Gemeindezentrums der Evangelischen Brückenschlag-Gemeinde in Köln-Stammheim. Die hatte allerdings schon ein Haus an vergleichbarer Stelle, ein 1969 eröffnetes Gemeindehaus, das erst ab 1992 Dietrich-Bonhoeffer-Haus genannt wurde. Ein typischer Vertreter seiner Zeit war der an die Straße gestellte Betonbau ein vielgliedriges Volumen mit teils großflächigen Fensteröffnungen zur Straße und in den Garten hinein. Hier gab es auch einen Spielplatz. Sanierungsstau und Platzmangel veranlasste die Gemeinde 2009, einen Wettbewerb für einen Neubau durchzuführen. An der Stelle des Gemeindehauses, in dem rund 43 Jahre Krabbelgruppen und Kinderbibelwochen veranstaltet wurden, Chorproben, Jugendkreise und Gemeindefeste und nicht zu vergessen die Gottesdienste, Taufen, Konfirmationen, Trauungen, Beerdigungen ... an der Stelle des dann 2012 abgerissenen Hauses sollte eine Kirche gebaut werden, die die großen Nutzungsanforderun­gen der Gemeinde erfüllen musste: Kirche sein und Gemeindehaus, Gebetsraum sein und Ort der Begegnung. Ein Kolumbarium sollte untergebracht werden und weitere
Nebenräumen.

Der Neubau ist aus Holz

2013 bereits wurde der Neubau eröffnet, der neben Kirchenbau mit Gemeinderäumen auch noch eine Kapelle hat, die, wie der Kampanile an der Straße, ein wenig abgerückt vom Hauptgebäude steht. Das Lichte des Kirchenraums versinnbildlicht – vielleicht ungewollt – das frische und noch leere Blatt Papier, auf dem jetzt die Gemeindegeschichte aufgeschrieben werden muss. Erreicht wird die Raumstimmung einerseits durch die weiß gewachste Rippenkonstruktion aus Furnierschichtholzbalken wie aus dem Zenitallicht im Altarraum und dem diffus gestreuten Licht am Emporenschluss. Kanzel und Altar, ein paar Kerzen und Wandbehänge aus dem abgerissenen Gemeindehaus erinnern an den Vorgängerbau und seine Geschichte.

Die kurze Bauzeit resultiert aus der Holzkonstruktion, die eigentlich so unspektakulär wie zugleich überraschend wirkungsvoll ist. Die Rippenbildung gliedert den Kirchenraum sehr fein vertikal. Dabei offenbaren die Furnierschichtholzbalken und Brettsperrholzplatten erst bei näherem Hinsehen ihre eigentliche Struktur. Die für Sauerbruch Hutton typische Farbarbeit gibt der ansonsten nüchternen Atmosphäre die Charakteristik, die ein Kirchenbau für sich fordern kann. Doch die lackierten Holzstäbe sind nicht bloße Kunst am Bau, sie verbergen vor allem Gestell und Kirchenorgel aus der in der Nachbarschaft abgerissenen Lukas-Kirche.

Da die Kirche für viele Nutzungen offen steht, bestand der Wunsch, einen Gebets- und Andachtsraum zusätzlich zu haben. Der wurde am hinteren Rand des Geländes als eine Art von Ausschnittsvergrößerung des Kirchenbaus als Kapelle mit kleinem Vorraum realisiert; gleiches Material, gleiche hölzerne Hülle, vergleichbar schönes Licht von oben.

Nachhaltigkeit vs. Kreativität?

Dass das Objekt den Deutschen Holzbaupreis 2015 erhalten hat, überrascht nicht. Aber den Deutschen Architekturpreis? Aushängeschild für nachhaltiges Bauen? Der mit 30 000 € dotierte Staatspreis ging 2013 an das Kunstmuseum in Ravensburg, geplant von LRO, Stuttgart. Dieser Bau überzeugte damals die Jury durch die – ästhetisch anspruchsvolle wie in der behaupteten Nachhaltig fragwürdige – Wiederverwendung von alten Ziegeln (für die Fassade und die schönen Gewölbe im oberen Ausstellungsgeschoss). Und natürlich der Passivhausstandard, den ein Museum hier erstmalig erreicht hatte. Nun ein Holzbau von exzellenter gestalterischer Qualität und einem spirituellen Gewicht, das perfekt ausgewogen allem zu dienen scheint: den still Betenden wie den lautstark Singenden. Beispielsweise. Aber dennoch geht der Neubau auf Kosten eines vorhandenen Baus mit gestalterischer Qualität und baulichen Mängeln. Den „Beitrag für eine lebendige Stadt“, den der Neubau leistet, wie die Ministerin kommentierte, leistete der Bestand allemal. Das sich, wie sie weiter sagte, „die Nutzer [...] mit dem Gebäude [identifizieren]“, war bei dem Altbau keiner Rede wert: Es war so.

Die Feststellung Barbara Ettinger-Brinckmanns, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, dass „ohne Bauherren, die sich offen für kreative Entwürfe und qualitätvolle Ausführung begeistern lassen, [...] Bauten wie die Immanuelkirche [...] nicht denkbar“ seien, stimmt dann auch nicht so ganz. Die Gemeinde hat der Kreativität der Architekten offenbar völlig vertraut, sonst wäre die Wettbewerbsaufgabe gewesen: Erweiterung und Sanierung des Bestandes. Das Mehr an Kos-ten hätte der Bund zuschießen können, für mehr Vorzeigeprojekte in Sachen Nachhaltigkeit in der Baukultur.

Zum Deutschen Architekturpreis 2015 gab es fünf Auszeichnungen und acht Anerkennungen. Eingereicht wurden insgesamt 160 Neubau-, Modernisierungs- und Sanierungsprojekte. Be. K.

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